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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Kontextentrückungen mit pneuma-dor

13. Dezember 2014 / Kommentare (0)

Es tut sich etwas im experimentellen Bereich. Mit pneuma-dor veröffentlichte Anfang Dezember ein neues Label seine erste Platte. Zeit für ein Interview.

Der Name pneuma-dor ist nicht gänzlich neu. Mit Partys im Westwerk und dem Institut für Zukunft wurde bereits deutlich, dass hier mehr ausgelotet werden soll als bloss den Dancefloor zu bespielen. Vielmehr ist es ein sehr experimenteller Umgang mit verschiedenen Genres.

Die erste Platte von pneuma-dor ist zugleich das Vinyl-Solo-Debüt der Musikerin Corecass. Sonst spielt sie wohl im Post-Punk und düsteren Metal-Set-up. Ihre vier Solo-Stücke sind das genaue Gegenteil. Elegische und schaurig-bedrückende Arrangements mit sehr klaren und schneidenden Sounds – die durchaus sich teilweise ins Folkloristische hinauswagen.

Keine Elektronik. Richtige Instrumente – unter anderem eine Harfe –, selbst eingespielt und mit ihrem beiläufig eingebetteten Gesang als besonderen Gegenpart zu Quasi-Electronica neu zusammengestellt. Ein mutiger Start, der noch einmal eine völlig andere Note reinbringt als bei Holger, Doumen und Privatelektro.

Dass pneuma-dor die Faszination des House und Techno ebenso schätzen, zeigt die B-Seite der „Sacer EP“. Dort remixten Mod.Civil, Carina Posse und Technical Grief. Als Kollektiv antworteten die pneuma-dor-Betreiber die frohfroh-Fragen zum Start des Labels.Promoter, Booking-Agentur, Label – ihr habt einiges vor mit pneuma-dor, oder?

Einen festen Fahrplan, der genau vorschreibt, was in den nächsten Monaten passieren soll oder muss, gibt es so nicht. Natürlich ist für uns schon klar, wie das nächste Release aussehen wird, aber das ist momentan noch in der Konzeptionsphase.

Hinter dem, was sich bis jetzt so zugetragen hat – und darauf bezieht sich auch die von dir erwähnte Aufzählung – , stand und steht viel mehr der Gedanke, experimentierfreudige und für uns interessante Künstler und Künstlerinnen zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Musik mit einer gewissen Öffentlichkeit zu teilen.

Hat Leipzig genug Potential für experimentelle Musik – oder schaut ihr da eher über die Stadt hinaus nach Künstlern und Künstlerinnen?

Sowohl als auch. Natürlich besteht in Leipzig, gerade was elektronische Musik anbelangt, eine sehr vitale und uns beeinflussende Szene, die mehr oder weniger offensichtlich Potential schafft und auch gewisse musikalische Nischen bedient.

Und selbstverständlich ist es oft naheliegend, dass Label mit den Künstlern und Künstlerinnen aufzubauen, die aus dieser Szene stammen und im Freundes- und Bekanntenkreis in Erscheinung treten. Dennoch will sich pneuma-dor nicht an diese Stadt binden, d.h. es geht nicht darum, nur lokale Künstler und Künstlerinnen zu finden und zu unterstützen. Entscheidend ist viel mehr der musikalische Aspekt.

Wer steckt alles dahinter?

Der kreative Kopf hinter pneuma-dor ist Andreas Gaist, über den es an dieser Stelle gar nicht so viel zu sagen gibt. Zusätzlich dazu gibt es noch einen Kreis von Freunden und Freundinnen, die ihn unterstützen, wenn nötig. Maßgeblich formen aber die Künstler und Künstlerinnen, die auf pneuma-dor ihre Musik veröffentlichen oder anderweitig damit in Verbindung stehen das Label und dessen Output.

Wollt ihr euch auf einen bestimmten Sound fokussieren?

Andreas empfände es als ziemlich beengend, sich in der heutigen Zeit, in der sich Genregrenzen immer weiter auflösen und verschieben, auf einen bestimmten Sound zu beschränken und sich so unnötige Grenzen zu setzen. Daher ist es auch schwer dazu etwas Allgemeines zu sagen.

Grundsätzlich gibt es sicherlich ein Interesse an einer gewissen Sperrigkeit und auch Neuartigkeit im Sound und daran, dass Musik nicht belanglos wirkt. Das hängt auch damit zusammen, dass beispielsweise Techno oder elektronische (Tanz)musik im Allgemeinen bei pneuma-dor nicht nur als Gebrauchsmusik für den Dancefloor begriffen wird.

Wie das dann konkret in der Umsetzung aussieht, entscheidet sich natürlich von Release zu Release. Bei der „Sacer EP“ findet da beispielsweise eine Kontextentrückung im doppelten Sinne statt. Einerseits treten Instrumente, die man eher aus klassischen oder folkloristischen Kontexten kennt, in einem Kontext zumindest teilweise elektronischer Musik auf und werden dort gebrochen. Und andererseits werden die Songs auf der B-Seite der Platte, in einen Dancefloor-tauglichen Zustand umgewandelt.

Die Veranstaltungen scheinen auch diese Kontextentrückungen im Sinn zu haben: Mit Konzert- und Club-Parts?

Ja, ganz gewiss beeinflusst der Ansporn, der dazu führt, sich mit bestimmter Musik zu beschäftigen und diese zu releasen auch die Veranstaltungen und umgekehrt. Man kann sagen, dass es bis jetzt sicherlich stellenweise darum ging, den Clubkontext, in dem Tanzmusik funktioniert, aufzubrechen und etwas Andersartiges, vielleicht auch Unbequemes oder Irritierendes einzuschleusen.

Solche Verschiebungen, die eventuell gewisse musikalische Gewohnheiten stören, führen ja bestenfalls auch zu besonderen musikalischen Erlebnissen und einer Sensibilisierung für Ungewöhnliches, einer Öffnung neuer Perspektiven, etc.. Das soll aber natürlich nicht heißen, dass jede pneuma-dor Veranstaltung zwingend diese „Aufgaben“ erfüllen muss und es nicht auch mal eine Clubnacht geben kann, die sich auf zum Tanzen einladende Musik konzentriert. Das Veranstaltungsspektrum soll sich eben bestenfalls nur nicht darin erschöpfen. Auch hier geht es um Diversität und Musik, die uns anspricht.

pneuma-dor Website

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