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Paula
Paula Charlotte ist M.Sc. Psychologin in Leipzig,spricht und schreibt als Autorin und Redakteurin über intersektionalen Feminismus, elektronische Musik und mentale Gesundheit. Außerdem spricht sie mit Fabian Ajaj im gemeinsamen Podcast "St*rytime" über unsere Gesellschaft zwischen Privilegien und Diskriminierungen.

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Clubkultur & Politik III: Der Club als Schutzraum & Safer Clubbing

30. Januar 2019 / Kommentare (2)

Zur Zeit ihrer Entstehung war die Clubkultur ein politischer Schutz- und Entfaltungsraum. Wie können Clubs heute noch als Schutzraum funktionieren und welche Rahmenbedingungen müssen hierfür geschaffen werden?

Safer Clubbing

Um den Clubbesuch genießen zu können, muss für Besucher*innen und Personal das Risiko, das oft mit vermehrtem Konsum einhergeht und besteht, wenn viele unterschiedliche Menschen auf engem Raum zusammen treffen, minimiert werden. Der Begriff „Safer Clubbing“ bezeichnet ein Konzept, welches bestimmte Maßnahmen umfasst, die eben dazu beitragen sollen.

Solche Maßnahmen können beispielsweise das Bereitstellen von Wasser und Säften gegen Dehydrierung sein, Vorhandensein eines Ruheareals oder Schulung des Personals in Erster Hilfe, Deeskalation und psychischen sowie medizinischen Notfällen.

Anlaufstelle Nummer eins in Leipzig was Safer Clubbing angeht ist das Institut für Zukunft. Es ist bekannt für die Arbeit der Safer Clubbing AG und die Zusammenarbeit mit den DrugScouts. Das Safer Clubbing-Konzept gibt es seit Eröffnung des Clubs und wurde hier innovativ gegründet.

Die Denke, den Club zu einem Schutzraum zu machen, findet sich deswegen im Selbstverständnis des Clubs wieder: „Elektronische Tanzmusik findet ihren Ursprung in marginalisierten und diskriminierten Gemeinschaften – daher möchten wir die Tradition am Leben erhalten und eine Atmosphäre schaffen, in der sich jeder willkommen und geborgen fühlt. Mit unserem Safer Clubbing-Konzept konzentrieren wir uns auf das Bewusstsein und die Aufklärung der Clubbesucher, um dies zu ermöglichen. Mit Safer Clubbing sind wir von Anfang an entschlossen, Sexismus und sexuelle Gewalt, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Trans * -, Inter * – und Homophobie zu bekämpfen und auf diese Formen der Diskriminierung aufmerksam zu machen, die in unserem täglichen Leben vorhanden sind.“
So far, so good.

Die Arbeit der Safer Clubbing AG im Institut fuer Zukunft

Wie sieht es en détail aus, wenn man Übergriffen und Diskriminierung etwas entgegensetzen und einen Schutzraum bieten möchte, in dem sich jede*r wohl und sicher fühlt? Ich spreche mit Marlene. Sie ist seit einem Jahr in der Safer Clubbing AG des IfZ tätig.

„Falls es doch zu Übergriffen kommen sollte, bedeutet Awareness nicht nur die SC AG, sondern die komplette Crew. Wenn Betroffene zu einer Person der Crew gehen, sollte jede*r in der Lage sein, sich damit auseinanderzusetzen, die Situation zu händeln und diese betroffenenorientiert zu lösen. Wenn es dazu kommt, dass jemand einen Übergriff erlebt hat, dann wird die Situation auf jeden Fall ernst genommen und die betroffene Person hat dabei die Definitionsmacht. Wir bieten dann Möglichkeiten wie Rückzugsorte an, um die Situation zu entschleunigen und die Bedürfnisse der Person in Ruhe zu besprechen. Die Betroffenen sollten auf jeden Fall nicht übergangen werden und wir handeln immer einzelfallbezogen“, erklärt mir Marlene.

An einem Abend arbeiten immer zwei Personen der AG im Team. Erkennen kann man sie an weißen Shirts mit einem Hologramm-Print. Sie sind mit Funkgeräten ausgestattet und so jederzeit und überall erreichbar. Das Besondere am Konzept ist aber, dass es den ganzen Club betrifft: Barpersonal, Security, Garderobe – jede*r sollte ein offenes Auge und Ohr haben. Der SC AG kommt dabei ein spezieller Part zu, da sie sich in übergriffigen Situationen besonders um die Betroffenen kümmern. Um Täter*innen beispielsweise kümmern sich eher Secus.

Menschen in Clubs konsumieren, das ist Fakt.
Was den Konsum von Substanzen und das damit einhergehende Risiko angeht, fährt das IfZ die Schiene der Aufklärungsarbeit zur Bewusstseinsbildung statt Repression. Außerdem wird das Personal geschult, im Notfall helfen zu können. An der Theke und am Ausgang bekommt man ab einer bestimmten Uhrzeit Obst, es gibt Wasser und Traubenzucker.

Marlene konkretisiert: „Wir verfolgen was den Konsum von Drogen angeht einen akzeptierenden Arbeitsansatz anstelle eines repressiven. Das sieht im Einzelnen so aus, dass wir super viele Infomaterialen haben, beispielsweise gibt es von den Drugscouts Flyer zu allen möglichen Substanzen und wie man möglichst sicher konsumiert.

Wir sind, genau wie bei Übergriffen, immer ansprechbar und aufgeklärt über Substanzen. Außerdem gibt es Obst an den Bars, und wir bieten auch in diesem Kontext Rückzugmöglichkeiten an – also einen safe space, der ursachenunabhängig zur Verfügung steht, wenn ihn jemand braucht. Wir sorgen auch für Hygieneartikel – Klopapier, Papierhandtücher auswechseln beispielsweise, und es gibt safer use und safer sex Materialien.“

Warum Türpolitik auf den ersten Blick nervt – auf den zweiten aber sehr wichtig ist

Natürlich beginnt und endet gegenseitige Awareness nicht beim Betreten und Verlassen eines Clubs – trotzdem ist die Tür oft ein wichtiger Bestandteil des Verlaufs des Abends. Hier entscheidet sich unter anderem, wie das Publikum zusammengesetzt ist. Oft zieht Türpersonal Groll auf sich wenn sie jemanden wegschicken, es kursieren Mythen über diesen oder jenen Dresscode und Türsteher*innen werden oft mit finsterer Miene und dunklen Klamotten in Verbindung gebracht.

Mich interessiert, was eigentlich dahinter steckt, hinter dieser Politik an der Tür, hinter der oft so genannten und kritisierten „Selektion“, und spreche deswegen mit Malte.

Malte arbeitet seit drei Jahren im Institut für Zukunft und anderen Clubs in Leipzig, er macht Tür, Einlass und Gästebetreuung.

Türpolitik ist ja vor allem hinsichtlich des Clubs als Schutzraum wichtig, es bestehen Risiken durch den Konsum, durch das Aufeinandertreffen diverser Gruppen etc…

Wichtig ist erst mal, zu unterscheiden: Türpolitik ist nicht die Politik, die wir machen, sondern als Türsteher*in ist man eher Dienstleister*in. In anderen Clubs als dem IfZ machen nur die Clubs die Regeln, im IfZ gibt es eine etwas andere Regelung, weil die Türpolitik gleichzeitig die Clubpolitik ist oder repräsentiert – und die wird durch das Kollektiv bestimmt.

Wir an der Tür setzen also die Politik um, die von Veranstalter*innen und dem Club gewünscht ist. Aber natürlich auch sowas wie staatliche Auflagen: Wie viele Leute dürfen in den Club, Drogen sind nicht erlaubt und so weiter. Das wird manchmal durcheinander gebracht. Wir vermitteln also die Regeln, die die Veranstalter*innen erarbeiten. Oder, wie im Falle des IfZ, es im Kollektiv erarbeitet wird.

Wie sieht die Schulung von Türpersonal aus?

Im IfZ speziell gibt es für alle, die da arbeiten wollen, verpflichtend eine Safer Cubbing Schulung bzw. DrugScouts-Schulung, bei der der Umgang mit verschiedenen Substanzen und Zuständen trainiert wird. So klassische Fälle: Jemand hat zu viel Alkohol getrunken, zu viel Ketamin genommen und du musst wissen, wie du im Notfall reagierst. Auch einschätzen zu können, ab wann es ein Notfall ist oder werden kann, gehört dazu. Puls messen, stabile Seitenlage, wie trage ich jemanden und wann trage ich jemanden nicht – manche Menschen darf man z.B. nicht hochheben, wenn sie etwas Bestimmtes genommen haben.

Auch ein bisschen eine psychologische Komponente, wie rede ich mit den Leuten: Dass ich sie nicht anschreie und so weiter. Das ist die Schulung für alle, die nachts im Club arbeiten.

Wir als Tür machen noch Situationstrainings, Szenarientrainings: Wie durchsuche ich Taschen, wie spreche ich Leute an, Deeskalation und grundlegende Selbstverteidigung, was ja elementar ist.

Wofür wird man besonders sensibilisiert? Vielleicht gerade in einem Laden wie dem IfZ, in dem das Safer Clubbing Konzept etabliert ist?

Ganz klassisch sind beispielsweise schlafende Personen. Das ist der Klassiker und kommt am Abend sicher so um die fünf bis zehn mal vor. Das wirkt von außen immer harmlos, jemand liegt halt irgendwo und schläft. Das Ding ist aber: Du musst die Person immer wecken, ansprechen, weil du nicht weißt, ob sie nur schläft, bewusstlos ist, vielleicht sogar Schlimmeres. Atemstillstand oder so. Deswegen wecken wir alle nicht-ansprechbaren Personen auf unseren Runden auf und bitten sie, entweder wach im Club zu sein oder nach Hause zu gehen, bzw. betreuen wir sie dann mit Safer Clubbing oder rufen den Rettungswagen.

Wichtig ist auch, dass wir vermitteln, dass die Leute immer zu uns kommen können, auch wenn sie vielleicht illegalisierte Substanzen genommen haben. Also es sollte nicht so sein, dass sie etwas nehmen, damit nicht klar kommen und dann Angst haben, etwas zu sagen, weil sie Konsequenzen fürchten.

Wir wünschen uns, dass die Leute zu uns kommen können, aber zur Tür zu gehen ist für Viele mit Hemmungen verbunden, weshalb es im IfZ eben das Safer Clubbing gibt, die laufen durch den Club, man kann auch zur Bar oder zur Garderobe gehen. Das ist uns ganz wichtig, diese Ansprechbarkeit von allen im Kollektiv und allen AGs.

Ich glaube nämlich das Hauptproblem ist, dass die Leute erst gar nicht auf uns zukommen. Wir wünschen uns, dass der Club ein Schutzraum sein kann, aber der sexistische Normalzustand existiert eben trotzdem.

Es gibt Übergriffe in welcher Art und Weise auch immer. Manchmal lösen Leute das auch selber. Aber ich würde mir trotzdem wünschen, dass uns dann Bescheid gegeben wird, weil selbst wenn du jetzt beispielsweise einen nervigen Typen losgeworden bist, heißt das nicht, dass der nicht gleich zur nächsten Person geht. Das versuchen wir auch in einem Gespräch zu Beginn zu vermitteln. Und das ist einer der Gründe, warum wir dieses Begrüßungsgespräch führen: Dass sie dann eben auch zu uns kommen und uns Bescheid sagen.

Und klar, es wirkt erst mal abschreckend, alle nur schwarz angezogen und so weiter. Ich meine, das eine bedingt ja das andere – du sorgst für Sicherheit, da ist es auch nicht immer leicht, total locker auszusehen, du hast praktische und warme Klamotten an… Wir versuchen deswegen aber beispielsweise auch immer eine nicht-männliche Person mit am Einlass zu haben.

Gibt es spezifische Vorfälle, die immer wieder vorkommen?

Besoffene Personen sind eigentlich der Klassiker. Besoffene Personen, die zu viert, zu fünft oder auch alleine kommen – später am Abend. Die total betrunken sind, es selbst aber nicht so richtig einschätzen können. Die müssen wir wegschicken, natürlich wollen die dann nicht gehen, meinen sie sind nicht so betrunken wie wir das einschätzen – das ist das häufigste. Leute, die dann frustriert und genervt sind, mit Flaschen werfen – sowas eben. Alkohol ist da echt so der Hauptfaktor.

Oder auch Menschen im Club, die zu viel trinken, kotzen, einschlafen, bewusstlos sind, sich selbst überschätzen, Mischkonsum betreiben und nicht damit klarkommen, also Hilfe brauchen. Das Barpersonal achtet da im IfZ aber beispielsweise auch drauf, wenn jemand zu betrunken ist, bekommt er*sie dann eben keinen Alkohol mehr. Es gibt immer Wasser an der Bar – das ist in vielen Clubs nicht so, und naja, dann trinken die Leute eben einfach weiter Bier. Traubenzucker gibt’s auch an der Bar, Obst, Magentabletten – das ist ja so die Grundidee des Clubs, dass man Hilfe bekommt, in welcher Art und Weise auch immer.

Diese Maßnahmen am Einlass sind ja oft das, was die meisten Besucher*innen stinkig macht bzw. eine Art Groll auf Türsteher*innen schürt – warum ist diese Maßnahme der oft so genannten Selektion aber so wichtig?

Das ist zum Beispiel im Falle des IfZ auch ein bisschen so gewachsen: Es gab Open Air Crews, die ein Publikum hatten, welches sich nicht so benommen, nicht so gefeiert hat, wie die Crews es sich wünschen würden – prollige Machos beispielsweise.

Aus diesem Grund ist dann die Idee gewachsen, einen Club zu gründen, eben mit einem Gespräch zu Beginn, um zu checken, wie die Person so drauf ist. Obwohl man sagen muss, diese scheinbare Auswahl ist nicht, wie viele denken, à la Berghain, dass du nur mit schwarzer Bomberjacke und schwarzer Jogginghose reinkommst. Das ist Quatsch. Wir haben keinen Dresscode außer bei Fetischpartys. Außerdem gibt es natürlich bei explizit queeren/schwulen/lesbischen Partys nochmal ein anderes Selecting.

Ansonsten ist ja auch so ein offenes Geheimnis, dass große Gruppen nicht reinkommen, weil es einfach super nervig ist, wenn du auf der Tanzfläche stehst und da ist so ein Pulk von 15 Leuten – die dann als Gruppe auch noch die Bar blockieren. Auf so Junggesell*innenabschiede und grölende Geburtstagsgesellschaften haben wir halt keinen Bock.

Ich glaube das ist aber in fast jedem Club so, selbst in Clubs die eigentlich nicht selektieren. Und dieses Begrüßungsgespräch am Anfang dient ein bisschen dazu, zu schauen, wie die Leute so drauf sind. Es ist kein „Daumen runter/Daumen hoch, du kommst rein/du nicht“ sondern es geht darum, dass wir uns die Zeit nehmen, um mit den Gästen zu quatschen.

Wenn wir das Gefühl haben, die Leute verstehen, was die Regeln sind und sie Lust auf die Party haben… Wissen die zum Beispiel überhaupt, was an dem Abend für eine Party ist bzw. was für Musik läuft? Wenn Leute das nämlich nicht wissen, reinrennen und es etwas ganz anderes ist als sie erwartet haben, kommen sie nach einer halben Stunde wieder raus und nerven die Kasse, weil sie das Geld wieder haben wollen…

Auch was für ein Publikum so unterwegs ist, zum Beispiel dass bei Fetischpartys eben auch Menschen nackt im Club rumlaufen, ist wichtig. Ich meine da haben ja manche auch keine Lust drauf und/oder sie sollen dann nicht rein und da rumlaufen wie im „Zoo“, genauso auch bei Queerpartys.

Und wir versuchen dann natürlich auch die Stimmung der Leute zu checken. Wenn da jemand ankommt und schon super aggro ist, einen auf Proll macht –  natürlich kommt die Person dann nicht rein, wenn sie schon am Einlass so eine krasse toxische Maskulinität reproduziert und es nicht schafft, mal drei Minuten jemandem am Einlass zuzuhören. Die Person wird es dann genauso wenig schaffen, sich mal zwei Minuten an der Garderobe anzustellen. Also da geht’s auch darum, zu gucken, wie reagieren die Leute auf die Situation.

Zusammenfassend, warum ist deiner Meinung nach diese Türpolitik so wichtig?

Ich glaube, das Konzept des Clubs ist wichtig, und dass die Menschen wissen, was für ein Konzept sie erwartet, weil es ganz verschiedene Clubs gibt, die ganz verschiedene Arten von Feiern und Zusammensein reproduzieren.

Da sind bestimmte Personen in bestimmten Clubs eben einfach falsch aufgehoben. Dass man also einerseits die Person davor bewahrt, auf eine Party zu gehen, auf die sie keinen Bock hat, andererseits wollen wir natürlich auch das Publikum drinnen vor solchen Leuten bewahren.

Für mich ist das irgendwie gesunder Menschenverstand, so grundlegende Sachen, sowas wie Awareness, aufeinander Acht geben, Rücksicht nehmen, auch auf andere, nicht nur auf seine Freund*in – das ist für mich elementar. Aber es gibt eben Menschen, denen ist das nicht so wichtig, die feiern lieber für sich. Dann sind die bei uns aber beispielsweise falsch.

Dafür braucht es eben die Türpolitik – dass klar ist, welches Miteinander drinnen gewünscht wird und so gut es geht darauf hingearbeitet wird, dass der Club ein Schutzraum oder auch Rückzugsraum ist.

Foto oben: SC AG IfZ / Foto von Malte: Marius Hübsch

CommentComment

  • Aus gegebenem Anlass: Es nervt. – Antoinette Blume / 12. Januar 2020 / um 12:49
    […] Leipziger Clubs und Crews sind Vorreiter, wenn es um Awareness geht – also wenn es unter anderem um sexistisches Angemache, drogen- oder alkoholbedingte […]
  • Lese / 04. Februar 2019 / um 13:08
    Hey. Komisch, das ein Thema scheinbar keinen mehr interessiert: MUSIK
    Tanzt mal drüber nach ;)

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