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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Ronny Ronny

15. November 2010 / Kommentare (0)

Jaja, man lernt nie aus. Ronny Trettmann kannte ich bis vor einem Monat nicht. Dann eine Mail vom Label. Darin stand: „Ronny Trettmann und Ranking Smo sind mit die beliebtesten Dancehall-Musiker Deutschlands.“ Okay okay. Hier gibt es den Artikel aus dem November-kreuzer noch einmal online zum Lesen.

Vom sächsischen Reggae-Comedy-Gott zum ernst zunehmenden Dancehall-Pop-Helden. Ronny Trettmann hat es geschafft, sichinnerhalb von vier Jahren einmal um seine eigene Achse zu drehen – und dass alles von Leipzig aus. Belustigte er 2006 in überzogenem Sächsisch mit seinem Chart-Hit „Der Sommer ist für alle da“ die Republik, ist heute ein weitaus authentischerer Ronny Trettmann zu erleben – in diesem November erstmals auch auf Album-Länge.

Es begann als klassischer MySpace-Hype mit kleinen Mythen und ohne Promotion-Budgets eines großen Labels – ein Typ aus dem Erzgebirge mit Jeans, Sneaker und Jamaika-Trikot in Übergröße sächselte vom Sommer und vom Kaffeesachsen. Nicht nur MDR Jump war begeistert und ließ Ronny Trettmann von früh bis spät rotieren.

Doch hier persiflierte kein Möchtegern-Comedian die verrauschten Reggae-Klischees, hier rappte und sang jemand mit langjähriger Soundsystem-Erfahrung. Seit Anfang der Neunziger zog Trettmann mit verschiedenen Crews wie Rotzlöffels Hifi oder UpliftmentInternational von Party zu Party. Um den Sets eine ironische Note zu verleihen, nahmen sie in einem Radio-Studio ein paar Gesangsspuren auf. Daraus wurde schließlich ein Selbstläufer und Ronny Trettmann zur skurrilen Prominenz des deutschsprachigen Dancehalls neben Größen wie Peter Fox, Nosliw oder Gentleman.

Er polarisierte damals wie kaum ein anderer: Im 2006er Leserpoll des Reggae-Magazins Riddim belegte er sowohl beim besten als auch schlechtesten Stück des Jahres einen der vorderen Plätze. Dabei geht es Ronny Trettmann weniger ums Polarisieren – es fehlte ihm damals wie heute die Lockerheit in der hiesigen Szene. Und die sächsische Mundart hat nach wie vor ihre Berechtigung – immerhin „toasten“ die Jamaikaner auch in ihren Umgangssprachen über die Offbeats.

Der gebürtige Chemnitzer will sich nichts vormachen. Statt jamaikanischer soll die sächsische – oder weiter gefasst: die mitteleuropäische – Lebenswirklichkeit der Impulsgeber sein. „Reggae und Dancehall ist Volksmusik. Nur leben wir nicht auf Jamaika, sondern in Leipzig. Wir sind Atheisten und haben hier ganz andere Einflüsse – warum sollten wir da andauernd Jah preisen“, kommentiert Trettmann die teils konservative Haltung vieler Reggae- und Dancehall-Aktivisten hierzulande. Da gehe es oft nur ums Kopieren eines originalen Vibes – allerdings in einem anderen Kulturkreis.

Seit über zehn Jahren lebt Ronny Trettmann in Leipzig. Mit Messer Banzani-Mitbegründer Pionear gab es hier einen der wichtigsten Reggae-Protagonisten Deutschlands – er produzierte auch die ersten Trettmann-Höhenflüge und vermarktete sie über sein Label Germaica.

Noch bevor er sich vom Ballermann vereinnahmen lassen konnte, zog Trettmann 2008 die Notbremse: Er trennte sich von Germaica und ließ sich nicht dazu ermuntern, mit dem lustigen Sachsen-Reggae weiterzumachen. Im selben Jahr gründete er sein eigenes Label Heckert Empire und wandelte sich nach und nach zu einem Dancehall-Künstler, bei dem es nicht nur um die fettesten Partys geht, sondern bei dem auch nachdenkliche Worte fallen – etwa zum Leipziger Hanf-Blei-Skandal. In Mundart rappt er weiterhin, wenn auch wesentlich subtiler und mit weniger Klamauk. „Für den Flow ist Sächsisch einfach besser“, ist Trettmann überzeugt.

Mit der Zäsur vor zwei Jahren entwickelte sich mit Rüdiger Schramm alias Ranking Smo ein freundschaftlicher und künstlerischer Gegenpart für Ronny Trettmann. Der Berliner Rapper und Sänger gehörte lange zur Kaffee Burger-Klezmer-Haus-Big Band Rotfront. Als Solo-Künstler steht Schramm auf einer Stufe wie Ronny Trettmann – beide gehören zweifellos zu den erfolgreichsten deutschen Dancehall-Musikern. Nachdem es den Berliner Jungspund nach Leipzig zum Studium zog, wurde aus beiden ein Team. Mittlerweile hat sich Schramm hier ein kleines Heimstudio eingerichtet, in dem er mit Trettmann einen Teil des ersten gemeinsamen Albums aufnahm.

Entstanden viele der früheren Stücke in kurzer Zeit, nahmen sich die beiden für „Zwei chlorbleiche Halunken“ etwa anderthalb Jahre. Und sie schießen mit den Album-Stücken weit über die Dancehall-Grenzen hinaus. Es ist ein amtliches Pop-Album herausgekommen, das eindeutig nach 2010 klingt – da wird der Autotune-Effekt ebenso über die Stimme gelegt wie überall im Pop gerade. Da sind die Beats und Sounds elektronischer, die Genre-Grenzen und der Grat zwischen subkulturell geprägter Selbstironie und Mainstream-Posen fließender geworden.

„Es sollte ein Album für zu Hause werden. Aber eines, dem man die Club-Exzesse immer noch anhört“, meint Trettmann. Der Pop-Einschlag kommt übrigens nicht von ungefähr: Ranking Smo ist der Sohn des Silly-Mitbegründers Matthias Schramm, aufgewachsen mit einem großen musikalischen Input und einem großen Hang zum Pop-Appeal. Wenn Pop und Dancehall also aufeinandertreffen, können die Gesten gewiss großspuriger ausfallen – und mit dem gemeinsamen Debüt-Album dürfte es für Ronny Trettmann und Ranking Smo einen weiteren Schub geben.

Heckert Empire Website

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