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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Roundtable – Analog sucht Digital

21. September 2011 / Kommentare (0)

Am kommenden Freitag fragt das Label Analog zusammen mit der Fenster zum Hof-Crew nach dem Status Quo der Digital-Analog-Verschmelzung. Anlass genug, einen virtuellen Roundtable mit den drei auftretenden Bands zu genau diesem Thema anzuleiern.

Das Diskussionsfeld ist riesig, mit unzähligen Anknüpfungspunkten und verschiedenen Perspektiven. Was hört analog produzierte Musik auf, wo beginnt das Digitale, an welchen Punkten sind Vermischungen möglich? Sind Laptop-Live-Acts überhaupt Live-Acts. Wir haben Klinke Auf Cinch, Me And Oceans und PraezisaRapid3000 einige Fragen zu diesem Thema gefragt. Hier sind ihre Antworten.

Analog sucht digital, so das Credo des Abends, den Analogsoul zusammen der Distillery kuratiert – sind die beiden Kategorien für euch beim Musik machen heute noch solch ein Gegensatz?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Kreatives Arbeiten ermöglichen beide Welten. Aber analoges Equipment klingt in unseren Ohren angenehmer und ist für uns daher unverzichtbar. Letztendlich landet aber doch jeder Track auf der Festplatte. Das ist schon ungeheuer praktisch, um Ideen schnell aufnehmen und im Sequenzer immer wieder umarrangieren zu können. Dadurch entwickelt sich ein schöner Arbeitsfluss und verbindet damit wieder beide Welten.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Diese „Analog/Digital“-Diskussion spricht ja von etwas ganz anderem als wirklich ihr Thema sein sollte. Die Leute versuchen Kategorien zu schaffen um sich zu erklären warum dies und das fetter, besser, wärmer als das andere klingt. Das ist natürlich Quatsch.Für uns stellt sich nie die Frage ob analog oder digital gearbeitet wird. Eher die Frage ob wir versuchen Dreck durch schlechte Qualität von Geräten oder Tonträgern einzubringen, das machen wir dann teils mit Simulationen auf digitaler Ebene und teils mit Aufnahmegeräten und halbkaputten Tretminen aus den Siebzigern auf der analogen Seite. Im Prinzip würde auch analoge Summierung ein Thema für uns sein, wenn wir denn das nötige Kleingeld hätten um uns in der Richtung auszustatten.

Fabian (Me And Oceans): Auf der einen Seite nicht, da beide Dinge Teil des natürlichen Workflows beim Songwriting und Produzieren sind. Es ist für mich relativ selbstverständlich, das analog und digital zusammengehen und beispielsweise alte Synthesizer auf Plugins treffen. Dennoch wird immer wieder ein Unterschied sicht- bzw. hörbar. Und dann tausche ich für den finalen Mix doch das Pianoplugin gegen ein echtes Fender Rhodes, oder lasse die Streicher nochmal einspielen, die bislang nur als Emulation und somit als digitaler Fremdkörper im Mix saßen, oder lass das Mastering dann komplett analog machen.

Klinke Auf CinchGibt es im Entstehungsprozess neuer Stücke Momente, in denen ihr primär digital oder primär analog arbeitet?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Manchmal tüfteln wir stundenlang an einem Sound, testen verschiedene Mkrofonierungen durch oder hängen plötzlich in einer Jam fest. Der rote Faden unserer Stücke entsteht aber oft erst am Rechner, weil immer neue Ideen das Grundkonzept oft wieder umwerfen.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Es ist immer eine Mischung. Auf der „Doebeln/Detroit“ zum Beispiel ist ein Stück, da ist der Drum-Track mit einem Sample-Drumkit im Rechner und einem USB-Controller entstanden. Die Drums haben wir dann aus dem Rechner rausgeschickt und erstmal dann ging es durch einen vollanalogen Flanger aus den Siebzigern (Electric mistress). Ein sehr schönes Gerät, es ist auch etwas kaputt und so hat man immer ordentlich Störgeräusche dabei. Danach ging es durch ein weiteres Effektgerät – ein digitaler Oktavgenerator. Der sieht analog aus und klingt auch so, ist er aber nicht. Dann wurde das ganze auf eine schon oft überspielte ChromeII-Kassette aufgenommen und von da aus wieder in den Computer geschickt. Das war dann der Grundrhythmus, den haben wir für einen zweiten Teil im Lied noch einmal in der Tonhöhe verändert und die Geschwindigkeit angezogen, das ganze dann bis zum geht nicht mehr editiert und voilá, fertig war das Drum-Fundament.

Fabian (Me And Oceans): Nein, eigentlich nicht. Dadurch das Me And Oceans für mich nicht primär elektronische Musik im klassischen Sinn ist, steht natürlich das Songwriting, also Harmoniearrangement, Text und Gesang sehr im Vordergrund und damit automatisch zuerst sehr „analoge“ Sachen. Das geht aber immer sofort einher mit ersten Beatskizzen, gesampelten und digital editierten Teilen oder einem schnell festgehaltenen Thema, das ich midi einspiele.

Me And OceansUnd auf der Bühne, spürt ihr da einen Hang mehr zum Analogen oder mehr zum Digitalen?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Wir sind natürlich mit Instrumenten auf der Bühne. Grundbausteine unserer Tracks kommen aber von Rechner und MPC.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Auf der Bühne ist es wichtig, etwas anfassen zu können und wirklich in die Lieder einzugreifen. Das ist keine Frage von analog oder digital, sondern von guten Instrumenten und Interfaces. Da Computer instabil sind, tendieren wir zu Hardware. Da fehlt allerdings das Geld, um sich wirklich so auszustatten wie wir es bräuchten. Also sind wir abhängig vom PC, der im Liveauftritt ca. zehn Synthesizer und nochmal soviele Sampler darstellt. Bei der Gitarre bin ich Purist, da muss es schon ein Singlecoil-Tonabnehmer und Vollröhrenamp sein.

Fabian (Me And Oceans): Ich spiele live ja mit Laptop, und einigen Kleinstinstrumenten und manchmal mit einer alten Hohner-Orgel. Der Fokus liegt sehr auf der Stimme, die ich auch kaum oder gar nicht verfremde. Insofern trifft da analog hart auf digital und ich versuche einfach ein „Gesamtes“, etwas Homogenes zu performen.

Was ist live die größte Herausforderung für euch?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Wasser zu trinken.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Jedes mal anders zu spielen. Die Lieder entstehen in monatelanger Kleinstarbeit, nicht aus dem Jam. Das wollen wir so, live ist das eine große Herausforderung, denn ein Proben beginnt immer mit der Frage: „Wie verdammt nochmal setzen wir das Lied denn jetzt live um..?“ Wir sehen keinen Sinn darin einen Auftritt zu spielen, bei dem man versucht cool auszusehen und im Takt der Musik mitzuwippen, aber nichts wirklich verändert in dem Moment, keinen Zugriff auf die Essenz der Musik hat. Das allerdings zu überwinden ist ein langer Prozess. Aber wir haben Zeit.

Fabian (Me And Oceans): Die größte Herausforderung ist auf jeden Fall dem Laptop als „Band“, der ja sehr kühl und akribisch funktioniert menschliche Wärme hinzuzugeben und wie oben schon gesagt etwas auf der Bühne zu zeigen, das als ein Ganzes wahrgenommen wird und einen Transport hat, also irgendwas auslöst, berührt.

Man könnte meinen, dass durch die Verknüpfung von Digitalem und Analogem nahezu alles möglich wird. Seht ihr trotzdem irgendeine Grenze?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Ohne Analog gehts nicht. Ohne Digital aber schon.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Es fehlt noch an wirklich möglichkeitserweiternden Mensch-Computer-Interfaces. Der Computer muss vollkommen zum Musikinstrument werden. Die meisten bisherigen Controller sind bloss Kopien von alten Klaviaturen und Mischpulten. Da geht aber noch viel mehr. Multitouch ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber für mich noch nicht wirklich praktikabel, es fehlt die Kontur und das, was man wirklich anfassen kann. Audio anfassen können, das wärs. Es gibt bei uns auch schon länger die Überlegung sich mal selbst an ein Interfacekonzept zu wagen – wir werden sehen.

Me And Oceans Website
Klinke Auf Cinch Website
Praezisa Rapid 3000 Soundcloud
Analogsoul Website
Mehr zu Me And Oceans bei frohfroh
Mehr zu Praezisa Rapid 3000 bei frohfroh
Mehr zu Analogsoul bei frohfroh

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