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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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„Ich werde es schaffen, fertig“ – Sven Tasnadi im Interview

10. Juli 2012 / Kommentare (0)

Kaum einer hat in den vergangenen Monaten so viele neue EPs veröffentlicht, wie Sven Tasnadi. Nur ein Grund für frohfroh, ihn zu einem großen Interview einzuladen.

Genau genommen lud Sven Tasnadi selbst ein. In sein Studio, tief versteckt in einem verschlungenen Bürohaus am Dittrichring. Früher sei hier das Stasi-Rechenzentrum drin gewesen, weiß er. Der Fahrstuhl, die Gänge und Zimmerschilder machen auch keinen Hehl daraus. Tasnadis Studio ist überschaubar, ein DDR-Arbeitstisch für das Equipment, ein Sofa, ein Plattenspieler-Sideboard. Viel mehr steht nicht drin.

Sven Tasnadi zu interviewen stand schon länger auf dem frohfroh-Zettel. Mehr als ein Dutzend EPs hat er seit 2005 veröffentlicht – rechts in der Tagcloud ist sein Name mit am größten verzeichnet. Entdeckt hat ihn quasi Steffen Bennemann mit seinem damaligen Netlabel 1Bit Wonder. Aber davon wird er selbst erzählen.

Du bist Ur-Leipziger, wo kommst du her, wo bist du aufgewachsen?

„Aufgewachsen bin ich in Gohlis, in der Nähe vom Coppiplatz. Da bin ich zur Schule gegangen, habe meine erste Ausbildung gemacht. Später habe ich auch in Möckern gelebt.“

Da gab es bestimmt keine Clubs um die Ecke.

„Die Clubs, in die ich früher gegangen bin, waren die Opera und die Basis. Die waren tatsächlich in ganz anderen Stadtteilen. Da musste man immer eine Weile Straßenbahn fahren – mit Umsteigen.“

War elektronische Musik deine erste Entdeckung oder bist du ein Quereinsteiger?

„Nein, ich habe nicht vorher erst HipHop gehört und dann Techno. Zu DDR-Zeiten war es eh etwas schwierig. Da war man nicht so uptodate. Angefangen bewusst Musik zu hören, habe ich mit meinem ersten Walkman. Von meinem Vater hatte ich einige Kassetten. Aber der hatte nicht so den speziellen Musikgeschmack. Da war von allem etwas dabei. Erst nach der Wende bin ich durch Freunde an der Schule auf die kommerzielleren Sachen aufmerksam geworden. „Das Boot“ von U69. Darüber bin ich dann nach und nach zu den Underground-Sachen gekommen.“

Du hast die Clubkultur in Leipzig ja dann von früh an miterlebt. Wie würdest du die letzten 15 Jahre bewerten?

„Es hat sich sehr zum Positiven verändert. Es richtet sich jetzt mehr Aufmerksamkeit auf uns. Ich hatte Ende der Neunziger immer das Gefühl, dass hier mehr passieren könnte. Da gab es auch schon gute Ansätze. Gerade mit City Trax von Phil – später wurde daraus das Philter Music. Die hatten ihren eigenen Plattenladen, eigene Veranstaltungen und irgendwann auch ein Label. Aber irgendwie ist das nie durchgestartet.

Einige unserer DJs hatten bestimmt das Potential für mehr gehabt. Aber es war eben auch sehr westdominiert. Wir Ossis haben die Wessis gebucht, es wurde aber niemand rüber gebucht. Die hatten auch den Vorteil, dass sie die Strukturen schon durch HipHop und andere Subkulturen kannten – es musste nur auf Techno umgemünzt werden. Wir hatten von so etwas aber keine Ahnung. Es hat sich damit vorher niemand richtig beschäftigt – höchstens aus dem Hobby heraus. Deswegen hat es vielleicht bei uns etwas gedauert, bis die Leute das verstanden haben. Ab 2000 ging das hier erst richtig los als Moon Harbour das erste Aushängeschild war. Und auch da war noch viel Luft bis heute.

Selbst um 2005 war hier noch nicht so viel mehr als Moon Harbour. Da ging das zwar mit den Kann-Jungs langsam los – auch wenn es das Label da noch gar nicht gab. Mit den Midi-Veranstaltungen hat sich das so entwickelt. Heute sehe ich auf frohfroh 30 Labels – die zwar nicht alle mit House oder Techno zu tun haben – von denen ich die Hälfte gar nicht richtig kenne.

Auch bei den Veranstaltungen gab es einen enormen Schub. Das ist zum einen positiv, zum anderen kann sich das aber auch ganz schnell zum Negativen entwickeln. Gerade in so einer kleinen Stadt. Da gibt es einen Overload. Und wenn jeder etwas machen möchte, funktioniert das im Gesamten nicht mehr. Es muss schon ein gesundes Verhältnis da sein.“

Du hast schon Bedenken vor einer Blase, die irgendwann platzen könnte?

„Da sind wir schon drin. Was wir die letzten zwei bis drei Jahre hier hatten – mit den Sommer-Open Airs – das ist alles sehr schön. Muss es aber jedes Wochenende stattfinden? Wir sind nicht in Berlin, wo das leichter verkraftet werden kann. Wir sind im Vergleich dazu eine relativ kleine Stadt. Deswegen sollte man es vielleicht einmal bündeln. Ist zwar auch schwierig alle an einen Tisch zu bekommen. Aber vielleicht könnte man z.B. vereinbaren, dass es nur vier, statt zehn Veranstaltungen an einem Wochenende gibt.“

Was war für dich ein wichtiger Punkt nach Moon Harbour?

„Eindeutig Kann Records. Da lief aber auch viel parallel. Das Nachtdigital ist zwar in einer anderen Region, aber durch Steffen Bennemann auch sehr tief hier verwurzelt. Der hat damals das 1Bit Wonder-Label gegründet. Das war für mich der Startpunkt, an dem es wirklich losging.

Dadurch habe ich Stefan (Juno6) kennen gelernt – Treplec und Daniel Stefanik haben dort was veröffentlicht, selbst Mathias Kaden. Daraus sind dann auch Freundschaften entstanden und so meine erste Veröffentlichung auf Cargo Edition. Und um einen herum sind die anderen auch los gelaufen.„“

Stichwort 1Bit Wonder: du produzierst seit 2000, fünf Jahre später kam dort deine erste EP heraus. War das ein Zufall oder hast du bewusst nach Labels gesucht?

„Zufall kann man es nicht nennen. Für vieles in meinem Leben, von dem ich dachte es sei Zufall gewesen, habe ich im Nachhinein doch irgendwie die Weichen gestellt. In dem Fall war es so, dass wir uns noch nicht kannten. Wir hatten aber irgendwann unabhängig voneinander in Zeitz in einer kleinen Location gespielt.

Dem Betreiber – ich wusste, dass er Tontechnik studiert hatte – gab ich ein paar Stücke von mir, um zu fragen, was man klanglich noch machen könnte. Steffen spielte dann ein paar Wochen später dort und war auf der Suche nach Leuten für sein Label. Und da gab der Betreiber meine Stücke weiter und Steffen rief mich an.“

Stilistisch waren die ersten EPs sehr offen, wenn ich mich recht erinnere. Arbeitest du jetzt auch noch an Sachen abseits von House und Techno?

„Ja, auf jeden Fall. Es ist natürlich kein komplett anderes Genre – es bleibt elektronische Musik. Aber ich arbeite auch an Electronica – auf Oh! Yeah! soll bald ein ruhiges, experimentelles Album von mir herauskommen. Da hört man auch HipHop-Einflüsse. Das ist auch ein starker Einfluss von Stefan, der in Electronica absolut drin ist.“

Du hast überhaupt einen riesigen Output. Von den Leipziger Producern wächst deine Diskografie derzeit scheinbar am schnellsten. Bist du sehr schnell?

„Nein, überhaupt nicht. Vielleicht wirkt das manchmal so, weil die Stücke nie rauskommen, wenn sie fertig gestellt wurden. Manche bleiben länger liegen, es sammelt sich etwas an und dann kommt plötzlich viel hintereinander raus, obwohl es ganz anders geplant war. Aber sonst kann ich mir das auch nicht erklären.“

Ist es dir aber zuviel?

„Prinzipiell nicht. Die jetzige Frequenz sollte sich aber nicht erhöhen. Es kommen ja auch noch Remixe dazu. Wenn es aber passt, dann passt es. Im Vergleich zu den anderen ist es natürlich mehr, aber gewisse Anfragen kann man auch nicht ablehnen. Es hat sich bei mir nach und nach ergeben – erst hatte ich was auf Cargo Edition, dann kamen Liebe*Detail und Smallville. Dann Poker Flat und Cocoon.

Das sind Labels, von denen ich selbst viele Platten gekauft habe und Sven Väth hing als Poster an meiner Wand. Das waren große Vorbilder. Anfangs habe unter anderem Steve Bug-Tracks nachgebaut, um zu verstehen wie sie funktionieren.Und irgendwann fragte Steve an für einen Remix.“

Innerhalb des Techno-/House-Rahmens bist du stilistisch enorm breit aufgestellt. Man kann dich nicht mit einem uniquen Sound verbinden. Ist das gewollt oder liegt es am Equipment, das sich verändert und erweitert?

„Das ergibt so. Hätte ich weiter nur mit Sampler und Drum Machine gearbeitet, hätte sich aus dieser Limitierung sicher ein gewisser Sound ergeben. Aber irgendwann habe ich auch mit dem Rechner angefangen und da gibt es so viele Möglichkeiten. Ich mag einfach zu viele verschiedene Arten von Musik zu sehr.“

Wie würdest du deinen Produktionsstil beschreiben? Arbeitest du an mehreren Stücken gleichzeitig oder bringst du lieber Sachen schnell zu Ende?

„Ja, ich muss gleich dran bleiben. Von den DJ-Auftritten kommen aber so viele Einflüsse, dass es schwierig ist, die immer auszuschalten. Und dann fange ich eben oft auch gern mit Dingen an, die in die Richtung gehen, die ich gerade gern auflege. Deshalb kamen dieses Jahr viele Funk-Stücke heraus, weil es mir bei den Sets viel Spaß macht. Bei Stefan ist es vielleicht etwas anders. Er ist nicht DJ, er hat nicht diese direkten Einflüsse von außen. Und bei ihm ist möglicherweise eher so ein Faden zu erkennen.“

Welche Rolle spielt Humor in deinen Stücken?

„Musst du oft lachen beim Hören?“

Schon, aber noch mehr kann ich mir dein Lachen im Studio vorstellen.

„Das Humording sagt mir Daniel oft nach, wenn ich irgendwelche Sounds einbaue, die ich selber vielleicht gar nicht so lustig finde. Für mich sind die dann eher funky und schräg und ein wenig anders. Da sagt er dann: ‘Das ist wieder typisch.’ Aber bewusst baue ich nichts Lustiges mit ein. Es geht mir eher um Elemente, die sich noch etwas hervorheben. Beats lassen sich schnell bauen. Nicht nur für einen erfahrenen Producer – für alle.“

Mit Stefan spielst du ab und zu live. Wäre das solo auch denkbar oder bist du zu gern DJ?

„Ja, das ist es wahrscheinlich – ich bin zu gern DJ. Man kann die Stücke live gar nicht so umsetzen, wie man es möchte. Es ist live alles relativ einfach gestaltet – muss es auch sein, weil man allein nun mal nicht wirklich live spielen kann. Dieses Jammen wie bei einer Band, funktioniert allein gar nicht. Deswegen muss man sich auf vorgefertigte Teile seiner Stücke verlassen. Die sind dann unterteilt in verschiedene Spuren und spielt die dann eigentlich nur noch ab.

Man darf auch die Tanzfläche nicht aus dem Blick verlieren – sonst macht man so nerdigen Kram. Als DJ kann ich dagegen immer auf die aktuelle Stimmung reagieren. Ich kenne die Stücke und mit der Zeit gewinnt man die Erfahrung mit ihnen umzugehen. Als Live-Act hast du nur deine vorbereiteten Stücke und du kannst nur die spielen. Wenn aber das Energielevel wo ganz anders ist, dann geht es in den Keller. Eine Stunde ist mir auch zu kurz. Mit den ruhigen Stücken vom Album könnte ich es mir gut vorstellen. In einem Café, mit weniger Druck.“

Als DJ kommst du ja seit drei Jahren viel rum. Ist das derzeit schon ein gutes Level für dich oder ist da noch mehr drin?

„Es sollte schon nach vorn gehen. Momentan kann ich davon leben, was ein großes Privileg ist. Aber es ist manchmal auch recht knapp. Das erste Halbjahr war bisher zwar das beste. Aber es verläuft in Schüben – manchmal spiele ich achtmal im Monat und dann ist es wieder ruhiger. Januar ist mau, Februar geht es wieder los, im Sommer ist es ohne richtig großen Namen auf den Festivals schwer und zum Ende des Jahres erholt es sich meist wieder.

Aus diesen Phasen würde ich gern noch rauskommen, damit es etwas ausgeglichener ist. Deshalb bin ich für das Booking auch wieder zu Moon Harbour gewechselt – sie haben einfach einen sehr großen Pool an Kontakten. Und ich möchte es nach den zwei Jahren bei meinen Freunden von Buki Good gern noch einmal woanders probieren.“

Es war auch für dich von Anfang wichtig davon leben zu können?

„Ja. Das ist ein sehr langer Traum gewesen. Es war auch nie richtig klar, das wirklich erreichen zu können. Das hat sich so ergeben,Daniel war da so mein Leitbild. Er hat mir auch immer Mut zugesprochen. Man muss auch erstmal verstehen, wie es funktioniert vom Auflegen leben zu können.

Es hat lange gedauert, da eine gewisse Konstanz aufzubauen. Bis 2009 habe ich nebenbei noch bei einem Verlag gearbeitet. Und irgendwann habe ich beschlossen, das aufzugeben und mich komplett auf die Musik zu konzentrieren. Es ist ja auch nicht nur das Musikmachen an sich. Die Netzwerkarbeit nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch.“

Ergibt sich daraus nicht auch ab und zu ein unguter Druck – gerade wenn du sagst, dass es ruhige Phasen gibt, dann wirkt das sicher auch schnell „existenzbedrohend“. Wie kann man künstlerisch arbeiten, wenn damit die Miete gezahlt werden muss?

„Das ist schon schwierig. Es gibt Momente in denen es darauf ankommt, wie man sie nutzt. Auf Poker Flat hatte ich Ende letzten Jahres den dunklen Acid-Track „Follow The Roots“ veröffentlicht. Der entstand mitten im Herbst in einer Phase, in der ich mich im Studio eingeigelt habe und in der viel nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Steve Bug war dann aber gleich begeistert und meinte, dass sie gerade eine Acid-Compilation vorbereiten. Das Ende vom Lied war, dass sich Laurent Garnier genau mein Track für seine Radio-Show ausgesucht hatte. Aus so negativen Momenten entstehen dann eben auch Dinge, die irgendwie förderlich sind.“

Beeinflusst dich der Druck aber beim Produzieren oder Auflegen?

„Beim Produzieren kann es schon passieren, dass man versucht in eine Richtung zu gehen, weil man meint, es könnte erfolgreich sein. Da muss man dann auf die Bremse treten. Am Ende werden die Stücke dann aber auch gar nicht so toll, dass ich sie zeigen möchte. Man muss lernen mit Phasen umzugehen, in denen es nicht so gut läuft.“

Was wäre dein Plan B gewesen, wenn es mit dem Auflegen nicht geklappt hätte?

„Ich habe keinen Plan B. Mit einem Plan B würde ich mir ja von herein eingestehen, dass ich scheitern könnte, aber ich bin davon überzeugt, dass es klappt. Ich werde es schaffen, fertig. Selbst wenn nicht: was soll schon passieren. Man überlebt immer irgendwie. Ich habe nicht so die Existenzängste.

In meinem normalen Beruf als Tischler hätte ich momentan weniger Geld, würde mehr arbeiten – noch dazu für jemanden anderen – wäre unglücklich und hätte auch kein dickeres Rentenkonto. Ich könnte auch in meinem regulären Job jahrelang arbeitslos sein. Da fragt ja auch keiner nach einem Plan B.“

Noch kurz zu eurem Label Oh! Yeah! – ihr hattet einen recht straffen Start und dann eine abrupte Pause. Wie kam das?

„Die Pause kam, weil das Ganze nicht so geklappt hat, wie wir uns das gewünscht hatten. Wir sind in einer Phase gestartet, in der die Vinyl-Verkäufe immer weniger wurden – am Ende hat sich das mit unseren Farbcovern kaum gerechnet und es blieben ein Haufen Schulden übrig, die erstmal abbezahlt werden mussten.

Das hat dann an unserem Enthusiasmus gezehrt. Wir waren von den Stücken und dem Label ja überzeugt. Deswegen wussten wir erstmal nicht so recht weiter – auch musikalisch. Irgendwann fragte mich Daniel dann, ob ich das Label nicht weiter als eigenes aufziehen möchte. Ich wollte es aber nicht ohne Stefan machen.

Daniel hat sich aus der Label-Arbeit zurückgezogen und wir zwei haben die Idee wieder aufgegriffen. Dann hatten wir uns entschieden erstmal digital weiterzumachen. Demnächst kommt eine Remix-EP.“

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