Am morgigen Samstag ziehen die Basswagen wieder durch die Stadt. Wir haben drei Fragen an Susann Hannemann und Sascha Heyne vom Organisationsteam gestellt.
Im letzten Jahr schon hatten wir ein Interview zur Global Space Odyssey. Da ging es auch um die Organisation hinter der jährlichen Demonstration und um die inhaltliche Öffnung, die auch in diesem Jahr wieder mehr als deutlich wird.
Es geht bei der Global Space Odyssey eben nicht nur um die Belange der hiesigen Clubkultur. Als Ergänzung also immer noch zu empfehlen. In diesem Jahr beschränken wir uns aber auf drei Fragen, die höchst ausführlich von Susann Hannemann und Sascha Heyne beantwortet wurden. Zur inhaltlichen Einstimmung auf den Samstag.
„Mein Leipzig koof ick mir“ ist das diesjährige Motto – potenziert der Leipzig-Hype mit den Berlin-Vergleichen der letzten Monate die von euch seit Jahren proklamierten Missstände noch weiter?
Susann Hannemann: „Mit dem provokativen und durchaus kontrovers diskutierten Motto möchten wir eine Albtraum-Vision von Leipzig skizzieren und so überdeutlich auf das Problem des städtischen Ausverkaufs aufmerksam machen. Die Anspielung auf Berlin ist nicht zu verhehlen: Doch im Gegensatz zum Feuilleton wollen wir nicht bei simplen Vergleichen im Sinne von „Leipzig ist das neue Berlin“ stehen bleiben.
Es ist grundsätzlich problematisch, wenn zwei völlig unterschiedliche Städte auf sehr oberflächliche Weise verglichen oder gar gleichgesetzt werden, um einen Trend zu setzen und damit kommerzielle Interessen zu verfolgen. Einerseits ist es natürlich erfreulich, dass die kreative und innovative Seite Leipzigs über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen wird – offenbar aber besonders von dort und nicht von kommunalen Fördermittelgebern.
Wenn wir also schon vergleichen, dann wollen wir auch die nicht so rosigen Seiten des Hypes beleuchten. Werfen wir doch mal einen genaueren Blick auf die Hauptstadt. Schnell fällt auf, dass Berlin die Gentrifizierungsmetropole in Deutschland ist. In einer absolut irren Geschwindigkeit haben sich Investoren ganze Kieze unter den Nagel gerissen.
Nun ist Leipzig nicht Berlin und wir wollen es auch nicht sein. Schaut man sich aber einmal derartige Prozesse an und vergleicht sie, so sind wir hier doch ganz schnell bei ähnlichen Prozessen angekommen, nur etwas kleiner und langsamer.
Das Superkronik musste unter anderem aufgrund nobler Nachbarschaft weichen, im Rahmen der Gelände-Erschließung des Bayerischen Bahnhofs ist der Standort der 20-jährigen Distillery durch den Siegerentwurf der Architekten ebenfalls bedenklich in Frage gestellt worden. Die Mieten im Süden werden angezogen, an jeder Ecke wird hochwertig saniert und jede noch so freie Fläche wird mittlerweile selbst im Westen der Stadt mit Mehrgeschossern betonversieglt.
Interessant daran ist, dass die Mehrzahl dieser Investoren nicht aus Leipzig stammt und somit indirekt auch die Identität dieser Stadt in Frage gestellt wird. Nicht selten hat man den Eindruck, dass wir in ein vorgefertigtes Muster gefügt werden sollen, ohne dass dabei Rücksicht auf Leipziger Eigenheiten genommen wird.
Der so oft beschriebene Hype um Leipzig und der Vergleich mit Berlin tragen sicherlich ihren Teil zu oben beschrieben Prozessen bei und bergen durchaus die Gefahr, dass wir in Leipzig die gleichen Fehler begehen wie in Berlin. Nur drängt sich der Eindruck auf, dass das gewisse Leute schlichtweg nicht interessiert und nur der fließende Euro zählt.
Der Prozess der Verdrängung hat schon längst begonnen. Die Frage ist, was können wir tun, um ihn zu steuern, mitzureden, die Stadtentwicklung mit unseren Vorstellungen zu beeinflussen? Da ist auch jeder Einzelne gefragt, nachzudenken und nicht allem, was neu und hip ist gedankenlos hinterher zu rennen und somit vielleicht einen Mainstream-Prozess unbewusst noch zu beschleunigen.
Wir fordern langfristiges Denken und nachhaltiges Handeln – nicht nur von Seiten der Stadtverwaltung, sondern von allen, denen es genauso wie uns nicht egal ist, was in unserer Stadt passiert.“
Ihr engagiert euch auch über die GSO hinaus, wie ist der Stand bei der Erarbeitung eines Freiflächenkonzepts?
Susann Hannemann: „Das Freiflächenkonzept, so wie wir es ursprünglich erarbeitet haben, lässt sich wahrscheinlich nicht umsetzen. Die Idee war hier, dass die GSO als Träger der Flächen fungiert und so eine unbürokratische, aber doch geregelte Organisation von Open Air-Partys und Kulturveranstaltungen im Freien gewährleistet werden könnte.
Momentan prüfen wir gemeinsam mit den zuständigen Ämtern der Stadt – wieder einmal – geeignete Flächen und arbeiten daran, die Rahmenbedingungen festzulegen, die für das Nutzungskonzept der freien Flächen wichtig sind. Dieser Prozess läuft langsam und schleppend und währt nun bereits zwei Monate. Nach der Global Space Odyssey werden wir uns wieder verstärkt darum kümmern und den Stand der Entwicklungen klären.
Eine Pilotierung des veränderten Konzepts wurde uns für kommendes Jahr in Aussicht gestellt. Dem müssen jedoch wiederum eine Reihe von Gesprächen vorangehen. Daneben möchte sich die Stadt Leipzig mit Halle in Verbindung setzen und sich die Rahmenbedingungen erläutern lassen, die dort bereits etabliert worden sind, um Veranstaltungen im Freien durchzuführen. Dort diente die Freiflächenkonzeption der GSO als Vorlage – warum daher die Stadt Leipzig nicht auf uns zugeht, entzieht sich unserem Verständnis.
Das Konzept ist und bleibt aber für uns ganz wichtig, weil die Anzahl unangemeldeter Partys in den letzten Jahren sowie die Nachfrage seitens der Besucher deutlich gestiegen sind. Vor ein paar Jahren waren diese Partys noch relativ klein und verliefen störungsfrei. Doch mit steigender Popularität sind weitere Faktoren zu bedenken, damit es nicht aufgrund von Beschwerden zu einem vorschnellen Ende solcher Veranstaltungen kommt.
2009 entstand dann die Idee des Freiflächenkonzepts, um bestimmte Flächen mittels eines Nutzungsplans für Veranstaltungen dieser Art bespielbar zu machen. Zum Einen holen wir uns damit selbst aus der rechtlichen Grauzone und ein umsichtiges Verhalten aller auf den Veranstaltungen sowie bei der Organisation vorab kann dazu beitragen, ein anderes, positiveres Bild musikalischer oder allgemein kultureller Veranstaltungen im Freien zu erzeugen. Wir wollen deutlich machen, dass wir umsichtig planen und sich niemand über die Gebühr durch Lärm oder Müll belästigt fühlt.
Das Konzept selbst ist jetzt nicht mehr ganz zeitgemäß, da sich die Spielregeln etwas geändert haben. Die GSO wird nicht mehr Träger der Flächen sein, sondern nur diese Flächenverträge einheitlich mit der Stadt ausarbeiten, damit alle die gleichen fairen Konditionen haben und nicht kommerziellen Events der Vortritt gegeben wird, was leider noch zu oft passiert.
Momentan stellt sich das Amt wieder etwas quer, vor allem bei Veranstaltern, die als Einzelpersonen auftreten – derzeit können nur Institutionen, Vereine oder Initiativen bestimmte Flächen im Rahmen der jetzigen Auflagen für Lärmschutz, Müllentsorgung und Toiletten anmelden.
Der Lösungsvorschlag der Stadt, alle Veranstaltungen auf eine Fläche zu verlagern, könnte aufgrund der Vielzahl potentieller Veranstalter schnell zum Problem werden, da auch die Termine begrenzt sind. Somit wird nur eine Fläche, selbst für eine Pilotierung keine langfristige Lösung sein können.
Der Prozess ist sehr langatmig und im Moment nehmen die nicht angemeldeten Veranstaltungen wieder massiv zu, was die Probleme nicht entschärfen wird. Aber das ist dann auch die logische Konsequenz, wenn man den Leuten nicht entgegenkommt oder es wenigstens einmal versucht.“
Mit Täubchenthal und Institut für Zukunft entstehen gerade zwei neue, verschieden aufgezogene Locations – durchaus ein Zeichen, dass Leipzig noch subkulturelle Entwicklungspotentiale hat, oder wie schätzt ihr dies ein?
Sascha Heyne: „Natürlich gibt es in der Stadt Entwicklungspotenzial. Wobei man je nach Projekt auch immer schauen muss, was für ein finanzieller und wirtschaftlicher Background dahinter steht und wie sehr das dem Stadtmarketing unter Umständen noch in die Hände spielt.
Doch was ist mit den vielen kleinen, engagierten Projekten, die von Leuten meist neben dem Job zum Broterwerb betrieben werden? Projekte, die nicht so viel Finanzkraft und Ressourcen hinter sich haben bzw. auch einfach nicht per se derart präsent in den Fokus gerückt werden, aber trotzdem ihren kulturellen Beitrag in der Stadt leisten, durchaus auch mit hohem Qualitätsstandard? Es geht schon immer noch darum, wie Kultur im kleinen sowie im großen Rahmen von der Stadt bewertet wird.
Und stolz ist das Stadtmarketing auf seine junge, kreative und innovative Kultur definitiv. Damit wird massiv geworben – zu Recht. Aber was tun die Damen und Herren im Rathaus dafür? Wer wird gefördert und wem werden eher Steine in den Weg gelegt, statt zumindest eine Chance auf Verwirklichung ohne hohe finanzielle Barrieren durch behördliche Auflagen zu bekommen?
Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele neue Projekte entwickelt und dann tatsächlich gestemmt werden bei all den Steinen, die so oft im Weg liegen. Eine andere Grundsatzfrage, die sich uns immer wieder stellt: Sollte überhaupt zwischen Hoch- und Subkultur entschieden werden?“
Die Route vom 13.7.2013:
Connewitz Kreuz → Karl-Liebknecht-Straße → Schenkendorfstraße → Bernhard-Göring-Straße → Windmühlenstraße → Martin-Luther-Ring → Marktplatz (Zwischenkundgebung) → Tröndlinring → Wintergartenstraße → Eisenbahnstraße → Hermann-Liebmann-Straße → Riebeckstraße → Prager Straße → Wilhelm-Külz-Park (Abschluss)