Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wieviele lokale Musiker trotz jahrelanger Aktivitäten irgendwie der eigenen Wahrnehmung völlig entgangen sind. Zaquoir ist so ein Fall – obwohl seine Veröffentlichungen auf frohfroh gut dokumentiert sind. Nun gibt es einen weiteren Grund, seiner Musik Aufmerksamkeit zu schenken: Sein Debüt-Album ist erschienen.
Die zwölf Stücke auf „Asino Sardo“ laden dazu ein, die verspielte Seite der Electronica- und IDM-Welt wieder zu entdecken. Wir erinnern uns: Ganze Heerscharen von (nicht nur) Bedroom-Studio-Produzenten haben in den letzten Jahrzehnten einen Teil ihrer Lebenszeit vor den Computer-Monitoren verbracht, um den musikalischen Schock zu verarbeiten, der durch Produzenten wie Boards Of Canada oder Aphex Twin verursacht wurde. Obwohl sich die Sound-Forschungen vor allem auf technischer Seite auch auf andere Genres auswirkte, blieb Electronica in all seinen Formen eher eine Domäne von Musik-Nerds.
Vielleicht ist das der Grund, warum das Album von Zaquoir so interessant ist: Die Stücke entstanden über einen längeren Zeitraum hinweg, ohne auf offensichtliche musikalische Trends des letzten Jahrzehnts zu verweisen. Sie strahlen damit eine wunderbare Gelassenheit gegenüber gewissen Hype-Zyklen aus und passen durch ihre Leichtigkeit hervorragend zum anstehenden Sommer.
Ein Preview der Stücke könnt ihr euch ganz unten anhören. Dazu gibt es ein kleines Interview.
Im Vergleich zu deinen Beiträgen bei der „Polyrhythmic Series“ und beim „SVS Sampler“ wirken die Tracks auf „Asino Sardo“ eher wie Fragmente oder Skizzen. Was ist die Idee hinter dem Album?
Ich würde die Platte gar nicht so sehr mit den einzelnen Stücken auf SVS1 und Polyrhythmic Series vergleichen. Bei Asino Sardo war Platz für zwei ganze Seiten, davor waren es einzelne Tracks. Mir war wichtig, dass die Platte in sich stimmig ist und einen Bogen spannt, die Stücke ineinander fließen und insgesamt eine Geschichte erzählen. Da gibt es kaum Intros oder Outros bei den Stücken, und zum Teil habe ich die Stücke in der Playlist weiter produziert, damit sie noch mehr ineinander fließen.
Tatsächlich hat es echt viel ausgemacht, in welcher Reihenfolge die Tracks spielen, weil sie sich untereinander sehr beeinflussen. Es sollte außerdem egal sein, mit welcher Seite man zuerst anfängt, A und B sollen in sich funktionieren, aber auch nacheinander, egal wie rum. So ist es dann entstanden, vorher gab es ja schon eine andere Platte, eine 5 Track EP, die mehr für den Club produziert war. Dann wollten die Jungs vom Label ältere Sachen von mir hören und wir haben uns nochmal durch über 24 Stunden Material von 1998 bis 2014 durch gehört. So ist dann eine ganz andere Platte entstanden, die für sich steht.
Kannst du etwas zur Produktionsweise des Albums sagen?
Die Tracks sind aus einer Zeitspanne von 16 Jahren und ziemlich unterschiedlich produziert. Niu ist aus dem Jahre 1999 und da habe ich alle Samples selber über den Kopfhörer in den Computer aufgenommen und mit der EWS64 (erster Hardware-Sampler auf einer Soundkarte) und Cubase arrangiert. Dann sind zwei Stücke auf der B-Seite, die ich letztes Jahr komplett im Rechner mit Plug-Ins und Controllern produziert habe, also komplett digital. Die anderen Stücke sind eine Mischung aus Hardware-Synthesizer, Sampler, Drummachine, Mixer und FX. Die Samples auf der Platte habe ich selber aufgenommen und die Synth-Sounds selber programmiert.
A5 und A6 sind live am Mischpult arrangiert und danach editiert, vor allem in der Länge. A1, A2, A3 und A4 sind in MIDI arrangiert, außerhalb vom Rechner mit Hardware produziert, und dann direkt in Stereo im Rechner aufgenommen. B1 ist im Gegensatz dazu total digital produziert. Davon gab es ursprünglich eine längere Version, die am Ende „4 to the floor“ ist, aber es passte nicht so gut in den Kontext der Platte. Die A-Seite ist also „analoger“, die B-Seite digitaler.
Im ersten Track sind Klaviersounds, die ich bei einem Jam von Bernardo in Litauen aufgenommen und dann in den Sampler (S5000) geladen habe. Das war dann quasi das Rohmaterial, mit dem ich ein Patch gebaut habe, gelayert mit anderen Sounds. Damit habe ich dann die Melodie und die Akkorde eingespielt. Das war im weitesten Sinne eine Collab, wobei das Stück tonal nicht viel mit dem Original-Sounds zu tun hat.
Wenn wir schon bei Kollaborationen sind: Spielt die Leipziger Musik-Szene eine Rolle für dich?
In Leipzig hatte/habe ich verschiedene Kollaborationen, mit Free-Jazzern (Extremental mit mspiano, Bert the Juggler und Harry Wenke; ein Duo mit Fabian Niermann, grosshuber zusammen mit Florian Huber), Sessions mit Christian Walter (beim Vollmondorchester, auf der Rootsbase, im Studio), Kollaborationen mit Lukas Rabe („Tanz in den Mai“ auf SVS1, „Hallo Ester“ mit Gesang von Ji Seon Moon, viele Skizzen), war ein Jahr lang Synthie-FX und Sampler-Spieler bei Mud Mahaka mit schönen Gigs, habe 2,5 Jahre „Praktikum“ bei Neonlight gemacht (war zur Untermiete im Nebenzimmer) und verschiedene Film-Musik-Sounddesign-Projekte. Das sind alles gute Erfahrungen, die immer wieder neue Keime für neue Wurzeln mit sich bringen.
Haben die verschiedenen Aufnahmeorte einen Einfluss auf die Entstehung?
Ich finde, dass alles um einen herum Einfluss auf die Musik haben kann, auch der Ort, an dem die Musik entsteht. Das heißt nicht, dass man an einem ruhigen Ort ruhige Musik produzieren muss, sondern es kann einem vielleicht mehr Freiheit geben, etwas von dem Ort losgelöstes zu machen. Musik ist Phantasie, also braucht es einen Ort, an dem man das gut ausleben kann. Das andere sind die technischen Gegebenheiten, wie genügend Platz für das Equipment, Raumakustik, coole Nachbarn etc., das kann auch die Musik sehr beeinflussen, muss es aber nicht unbedingt.
Du sagst, dass das Material seit 1998 entstanden ist. Hast du schon davor angefangen zu produzieren? Besitzt du eine musikalische Vorbildung, hast du ein Instrument gelernt?
Im Jahre 1997 oder 1998 habe ich angefangen mit dem Produzieren, davor habe ich Trompete in der Blaskapelle gespielt, Gitarre bei den Pfadfindern, Chor in der Schule, Flöte im Kindergarten, und Klavier, weil wir eins zu Hause stehen hatten. Ich habe später auch noch bei zwei verschiedenen Lehrern klassischen Klavierunterricht genommen, da war ich aber auch schon parallel am produzieren. Damals auch mit einem Kumpel der Bass- und Gitarrenspieler war, und Drum and Bass und Jungle auflegte. Mit ihm hatte ich auch ein paar elektronische Partys organisiert, mit zwei Floors, der eine Drum and Bass, der andere Techno.
Dann war ich viel an den Wochenenden im Club tanzen – das ist auch eine gute Schule gewesen. Ansonsten habe ich einfach viel ausprobiert, viel auf Kassette aufgenommen, und die Handbücher der Geräte gelesen.
Gibt es bestimmte Musiker, die dich geprägt haben?
Mit 14 habe ich Beatles und Gitarrenmusik gehört, bevor ich zur elektronischen Musik kam. Namen hatten mir damals nichts gesagt, deswegen habe ich einfach die Sachen im Laden angehört und bin bei Cristian Vogel, Surgeon, 4hero und Goldie hängen geblieben und auch einigen anderen. Vielleicht auch interessant, dass ich von Anfang an verschiedene elektronische Musikstile nebeneinander gehört habe, u.a. dank Kassettenmitschnitten von Evosonic Radio und Partys mit mehreren Floors. In der Zeit von den Tracks A1, A2 und A4 habe ich viel Jazz und System of a Down gehört. A3 ist wahrscheinlich stark von Boards of Canada beeinflusst, und vielleicht ein ganz winzig kleines Stückchen von Ravel und Chick Corea.
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SVS Records Website
Das Album ist im Vertrieb von Kudos erhältlich.