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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Studio Studio – LXC

31. Mai 2011 / Kommentare (0)

Es geht weiter bei unserer kleinen Reise durch die Stuben von einigen Protagonisten der hiesigen Szene. Und wir landen direkt in einem Hinterhof der Südvorstadt – bei Alphacut-Betreiber LXC.

Das Spiel bei Studio Studio ist einfach – es gibt ein Foto und es gibt ein paar Worte vom Besitzer des abgebildeten Raums. Bei LXC blieb es nicht nur bei ein paar Worten. In großer, fast gastfreundlicher Ausführlichkeit nahm er sich die Zeit sein Interim-Studio zu beschreiben. Lest und seht selbst – das Bild vergrößert sich übrigens, wenn man darauf klickt. Aufgrund des langen Textes gibt es mehrere Bilder verteilt zu sehen. Damit erspart ihr euch ein langes Hochscrollen.

Fotografiert hat wieder Christian Hüller.

„Bevor wir direkt zum Nerd-Modus übergehen, will ich dazu sagen, dass ihr oben mein derzeitiges Interim-Studio seht – recht gemütlich gelegen in einem Hinterhof im Herzen der Südvorstadt… Derzeit bastle ich an einem neuen Musikzimmer, dann wieder zu entspannt zu Hause. Alles auf dem Bild stammt übrigens nicht aus dem Katalog oder wurde mal eben fix zusammengekauft: Die ersten Geräte waren um 1996 herum einfach notwendig, da Musik-PCs noch nichts richtig auf dem Kasten hatten. Seitdem wurde immer wieder nebenbei gesammelt und getauscht. Irgendwann ist die kritische Menge an Equipment erreicht, das Studio wird irgendwie zum schwarzen Loch und aus unerfindlichen Gründen steht einfach immer mehr da.

Ganz links auf dem Bild kann man ein wenig das Chaos um das Studio erahnen, alles geht unter in Kartons und Verpackungsmaterialien, Reparaturprojekten und Ebay-Anwärtern. Unten links sieht man den ‚Gakken’, der neben dem komischen Namen mit einem kleinen Stift für das Anspielen der Töne, einer minimalen simplen und schön dreckigen Klangerzeugung und dem Bombenpreis von 30 Eiern direkt aus Japan zu euch nach Hause kommt. Tödliches Live-Intro-Tool! Das Flaschenchaos drum herum bleibt bitte unkommentiert – ich bin ja froh dass man hier wenigstens erahnen kann, dass in dem Raum gearbeitet und nicht nur gesoffen wird.

Desweiteren links im Bild das obligatorische Expedit, mit den Rinden für Tag und Nacht, zum Tanzen oder zum Gehirnstürmen: Drum’n’Bass von deep bis Atomstrom, Dubstep, Downtempo, Breakcore, Hardcore, IDM, Noise, Ambient und auch Handgemachtes. Die bunten Scheiben vorn an sind ein kleiner Ausschnitt aus dem Farbtreiben des Hauses von und zu Alphacut.

Nebenan schließt sich konsequenterweise der Auflegebereich an, und ja: Der Mixer steht LINKS von den beiden Technics, da ich so nicht ständig umdenken muss zwischen Fader führen und Platte ‚angrabschen’. Und, ja, ich habe kein Problem mit den doppelten Mitten des Allen & Heath und präferiere diese Mixer immer noch kilometerweit vor anderen, vor allem ob der besseren tontechnischen Eigenschaften: Der riesige Headroom ermöglicht saubere Mixe in jeder Lage und ohne die zwei unabhängigen Filter im Xone 92 könnte ich glaube ich gar keine feingliedrigen Übergänge mehr hinbekommen.

Studio Studio #2 – Musikzimmer von LXC (Foto: Christian Hüller)Mittig im Bild der Control Tower, der Schaltschrank, der Effekt-Turm. Was man nicht sofort glaubt, ist, dass das Teil Rollen hat und im Raum theoretisch frei beweglich ist. Ganz unten befinden sich die Band-Echos: z.B. ein Watkins Copycat im niedlichen Köfferchen (übrigens mein erstes echtes analoges Effektgerät, danach war ich süchtig nach dem Scheiß). Da es allerdings nur drei feste Echozeiten bietet, mussten dann zwei Dynacord Echocord Mini in Stereo ran, die einen stufenlos verstellbaren Tonkopf haben und denen sich schöne dreckige Effektspielereien betreiben lassen. In der unteren Hälfte sind noch ein paar digitale Echos im Rack, ein Dynacord DRS 78 für den ultimativen Klaustrophobie-Hall, ein Aria-Delay aus der 80er-Billigecke für trashige Sachen und ein Lexicon PCM 42 als die wohl solideste Delay-Waffe, die jemals gebaut worden ist.

Darüber kommt das wohl wichtigste Tool in diesem Effektstudio: Die vollanaloge verzögerungsfreie Stereokette, in der Reihenfolge patchbar, einzeln hart Bypass-fähig, mit: dem Vermona DAF1 Stereofilter, der auch der Signalhüllkurve folgt und somit als spezielles Noisegate verwendbar ist, weiterhin mit dem AKG TAPCO 4400 Federhall – mein absoluter Favorit in dem Gebiet, da er diese wunderbaren metallischen Obertöne mit mehr Brillanz hervorzaubert als alle anderen Geräte die ich kenne – einem Vermona PH1 Phaser für den Lee-Perry-Faktor, einem billigen aber gutem japanischen Aria AR 252 Federhallgerät, um nochmals bei Bedarf von hinten breiten Hall anzudicken, einem SPL SX2, der psychoakustisch mit den Phasengängen jongliert und z.B. zusätzliche Harmonische für etwas zu morastigen Federhall ermöglicht und schließlich ein DBX 1066-Kompressor als Arbeitstier für Verstärkerrauschen und Pegelspitzen.

Im oberen Drittel hängen noch ein paar Staubfänger wie z.B. ein geborgter alter S 1100-Sampler von Akai, der leider so nostalgisch ist, dass es jeder Usuability-Diskussion entbehrt. Darunter ein additiver Synth, für den ähnliches gilt. Schließlich noch eine ultimative Geheimwaffe eines frei operierenden Schraubers aus Berlin, ein Monofilter namens ‚Ebbe & Flut’ – die absolute Oberklasse was Sounddesign angeht. Nicht ganz billig, aber eben direkt und fair vom Ingenieur zu erwerben und wirklich mit Abstand das Schärfste in Headroom, Klangqualität, Semi-Modularität, Flexibilität und Soundgewalt. Tipp!

Studio Studio #2 – Musikzimmer von LXC (Foto: Christian Hüller)Ganz oben im Rack ist noch der Billo-Verstärker S75 von Thomann, der die RFT BR-25-Monitore füttert – eine Kombination die wenig populär ist. Zu Unrecht: Der Amp hat ein sehr einfaches Schaltungsdesign und somit eine Qualität, die man sonst erst in der Oberklasse wiederfindet. Und die RFT-Boxen wurden damals von Musikelektronik Geithain dimensioniert – ziemlich transparenter Sound und schön linearer Frequenzgang für um die 200 Mäuse. Bei Bedarf an Bass kann man einfach einen Grafik-EQ davor hängen – die kleinen Dinger gehen bis 5 Hz in den Keller, keine Sorge! Und ja, sie hängen bei mir von der Decke. Was sich als Notlösung ob fehlender Ständer ergab mag ich jetzt nicht mehr missen.

Der ganze bisher genannte Spaß läuft über eine mehr oder weniger chaotische doppelte Patchbay in mein Mackie 16-Kanalpult, das auch für relativ wenig Geld sehr sauber arbeitet. Darauf aufliegend sieht man noch einen Vermona DRM 1 Mk II-Drumexpander, der für Beatlayerings ganz praktisch ist, um sich sehr schnell analoge Drumsounds zum Andicken je nach Bedarf zusammenzuschrauben. Solo ist er allerdings eher nicht zu empfehlen, und schon gar nicht unbearbeitet.

Als Schaltzentrale nach dem Pult dient ein Ebay-Laptop mit einer Motu Ultralite Mk I, einem 4fach-MIDI-Interface, Wandlern für CV/Gate und analoger Clock und dem guten kleinen Trigger Finger zum Beats eintippen und DAW steuern. Softwareseitig ist alles an Bord was man so kennt, da kochen wir ja alle nur mit Wasser, oder? Noch auf dem Tisch ist der Access Virus Synth, unerlässlich für alle komplexen Sounds, für die man sonst ein riesiges Modularsystem bräuchte, und eine 606 zum Festhalten von Pattern-Ideen – na gut, und für die Silberkistennostalgie auch, zugegeben.

Ganz rechts stehen noch zwei Roland-Keyboards, ein Alpha Juno 2 mit den amtlichen Holland-Rave-Staubsauger-Klängen – übrigens auch ein prima MIDI-Keyboard – und einer SH 101 für alles grundlegende, bassige, knarzige und analoge mit der nötigen Fettheit. Die macht sowohl Bomben-Subbässe als auch Acid Lines, oder einfach nur rauschige Flächen, und das alles ziemlich schnell mit ein paar Handgriffen. Ein sympathisches Arbeitstier eben. Ganz rechts, etwas schlecht zu erkennen, stehen noch zwei Kondensator-Mikrofone von Neumann für alles von Hand eingespielte, Instrumentalisten, Vokalisten usw. – in Transparenz, Tiefenstaffelung und einfach ‚Echtheit’ wirklich sehr beeindruckend.

Die zwei goldenen Kistchen oben auf dem Schrank sind übrigens eine unschlagbare Kombi der Sechziger, so sah ein Soundsystem-Amping damals aus: 100 Watt Röhrenendstufe mit vier Eingängen und dazu ein Röhrenband-Echo für die amtlichen Surfgitarren und Elvisstimmen – nur damit wurden Locations mit bis zu 500 Leuten beschallt, heute undenkbar, oder?

Viele kleinere Tools die ich noch verwende, um Sounds und Ideen zu entwickeln, sind auf dem Foto leider gar nicht drauf. Das liegt auch daran, dass ich nebenbei an einem Live-Koffer mit vielen kleinen Maschinchen tüftle. Aber das führt hier zu weit, ich bin mir eh sicher das bis hier runter keiner anders als quer gelesen hat. Falls trotzdem noch Fragen zu einem Gerät oder einer Technik auftauchen, oder bestimmte Sachen oder Arbeitsweisen unklar sind, dann kontaktiert mich! Bin auch immer gern in Kollaborationen, Aufnahmen und Effektmischungen sozusagen ‚verwickelt’. Alles weitere auf LXC808.COM … Bässte Grüße!“

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