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Friederike
Friederike beschreibt sich ungern kompakt in einem Dreizeiler. Dazu ist das Leben zu vielfältig und das Wort zu groß. Ein paar Konstanten gibt es doch – die elektronische Musik und das Schreiben, beides facettenreich.

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Two Play To Play – 1. Probe – Januar 2018

19. Februar 2018 / Kommentare (0)

Die erste öffentliche Probe der „Two Play To Play“-Reihe liegt schon schon ein paar Wochen zurück. Doch sie hallt nach – als spannender Moment, in dem wir für 90 Minuten bei der Entstehung eines unberechenbaren Projekts dabei sein konnten. Hier nun unser Rückblick.

Nach dem Künstlergespräch zwischen Martin Kohlstedt und dem GewandhausChor-Leiter – das es übrigens hier komplett nachzuhören gibt – wurde es Ende Januar ernst. Denn die erste öffentliche Probe fand statt. Friederike hat sie für uns besucht und beschrieben:

Ein nostalgischer Hauch der Masur-Ära weht in den verborgenen Backstage-Gängen hinter dem Foyer des Gewandhauses Leipzig. Nur eine graue Tür mit der Aufschrift „Chorprobensaal“ trennt die Besucher von der ersten öffentlichen Chorprobe des Projektes „Two Play to Play“ – ein Projekt Martin Kohlstedts und des GewandhausChors unter der Leitung Gregor Meyers. Ein Projekt, das die Struktur eines klassischen Chores mit der Intuition eines musikalischen Freigeistes vereinen will. Der eine Teil hat Angst vor Freiheit, der andere Teil hat Angst vor Struktur. Existiert ein Raum dazwischen? Hinter der graufarbenen Tür öffnet sich dieser Raum für einen Abend.Siebzig Sänger warten auf den Stühlen des Chorpodests, welches in U-Form angeordnet ist und mit zwei Pianos abschließt. Auf den noch freien Plätzen der stufenförmigen Erhöhung reihen sich die vierzig Zuhörer ein. Die Grenzen zwischen Chor und Publikum verschwinden. „Das ist der Chor – das Abbild der Gesellschaft“, stellt ihn der jungenhaft wirkende Leiter in orangefarbenen Cargohose schmunzelnd vor.

Unter seinem gestreiften Shirt blitzen bunte Tattoos hervor. Gregor Meyer hält bereits seit der Spielzeit 2007/2008 die Leitung des Gewandhauschores inne. Während Martin Kohlstedt im schwarzen Rollkragenpullover am zweiten Piano abtaucht, treibt Gregor Meyer die Stimmen dominierend durch das erste Lied. Nur seine scherzhafte Sprache lässt hinter der Strenge einen junggebliebenen Zeitgeist vermuten, wenn er über die Oper witzelt oder Martin Kohlstedt mit den Worten „Kannst du mal vorspielen, was du dann tust?“ auffordert.Die emotionalen Töne des Weimarer Musikers füllen den Raum mit Bewunderung – die Struktur schaut zu und wird nun das erste Mal durch ihren Koordinator mit der freiheitsliebenden Intuition zusammengeführt. Ein Spiel der Gegensätze, das entweder scheitert oder sich zum Unikat entwickelt. Es scheint, als laufen Blake Baxter- und Jeff Mills-EPs synchron, doch ohne dass sich die Impulse ineinander verzahnen oder der eine Sound vom anderen befruchtet wird, vielmehr als wenn der eine genauso gut ohne den anderen existieren kann.

„Spielst du dann für dich ein bisschen?“, fordert Gregor Meyer den experimentellen Pianist auf, das zu tun, was er immer tut. Er taucht hinter seinem Klavier in eine Blase ein, in der nur er und seine, in Emotionen getränkten Töne existieren. Gregor Meyer zieht sich aus seiner Übersetzer-Rolle zurück und bittet die Singenden intuitiv einzusteigen.

So schnell einzelne verlegene Chorstimmen zu hören sind, so schnell verstummen sie wieder in ihrer Schüchternheit.

Ein neuer Versuch in umgekehrter Reihenfolge lässt den Chor mit Sprechgesang beginnen – eine für die Sänger ungewohnte Situation, die Unruhe erzeugt. Martin Kohlstedt begleitet auf dem Klavier, passt sich an, versucht die Emotionen aus dem Chor einzufangen. Der Chor agiert, Martin reagiert. Es entsteht Harmonie, die das erste Mal einen Kompromiss zwischen der Perfektion eines klassischen Chores und der Freiheit eines Martin Kohlstedts erahnen lässt.

Von einem klassischen Chorgesang ist mittlerweile nichts mehr zu hören. Die Stimmen summen auf unterschiedlichen Tonhöhen, intuitiv, teilweise asynchron und sollen in der nächsten Probe mit Synthesizern zusammengeführt werden. Der Chor wird zum elektronischen Instrument – nichts erinnert an Gesang. Die Töne werden nun durch Stampfen, Schlagen und Rufe erzeugt, die das klassische, gewohnte Gerüst vehement durchbrechen und einen neuen Raum eröffnen – einen Raum zwischen Struktur und Freiheit hinter einer grauen Tür mit der Aufschrift „Chorprobensaal“.

Die zweite öffentliche Probe findet am 14. März statt – leider ist sie aber schon ausverkauft. Wir sind aber dabei und berichten wieder.

Fotos und Video von Markus Postrach und Christian Rothe

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