Im zweiten Teil unserer Soundsystem-Reihe stellen wir euch das Plug Dub Soundsystem vor.
Zur Erinnerung: Anlässlich des zweite Soundsystem Clash im Conne Island haben wir einen einleitenden Artikel zum Konzept der Veranstaltung veröffentlicht. Dabei gab es auch Kritik, dass die Geschichte der Soundsystem-Kultur zu kurz kam und das Konzept des Soundsystem Clash nicht stark genug vom Konzept des Soundclash abgegrenzt wurde.
Um das Thema nochmal kurz aufzugreifen: Der Soundsystem Clash stellte die beiden Anlagen der teilnehmenden Crews Plug Dub und Bassmæssage in den Mittelpunkt und war auch weniger konfrontativ ausgerichtet, als das Wort „Clash“ vielleicht vermuten lässt. Im Gegensatz dazu ist beim klassischen Soundclash der Konkurrenz-Gedanke deutlich ausgeprägter. Es spielen nicht nur die technischen Faktoren eine Rolle.
Fast schon wichtiger als die Anlage sind eine bessere Auswahl an Tracks, gern auch in Form exklusiver Dubplates oder besondere Versionen bekannter Titel, mit denen sich die gegnerischen Parteien messen. Ähnlich wie im HipHop gibt es auch Varianten, bei denen der Gegner auf mehr oder weniger kreative Weise mit vorhandenen Platten beleidigt wird. Kurzum: Es gibt viele Formen des Soundclash, die auf dem ersten Ohr und Auge sehr vom Konzept der Soundsystem Clash-Veranstaltung abweichen, aber gemeinsame Wurzeln teilen. Danke an Steffen für den Hinweis und die Hintergrund-Informationen.
Nun ist also der zweite Soundsystem Clash verdaut und beide teilnehmenden Crews haben gleich zwei Wochen später parallel jeweils eine weitere Party veranstaltet. Der April war demnach ein guter Monat für alle, die sich gern mal vom Sub-Bass durchrütteln lassen.
Jeder, der sich nicht nur in diesem April auf der Suche nach Reggae, Dub oder auch Drum & Bass-Veranstaltungen begibt, wird früher oder später über das Plug Dub Soundsystem stolpern. Im Grunde ist die Crew rund um Jonah Vibes, Jah Listener, Käptn Esteban, Senor C, Miles Won und Toni Wobble eine Institution in Leipzig, kommen sie doch dem Soundsystem-Gedanken, wie er in Jamaika entstand und sich auf der ganzen Welt verbreitete, wie kein zweiter in dieser Stadt nahe.
Dazu zählt natürlich nicht zuletzt ihr selbstgebautes, auf genre-übliche Frequenzen ausgerichtetes Soundsystem, sondern auch ihr Ansatz der Präsentation der Musik: Weniger die einzelnen DJs (die außerdem auch gern „Selector“ genannt werden) als vielmehr die Anlage und die gespielte Musik stehen bei ihren Partys im Mittelpunkt. Die Crew-Mitglieder und die Gast-DJs verschmelzen optisch fast schon mit dem Soundsystem und können umso mehr die Musik für sich sprechen lassen.
Der Fokus liegt dabei auf den verschiedenen Ausprägungen im Reggae, Dub und in den daraus resultierenden elektronischen Spielarten und verschiebt sich je nach Person durchaus von der einen zur anderen Nische. Eine ganze Reihe angeschlossener Effekt-Geräte bietet die Möglichkeiten, das Frequenzspektrum der gespielten Musik live zu manipulieren und dadurch neue Versionen zu entwickeln. Das schafft auch Raum dafür, Musiker und Vokalisten live in eine Session einzubinden, ohne dadurch gleich eine Konzertsituation zu schaffen, die die Party unterbrechen würde. Auch die Plug Dub-Member selbst produzieren eigene Tracks, die auf sie auf ihren Sessions spielen. Einen Eindruck davon schafft ein aktueller Mix für Basscomesaveme von Jah Listener und Miles Won.
Vor allem im Leipziger Westen ist das Plug Dub Soundsystem in unterschiedlichen Locations unterwegs, beehrte aber auch schon die Distillery und war bei der Bassmæssage zu Gast. Auch mit anderen Crews kooperiert das Soundsystem: Mit Ulan Bator und den Vibes Ambassadors veranstalten sie beispielsweise die Reihe „3Takter“. Beim Outlook Festival Launch am 20.05. in der Distillery sind sie demnächst wieder zu hören – nicht verpassen! Aber auch außerhalb des Party-Kontext ist das Plug Dub Soundsystem unterwegs, wie der folgende Ausschnitt einer Demonstration in Gorleben zeigt:
Toni Wobble und Miles Won haben sich Zeit für uns genommen, um einige Fragen zum Thema „Soundsystem“ zu beantworten. Zum Ende hin gesellte sich auch Jonah Vibes hinzu.
Für Leute, die gar keine Ahnung haben, was ein Soundsystem ist: Wie würdet ihr ihnen das erklären? Was macht ein Soundsystem aus?
Toni: Das ist grundsätzlich erstmal eine Beschallungsanlage für Musik. Aber dahinter stehen noch andere Sachen. Es gehört eine Gruppe von Leuten dazu, die sich darum kümmert. Es gibt ja so typische Veranstaltungsbeschallungsanlagen, PAs. Das ist so ein Fertigprodukt. Und ein Soundsystem wächst halt. Es ist meistens selbst gebaut.
Das ist sowas wie ein Garten, den man sich anlegt. Nicht wie so ein fertiger Blumenstrauß, den man sich ins Fenster stellt, sondern wie ein eigener Garten: Da kümmert man sich drum, da muss man immer hingehen, da geht mal was ein. Da freut man sich, wenn mal wieder was aufblüht. Und so ist es eigentlich auch mit dem Soundsystem. Man muss sich drum kümmern, man muss ein bisschen was machen. Das ist halt nichts, was es nochmal so gibt. Jedes Soundsystem ist eigentlich ein Unikat.
Das heißt, nach und nach wird die Technik verbessert und das Soundsystem ausgebaut? Oder habt ihr einen Punkt erreicht, an dem ihr sagt, so ist es cool und wir lassen es, wie es ist?
Miles: Es ist fünf Jahre her, als wir die ersten Boxen gebaut haben. Seit 2015 sind wir an einem Punkt, wo es schon ziemlich cool ist und wir relativ zufrieden sind – sodass wir jetzt nicht unbedingt noch mehr Technik brauchen. Aber auf der technischen Seite ist es immer besser, Spielraum zu haben. Wenn man mehr Boxen hat, muss man nicht so sehr aufdrehen und dann ist der Sound halt schöner, aber mit dem Fein-Tuning geht es immer weiter. Klingen die Boxen nicht so wie wir wollen, wird das nächste Design getestet und so weiter.Foto: Gregor Barth
Wie muss man sich den Boxen-Bau vorstellen: Hat einer von euch eine technische Ausbildung in der Richtung oder ist es alles ein Do-It-Yourself- oder Trial & Error-Ding?
Miles: Das Meiste haben wir uns selbst angeeignet. Käptn Esteban ist gelernter Akustik-Ingenieur. Der macht beruflich Bau- und Lärmschutz -Ausmessung und solche Sachen. Er kann Lautsprecher ausmessen und danach wissen wir, was die für technische Daten haben. Und so teilt sich das ein bisschen rein. Jonah Vibes ist Tischler. Er hat supergute Tipps gegeben, wie man bestimmte Verbindungen und Versteifungen baut, was man aus dem Stehgreif nicht sofort könnte.
Weitere Freunde, wie die Siebdruckwerkstatt Offensiwe und der Skateboardshop Bastlboards, haben uns zum Bauen ihre Werkstatt und ihr Werkzeug zur Verfügung gestellt. Aber im Endeffekt ist es sehr primitiv. Es ist kein Hexenwerk. So eine Box ist schnell gebaut, aber sie auszustatten, damit sie gute und saubere Töne macht, ist eigentlich das Schwierigste. Und da haben wir glücklicherweise Daniel Präzzisione, der uns sehr geholfen hat und der seit drei Jahren in Leipzig wohnt. Er kommt vom Dandelion Soundsystem aus Freising, eines der ältesten Reggae Soundsysteme in Deutschland.
Toni: … es ist DAS Soundsystem …
Miles: … die sind seit zwanzig Jahren am Start. Daniel hat dem Ton-Techniker von Dandelion jahrelang auf den Sessions geholfen und gibt uns nun wiederum sein technisches Wissen weiter …
Toni: Er weiß auch aus Erfahrung, um was es geht …
Miles: … und hat schon tausend Boxen gehört …
Toni: Soundsysteme in unserem Sinne sind ja immer für Reggae- und Dub-Musik gedacht, also Musik, die ein bestimmtes Frequenz-Spektrum anspielt, die von anderer Musik gar nicht bedient wird. Hauptsächlich im Sub-Bass-Bereich braucht man da eben Erfahrung. Die Soundsysteme sind so aufgebaut, dass der Sub-Bass-Bereich extra betont wird, um die Musik einfach physisch spürbar zu machen. Dabei geht es nicht darum, an die Hörgrenzen zu gehen und den Leuten blutige Ohren zu schlagen, sondern darum, einen schönen Klang hinzubekommen, der einzigartig ist. Ich kenne es von keiner anderen Musik-Anlage, die sowas schafft, nur von Soundsystemen, die im Reggae/Dub zu finden sind.
Miles: Das Bauen und die messtechnischen Sachen sind auch nur ein kleiner Teil davon. Am Ende des Tages ist es manchmal auch ein bisschen schade, wenn die Leute sich so sehr auf den Bass konzentrieren. Die Leute sind zu geil auf den Bass und der Rest wird unterschlagen. Man kann sich natürlich 16 Bass-Boxen hinstellen und jeweils Mitten und Höhen. Das ist dann schon krass, aber ich finde es schon wichtig, dass es Full-Range ist …
Toni: … es muss ausgewogen sein.
Testet ihr die Anlage auch mit völlig anderer Musik? Klingt die dann auch nicht gut? Wenn man quasi basslose Musik auf dem Soundsystem spielt?
Miles: Ja, Rock ist schon sehr schwierig auf jeden Fall.
Toni: Das macht keinen Sinn. Manchmal wollen Leute darüber Techno spielen aber das funktioniert nicht.
Miles: Zum Beispiel bei Rock-Musik passiert alles in der Mitte: Gesang, Gitarren, Keyboards usw. Da kannst du den Sub-Bass zu Hause lassen und zwanzig Mitten hinstellen. Das klingt dann besser, als es mit unserem Soundsystem zu spielen, weil drei von unseren Wegen dann gar nicht bedient werden.
Toni: Zum Beispiel hat ja diesen typischen, pumpenden Bass-Ton. Das ist nur so ein Kick-Bass im 80 bis 160-Hertz-Bereich …
Miles: Verschiedene Stile haben ja verschiedene Aufgaben und Anforderungen, man hört sich ja im Club keine Klassik an, zu Hause vielleicht aber schon. Je nach Anlass brauchst du andere Wiedergabe-Arten und Systeme. Bei Techno müssen wir die Subwoofer auch wieder ausschalten, sonst ist es nicht ertragbar, da kommt in der Regel auf jeden Bass Drum-Schlag der daruntergemischte Sub-Bass-Ton. Und der Sub-Bass-Ton ist dann lauter als der Kick Drum-Ton auf unserem System. Das kann man dann natürlich technisch entsprechend umstellen und sich Techno die ganze Nacht anhören, aber dann kann man auch den Sub-Bass gleich zu Hause lassen , weil man den nicht braucht und eh herunter drehen würde. Wie gesagt, es geht nicht um die Lautstärke, sondern um die qualitative und artgerechte Wiedergabe der Musik.
Toni: Es ist eine eigene Ästhetik. Man hat Wohlgefallen daran gefunden und seinen Geschmack entwickelt, den man da haben will. Man muss da im Genre auch gar nicht weit weggehen. Es ist auch im Drum & Bass teilweise schon so, was sich ja aus dieser Reggae- und Dub-Schiene entwickelt hat. Ganz viele Sachen sind ja Remixe, bei denen die doppelte Geschwindigkeit verwendet wird. Aber pumpt so schnell, dass dann diese riesigen Bass-Boxen gar nicht mehr hinterherkommen und ihre Wirkung nicht entfalten. Also man braucht wirklich diese langsamen, langen Bässe, um die Schwingung wirklich zu spüren und ausfahren zu können. Foto: Plug Dub / Microlino / Blendemj
Stört euch das manchmal auch? Gibt es Tracks, die ihr gern zwischen den Dub-Sachen spielen würdet, aber der Bass ist völlig unbrauchbar?
Toni: Na, wir sind ja immer präsent, wir geben unser Soundsystem nie aus unseren Händen. Wir stehen immer daneben und wenn dann jemand sowas wie Drum & Bass oder Dubstep spielen möchte, dann ist das herzlich willkommen. Das kann man alles schon machen, aber dann regeln wir nach, so dass es dann passt und den Hörgewohnheiten entspricht. Das ist dann auch so ein Unterschied. Bei einer Club-Anlage hast du meistens einen Ton-Techniker, der alles einstellt, bevor die Party losgeht, und dann wieder nach Hause geht, und morgens wiederkommt zum Ausschalten oder so.
Miles: Das hat ja auch seine Berechtigung und manchmal ist es ja auch nicht notwendig.
Toni: Braucht man ja auch nicht. Aber bei uns ist das schon unsere Herzensangelegenheit und so ist man dann immer mit dabei. Das macht es aber auch so charakteristisch, dass man dann immer nochmal nachfeilen kann. Das wird dann in der ganzen Effekt-Sektion noch weitergeführt, wo wir die Musik nochmal völlig auseinander nehmen, Sachen herausnehmen und neue Elemente wie Sirenen, Instrumente oder Vocals hinzufügen, die so gar nicht auf der Schallplatte drauf sind.
Ihr habt ja ein Mischpult mit Effektgeräten dabei und ein Theremin und alles mögliche …
Toni: Control-Tower nennen wir das. Da haben wir vier einzeln ansteuerbare Effekt-Wege: Ein Hall-Effektgerät, ein Echo-Effektgerät, ein digitales Delay und so ein typisches Space-Echo – ein Sound, der sehr oft vorkommt. Mehrere Arten von Hall und Echo also, die man dazufügen und untereinander kombinieren kann. Foto: Plug Dub
Ihr baut ja die Anlage in Leipzig auf Partys auf. Fahrt ihr auch viel überregional weg?
Miles: Wir sind im Schnitt vielleicht ein- bis zweimal im Jahr außerhalb von Leipzig mit dem Soundsystem.
Toni: Aber viel würde ich jetzt nicht sagen. Es kommt schon vor und das freut uns immer sehr. Wir waren in Koblenz letztes Jahr. In München waren wir auch schon.
Miles: Und zweimal in Berlin 2014 und 2015.
Toni: In Erfurt sind wir als nächstes. Also es kommt schon immer mal vor, aber in Leipzig sind wir regelmäßiger. Wir probieren einmal im Monat die Kisten rauszuholen und hier was zu machen. Auch nicht immer, weil es schwer ist, was zu finden. Für viele Leute ist es zu krass. Viele haben da Angst um ihre Bauten und ihre Clubs. Manchen wird dann erst bewusst, was der Unterschied ist. Dass ihre Anlage, für die sie ganz viel Geld ausgegeben haben, nicht so einen Wirkungsgrad hat wie unsere, die wir aus so ein paar gefundenen Brettern zusammengeschraubt haben. Das ist immer schwierig. Und dann haben wir auch Voraussetzungen: Wir wollen nicht in jeder Sache spielen, das muss schon passen mit den Leuten. Es muss eine gewisse Toleranz da sein, eine gewisse Grundhaltung, auch technische Gegebenheiten. Sowas wie einen Starkstrom-Anschluss findet man leider auch nicht überall.
Wenn es um Leipzig geht: Gibt es noch andere Soundsysteme – abgesehen von eurer neuen „Konkurrenz“ beim Soundsystem Clash?
Miles: Das entwickelt sich langsam. Generell ist Deutschland ja auch mehr von Techno, EDM und Rock geprägt, Reggae ist halt eine Nische, d.h. die Reggae-Soundsystem-Szene ist nicht groß. Was auch irgendwie der Vorteil und zugleich der Nachteil in Deutschland ist: Dadurch gibt es mehr Freiheit als in England und Frankreich, wo dann jedesmal auch 300-500 Leute kommen, wenn nur Reggae läuft und alles sehr professionell ist.
Das ist hier nicht so, hier kommen nur 300-500 Leute, wenn man explizit nicht nur Reggae spielt. Dafür gibt es hier mehr Spielraum zum Ausprobieren. Das ist wiederum auch das Schöne an Leipzig, dass trotz der kleinen Szene die Leute auch genre-übergreifend zusammenarbeiten. Das ist eher selten nach meiner Erfahrung.
Auch sowas wie die Bassmæssage, die uns zweimal eingeladen haben. Das sind z.B. Leute, die nicht nur Reggae feiern, sondern sehr viel unterschiedliche Sachen, und wo es für uns menschlich einfach passt. Ich kenne es von vielen Städten, wo das nicht so ist. Da ist man für die elektronischen Leute irgendwie der gammelige Rasta und die Reggae-Leute sagen ganz klar, „Ja, mit den Elektronik-Leuten haben wir gar nichts zu tun“.
Es ist schön, dass es es für uns hier von Anfang an anders war, weil auch viele von unserer Crew nicht den starren Blick auf bestimmte Genres haben. Es geht mehr um die Vibes. Dass wir viel mit anderen Crews wie Bassmæssage, Ulan Bator, Vibes Ambassadors und Knagge gemacht haben, war schon supercool. Das ist kein Selbstläufer und diese Crews sind für uns auf keinen Fall eine Konkurrenz, denn sie haben uns immer voll unterstützt – auch als sie uns noch nicht gut kannten.
Hätten sie uns nicht vor vier Jahren schon eingeladen, wo das alles echt noch peinlich war und scheiße klang, dann wäre der Push für uns auch anders gewesen. Weil wir auch jahrelang da hingegangen sind und die Leute gar nicht kannten und das abgefeiert haben und es jahrelang die einzigen Partys waren, die uns musikalisch wirklich gefallen haben.
Es gibt in Leipzig halt auch noch eine „alte“ Generation von Leuten, die in den Neunzigern und Nuller Jahren viele Reggae-Partys gemacht haben, zum Beispiel Jahtari, die R.I.Z.L.A.-Crew und Rotzlöffel HiFi. Diese Generation hat aber, glaube ich, mehr Partys veranstaltet und Riddims gemacht und weniger Soundsysteme gebaut.
Früher war die technologische Schwelle dafür auch einfach höher. Nicht zu vergessen auch Pioneer und sein Label Germaica, die Anfang der Nuller Jahre viele A1-Riddims für Seeed und jamaikanische Artists gemacht haben und immer noch am Start sind, auch weltweit.
Und sonst gibt es soundsystemmäßig den Sascha: Bass Culture Audio. Der ist auch immer mit seinem Sound beim 3Takter dabei. Er kommt mehr aus der PA-Vermietungs-Welt und hat sich über die Jahre richtig, richtig hochwertige Technik geholt, spezifisch auf elektronische Bass-Musik ausgerichtet und hat uns auch sehr mit Tipps, Tricks und Technik geholfen. Er hat z.B. bei der GSO-After-Party 2016 im Werk 2 vier Stacks im Kreis aufgebaut.
Er ist auf jeden Fall einer der Soundsystem-Vorreiter in Leipzig und ich erinnere mich, dass Jonah Vibes mit ihm 2010 eine Dub Session gemacht hat. Das war auch schon richtig geiler Scheiß, da sind die Altbaufenster fast rausgefallen. Er stellt für viele Drum & Bass-Partys in Leipzig seine Subwoofer hin. Das ist auch ein richtiger Unterschied zur durchschnittlichen Club-PA: Zwei, drei Subwoofer von ihm und ein paar Höhen sind schon ganz was anderes. Zusammen mit der Kirsch-Anlage mit entsprechender Einstellung im IfZ würde ich Saschas Anlage als die einzige ernstzunehmende technische Konkurrenz in Leipzig bezeichnen.
Toni: Das wissen die Leute schon mittlerweile zu schätzen. Und es gibt Leute, die nennen sich Soundsystem, haben aber gar keine Lautsprecher. Das ist so ein Neunziger-Dancehall-Ding.
Das ist tatsächlich eine Begriffsverwirrung, die ich schon sehr lange kenne.
Toni: Genau. Und das gibt es in Leipzig auch.
Miles: Aber da ist der Grundgedanke, dass es mehr als einen DJ gibt, die dann zusammen auflegen. Ich glaube, das kommt auch aus der ganzen Neunzier HipHop/Dancehall-Sache. Es klingt dann einfach cool, wenn es unter dem Namen der Crew steht.
Wenn wir bei Begriffen sind: Soundclash. Ist das eigentlich 2015 die Premiere gewesen?
Toni: Das war unser erster Soundclash – auf jeden Fall.
Ist das in Deutschland überhaupt gängig?
Toni: Das gibt es schon ab und zu, aber meistens ist das ja auch kein Clash wie in den Sechzigern und Siebzigern auf Jamaika. Da ging es ja wirklich noch darum, sich einen Namen zu machen und wirklich die anderen in die Ecke zu spielen. Heute in Deutschland ist man eher froh, wenn man was zusammen machen kann im Sinne eines Meetings oder einer Conference.
In Münster gibt es beispielsweise eine relativ hohe Dichte an Soundsystemen und die machen mittlerweile eine Veranstalltungsreihe namens „Dub-Stories“. Die spielen dann alle zusammen, jeder hat seine Zeit und da jedes Soundsystem irgendwie anders klingt, wird eher diese Diversität aufgezeigt.
In Jamaika war der Konkurrenzgedanke vermutlich stärker?
Toni: Das war gang und gäbe, genau. Das waren viele Banden-Sachen, mehr etwas, was man heute vielleicht mit Fussball-Fan-Kultur verbinden kann. Wenn man sich da zu einem Soundsystem zugehörig gefühlt hat und Fan davon war, dann hat man dafür auch gekämpft. Da gab es dann auch Schießereien und Situationen, wo der eine dem anderen in die Boxen reinschießt. Also das machen wir nicht, die Zeiten sind definitiv vorbei. Ich glaube aber, der grundsätzliche Gedanke war auch damals schon, dass man zusammen feiert und einen gemeinsamen Vibe hat. Dieses Konkurrenzdenken ist eigentlich nichts anderes, als dass man sich gegenseitig pusht. Dass man merkt, ok, die anderen haben was drauf – können wir das nicht auch? Beim nächsten Mal zieht man wieder ein Stück nach.
Miles: Hier bei unserer Clash-Variante geht es ja auch eher darum, dass unterschiedliche Bass-Typen auf der technischen und musikalischen Seite aufeinandertreffen. Wenn sich Reggae-Soundsysteme treffen, sind die Boxen meist ähnlich designt und klingen trotzdem unterschiedlich, je nachdem was die Leute machen, die sie ansteuern. Beim Soundsystem-Clash sind es unterschiedliche Sub-Bässe, bei denen man auch deutlich einen Unterschied hört, wenn man das gleiche Lied spielen würde. Foto: Gregor Barth
Vor zwei Jahren Jahren hat die Party im Conne Island gut funktioniert, oder?
Miles: Da war auch der ursprüngliche Gedanke, den Leuten zu zeigen, dass es alles der gleiche Ast eines Baumes ist. Die meisten alten Drum & Bass- oder Jungle-Sachen haben einen gesampleten Offbeat-Riddim, ein bisschen verändert, mit mehr Akzenten auf den Sechzehntel und einem Breakbeat – nicht nur die Snare und HiHat wie bei Ska oder Reggae. Das dann wieder zurückzunehmen und zu zeigen, dass das alles schon da war, mit einem anderen Tempo/Takt …
Toni: Eigentlich ging es dabei auch darum, dass die Anlage im Conne Island die berühmt-berüchtigste, fetteste Anlage in Leipzig war und das wollten wir einfach mal auf die Probe stellen. Und da war es eben genau das: Da kam eben der Ton-Techniker, hat da was eingestellt, hat seine Disco-Einstellung auf Bass-Party-Einstellung geändert, aber das war’s.
Das war eigentlich kein ehrwürdiger Gegner. Da freue ich mich schon auf den zweiten Soundsystem-Clash viel mehr. Da sind Leute dahinter, die haben diese Leidenschaft, die haben sich dahinter geklemmt und die werden auch den ganzen Abend da sein und was machen. Und wenn sie nach den ersten Runden merken, dass sie da noch was rausholen können, können sie sich nochmal dahinter klemmen. Was bei der ersten Party eben nicht der Fall war. Da war es eben unser Soundsystem gegen die Anlage vom Conne Island. Es war schön, da mal aufzuzeigen, dass da noch ein bisschen mehr geht, aber so ein richtiger „Gegner“ war das eigentlich nicht.
Quasi ein Heimspiel für euch.
Toni: Naja, ja.
Miles: Es gibt ja auch viele Leute, die in Leipzig echt lange am Start sind und viele Sachen gemacht haben, die mit Herz dabei sind und die Sache auch viel unterstützen. Zum Beispiel LXC, der hat uns viel geholfen. Oder auch Jahtari, die auch ein bisschen das „Reggae in Deutschland“-Dilemma haben. Sie spielen weltweit auf großen Festivals, aber in Leipzig vor vielleicht 100 Leuten. Die haben uns auch immer mit Wissen oder auch Connections supportet. Gerade Dressla, der beim Soundsystem-Clash dabei ist. Er hat viel Networking betrieben und Connections für uns klar gemacht.
Er hat 2011 ein Booking mit OBF angeleiert, ein ziemlich bekanntes französisches Soundsystem, die zum Auflegen in die Distillery kamen und zu denen wir unsere Anlage hingestellt haben. Und da klang die Anlage auch echt rotzig und so, weil sie noch ganz am Anfang war, aber das dann jemand wie Dressla und die Tille da sind, die das dann unterstützten und klar machen, das hat uns dann schon viel weiter gebracht.
Zum Thema Dancehall: Da ist ja z.B. auch Trettmann wieder sehr im Kommen zur Zeit mit seinem KitschKrieg- und 187-Zeug. Sein alter und neuer Sound sind auch nicht 100% unser Sound, aber er ist echt seit langem am Start und macht Werbung für die Stadt und Reggae/Dancehall auf hohem Niveau.
Sein alter Kumpel Kid Gringo, der auch aus der Dancehall-Ära kommt, macht auch seit 20 Jahren Sound und das ist umso wichtiger für die Culture, weil die Szene nicht sehr groß ist. Er hat zum Beispiel letztes Jahr so einen richtig klassischen Soundclash in Berlin gegen einen Anderen gemacht. Das ist der Soundclash, wie wir ihn nicht machen, aber es ist trotzdem geil. Gerade dieser Clash, Kid Gringo im Yaam 2016 in Berlin. Das ist einfach pure Unterhaltung. Das steht auch in der Tradition des Original-Soundclash aus Jamaika. Schön, dass es passiert. Gringo versuchen wir auch schon lange dazu zu überreden, mal ein Set mit seinen Dubplates aus den Neunzigern zu spielen. Foto: Plug Dub / Microlino / Blendemj
Wieviel Leute seid ihr eigentlich insgesamt ungefähr?
Miles: Das wechselt auch immer so ein bisschen, wer gerade Zeit und Bock hat. Am Ende sind es eigentlich sechs Leute, die immer dabei sind. Die Leute, die für das Conne Island auf dem System-Line-Up stehen, sind die Leute, die seit fünf Jahren dauerhaft am Start sind und Bock auf die Sache haben, nicht nur auf Party: Jonah Vibes, Jah Listener, Käptn Esteban, Senor C. Das sortiert sich mit der Zeit auch immer aus, dann kommen auch immer neue Leute, die Bock haben und dann merken, dass es Arbeit ist. Wenn sie nicht direkt nach einmal Helfen Prime-Time auflegen oder singen können, gehen sie wieder.
Toni: Das ist ein bisschen schade.
Miles: Das ist aber auch überall so, das ist ganz normal. Manche haben Familie und so weiter. Ich finde es aber auch eigentlich schön, dass wir eine so diverse Gruppe sind. Drei Leute sind auch ca. zehn Jahre älter als wir beide. Jonah Vibes ist in den Neunzigern, als es noch kein DSL-Internet gab und wir noch Bravo Hits gehört haben, immer nach London gefahren und hat sich dort die neuen Reggae Platten geholt.
Das ist schon krass und ein harter Support für uns, dass solche Leute dabei sind. Denn dadurch ging auch einfach alles schneller. Von Wissen über Platten oder Produktionstechniken, was haben die Leute vor zwanzig Jahren gemacht usw. Die älteren Crew-Mitglieder sind ja nicht immer unbedingt zwölf Stunden dabei und schleppen die Boxen, aber sie geben sehr viel andere Sachen mit rein, die wichtig sind. Platten, Wissen, Logistik, Werkzeug, diverse Sachen.
So ist es auch mit der Musik. Jeder hat so seine spezifischen Vorlieben. Einer mag Hardcore-Dub-Sachen, englische Produktionen aus den Achtzigern und Neunzigern. Ich bin schon eher auf dem Oldschool-Siebziger-Film. Toni ist mehr auf der modernen elektronischen Variante unterwegs. Der nächste hat unglaublich viele rare Klassiker als Singles usw. Senor C. ist ausgebildeter Jazz-Musiker und gibt dadurch sehr viele Impulse. Er kommt auch nicht aus dem 100%-Soundsystem-Reggae-Ding, aber er war wiederum der, der sagte, „Hier steht das Holz – lass die Box bauen“.
Auch wenn man z.B. vom Jazz oder vom HipHop kommt: Es ist irgendwie die gleiche Bewegung. Das ist immer schwierig, den Leuten zu vermitteln, aber es hat alles den gleichen Hintergrund. Die Leute, die in New York in den Siebzigern angefangen haben, Funk und Soul zu mixen, waren z.B. jamaikanische Einwanderer. Mit Jazz hat sich auch vieles gegenseitig beeinflusst, 50 Jahre davor.
Uns ist Allgemein der Hintergrund bzw. der Inhalt der Musik sehr wichtig. Zu viele Leute vergessen die Roots der Musik und verlieren sich in einem egozentrischen und inhaltslosen 24/7-„Gute Zeit“- oder „Wegballern“-Party-Ding. Ohne Jazz, Soul und Reggae gäbe es keine Club-Kultur und Tanz-Musik, wie wir sie heute kennen. Zu viele Leute in Europa bedienen sich der Musik der afrikanischen Diaspora, aber unterschlagen den damit verknüpften inhaltlichen und historischen Kontext.
Wir wollen jetzt auch niemand bekehren, die Leute müssen sich ja nicht mit Rastafari und Selassie-I 100% identifizieren, doch Rastafari ist ein substanzieller Bestandteil von Soundsystem-Kultur und Reggae-Musik. Das sollten die Leute wenigstens anerkennen und respektieren wenn sie Reggae- oder Bass-Musik abfeiern.
Zu dieser Soundsystem-Kultur gehört auch, dass die Leute ihre eigenen Sachen produzieren. Macht ihr das auch und testet ihr das auf der Anlage?
Toni: Wir sind alle Musiker und probieren uns da gerne aus. Ich kann da nur für mich sprechen: Meine Musik würde sonst vielleicht nirgendwo gespielt werden, aber da ist das Soundsystem mein persönlicher Kanal, bei dem ich sie spielen kann und weiß, wie ich sie zu produzieren habe, dass sie darauf auch funktioniert. Man kennt ja die einzelnen Frequenzen von den einzelnen Boxen und gestaltet die Musik dann auch so, dass sie alles entsprechend bedient. Und das ist schon eine absolute Erfüllung, definitiv – dieses Im-Studio-rumprobieren, Sachen machen, sich da reinhängen, gegenhören.
Und dann hört man es wieder auf einer Club-Anlage und weiß, was der Unterschied ist. Das ist so ein Trial & Error-Ding. Man hat was produziert, probiert es aus, meistens – wenn man sich noch nicht so sicher ist – bevor die Party losgeht. Da kann man mal gucken, wie es wirkt. Man hat ein Bild davon und geht dann wieder ins Studio und hat seine Vorstellung. Das ist schon so ein ständiges Ausprobieren.
Da ihr an eigenen Produktionen und so feilt: Habt ihr auch Label-Pläne?
Toni: Ein eigenes Label zu machen? Die gab es bisher noch nicht. Es gab auf dem 45Seven-Label ein Release, auf dem ich den Dub gemacht habe.
Dann hatten wir was mit ein paar Leuten aus Erfurt gemacht. Die haben schon letztes Jahr angefangen, Spendengelder für Kinder aus verschiedensten Ländern zu sammeln, die hier Sprachunterricht bekommen. Das Projekt ist ehrenamtlich und heisst „Sprachbrücken“. Die haben erstmal eine CD gemacht und die lief so gut, dass sie jetzt eine Schallplatte herausgebracht haben. Aber das ist bis jetzt auch nicht als Label angelegt.
Miles: Wir machen alle ein bis zwei Jahre einen Sampler mit Tunes und Dubs von uns selbst und Gästen und Freunden. Demnächst drucken wir auch T-Shirts, die wird es aber nur für Bekannte und auf Session geben.
Toni: Aber weitere Pläne gibt es bei uns nicht. Wir sind froh, dass wir eine Connection zum Dubplates-Kratzen haben und es reicht uns, wenn wir die Platten einmal bei uns in der Kiste haben. Dann können wir das auf unserem Soundsystem spielen.
Dubplates schneiden ist also ein Thema für euch?
Toni: Definitiv, ja. Das ging eigentlich los nach dem ersten Soundsystem Clash, bei dem auch LXC bei uns gespielt hat. Da wurde ein Samen in unseren Garten gepflanzt, der Dubplates hat wachsen lassen.
Miles: Überhaupt: Dass es die Möglichkeit gibt, dass man bei R.A.N.D. Muzik vorbeifahren kann und innerhalb von ein paar Tagen eine Dubplate geschnitten bekommt. Das ist auch nicht selbstverständlich und gibt es auch nicht in jeder Stadt. Es ist auch oft so, dass wir von Bekannten Platten bekommen, die sie auf ihren Labels herausbringen. Dann stellt sich heraus, dass die ihre Platten in Leipzig pressen. Das wird zu denen z.B. nach Frankreich geschickt und dann schicken sie die Platten wieder an uns.
Toni: Gerade Reggae und Dub wird entweder in Leipzig oder in Hamburg bei Ameise gepresst. Viel mehr Auswahl hat man gar nicht.
Würdet ihr auch digital spielen oder macht das schon einen Unterschied aus?
Miles: Digital ist sauberer und hat mehr hohe Frequenzen, Vinyl ist limitiert auf bestimmte Frequenzen und nicht so sauber, hat dafür z.B. lautere Mitten bzw. einfach einen anderen Sound. Das hat beides Vor-und Nachteile.
Toni: Schon, ja. So eine Platte klingt schon auch organischer und authentischer, gerade bei diesem Sound. Klar haben wir das schon ausprobiert. Ich habe auch ein Live-Set, bei dem ich alles digital spiele. Das ist schon ok und klingt schon auch gut, sonst würde ich es nicht machen. Aber wenn man mal eine Bandmaschine in der Hand hatte … das verfälscht den Klang auf eine ganz schöne Art und Weise. Eigentlich möchte man das dann nicht mehr missen.
Wahrscheinlich auch die Exklusivität.
Toni: Genau. Das ist ja auch etwas, das die Dubplates ausmacht. Das hat kein anderer. Wir sind auch nochmal dran, einen Tune für den Soundsystem Clash zu machen, der auch relativ bekannt ist, für den wir nochmal eine spezielle Version machen, den kein anderer haben wird. Ich denke, der wird ganz gut einschlagen. Zuviel will ich da eigentlich gar nicht verraten. Da muss man auf der Party da sein und wird das schon merken.
Miles: Exklusivität: Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite auch total lächerlich. Es ist schon cool, Dubs zu haben, die nur auf dem System zu hören sind, aber es geht uns nicht darum, vom JA-Nummer-1-Hit noch eine Special-Dubplate-Version zu haben.
Toni: Das ist nur eine Geldfrage und nicht unser Style.
Miles: Das verstehen die meisten Leute unter Exklusivität. Gerade bei Dancehall-Soundclashes: Da kannst du dir teilweise einen Kleinwagen von dem Geld kaufen, dass die für Dubplates ausgeben.
Toni: Damit sie am Anfang des Tracks mal den Namen des Soundsystems nennen, welches sie nicht mal persönlich kennen. Ich finde das unauthentisch.
Miles: Das hat alles seine Berechtigung, weil das Geld meistens immerhin direkt an die Künstler geht.
Toni: Wir machen das nur mit Leuten, die wir wirklich kennen, mit denen wir besondere musikalische Momente hatten. Und dann ist das auch nicht mehr so eine Geldfrage. Natürlich gibt man den Leuten gern was, wenn man was geben kann. Aber es sollte nicht im Vordergrund stehen.
Miles: Dadurch, dass das System schon da ist und wir unabhängig sind, können wir machen, was wir wollen. Wir brauchen nur eine Location und sonst gar nichts, das ist uns sehr wichtig. Und die Exklusivität entsteht schon allein dadurch, dass wir das System haben. Da klingt der normale Tune schon anders als auf einem anderen System. Man sollte nie vergessen, dass es am Ende darum geht, den Leuten was mitzugeben und eine gute Session zu haben – inhaltlich und körperlich. Nicht nur den typischen Party-Ablauf, was auch durch das System transportiert wird.
Toni: In den Jahren vor dem ersten Clash war das ein harter Weg, den Leuten das erstmal nahe zu bringen. Eben weil es nicht so typisch war. Dass wir oft nur einen Schallplattenspieler nehmen bis hin zu Phasen, in denen erstmal relativ wenig passiert. Es ist so ein Auf und Ab. Wir wollen nicht die ganze Zeit Vollgas fahren. Wir könnten es, aber es ist auch schön, die Sachen erstmal rauszunehmen, zuzuhören und gern die Nadel zurückzunehmen und das Lied nochmal von vorne zu spielen. In den ersten Jahren sind da Leute nicht so drauf klargekommen und haben sich gefragt: Was ist los bei euch, habt ihr da technische Probleme? Was macht ihr denn hier? Warum die Pause zwischen den Liedern?
Jonah Vibes: „Der DJ ist ein ganz schöner Arsch.“
Toni: Ja, eher sowas. Beim Clash war es dann eher so, dass wir eine Masse von Leuten hatten, die es verstanden hat, damit umzugehen. Die die Geduld hatten, zu warten, bis der Bass einsetzt und wahrscheinlich zufrieden sind, wenn er richtig laut läuft. Es ist schon eine Steigerung. Die letzten Tunes, die gespielt werden, sind die heftigsten. Der letzte Tune ist immer die größte Perle aus der Kiste.Foto: Gregor Barth
Gibt es auch generell Reaktionen des Publikums auf die Anlage?
Toni: Ja. Leute, die das einmal gespürt haben, die suchen dann nach sowas. Wenn man einmal Blut geleckt hat, will man das nochmal. Das ist etwas, das man nicht überall bekommt.
Miles: Manchen Leuten ist aber auch gerade die körperliche Dimension zu viel. Es kommen immer zwei bis vier Leute pro Session, die uns auffordern, den Sub leiser zu machen. Dann gibt es immer die Rack-Checker, die sich die Boxen und Technik ganz genau anschauen und uns dann fragen, was wir selbst gebaut haben und was wir für Membrane benutzten. Was wir auch oft haben: „Dieses Lied kenne ich doch. Was ist das für ein Remix?“ Dann zeigt man den Leuten die Platte und es ist ein normaler Release, exakt das gleiche Lied, das sie von Zuhause kennen. Sie hören es auf dem Soundsystem und denken, das ist der krasse neue Bass-Remix. Das ist halt der Unterschied, ob du dir es zuhause auf YouTube anhörst, gerade bei den ganzen Siebziger-Klassikern wie z.B. Lee Perry Tunes, oder ob du es auf einem System hörst, dass für diese Musik gebaut wurde. Natürlich klingen die auf dem Soundsystem anders. Das fasziniert die Leute immer wieder. Manche glauben es dann auch nicht.
Toni: Man verfälscht den Klang auch teilweise, indem man Frequenzen komplett rausnehmen kann. Oftmal machen wir das Spiel, die Höhen und Mitten komplett rauszunehmen, so dass nur noch die Bassline läuft, und lassen z.B. Senor C. am Saxophon komplett was neues drüberspielen. Natürlich ist das etwas, was es so vorher noch nicht gab. Aber das ist eben Dub. Dub ist immer anders und einmalig. In dem Moment ist es ein völlig authentisches Ding, das entsteht.