Gestern mein erster Besuch beim Berlin Atonal-Festival – nun frage ich mich, warum so etwas nicht auch in Leipzig geht.
Was für eine Kathedrale – das Kraftwerk in der Berliner Köpenicker Straße beherbergt eigentlich die Clubs Tresor und Ohm. Doch das Herzstück des Berlin Atonal ist eine riesige karge Halle, die über fünf Tage hinweg mit mächtigen Soundwänden bespielt wird. Dissonant, verstörend, faszinierend – im Hintergrund der Bühne eine vertikal in die Höhe ragende Leinwand für Visuals. Das Zusammenspiel aus dystopischer Kulisse und experimenteller Musik scheint hier in Vollendung aufzugehen.
Noch beeindruckender aber: Es sind super viele Menschen anwesend und hören gebannt zu, wie Lustmord in elegischem Ambient abtaucht und Ben Frost das große Finale spielt. Manche liegen auf dem Betonboden mit geschlossenen Augen. Obwohl das Programm in der Halle alles andere als eingängig ist. Es gibt es, das Publikum für Experimente. In Berlin natürlich der Stadtgröße und der touristischen Anziehungskraft wegen eher als in kleineren Städten.Und trotzdem muss so etwas doch auch in der Peripherie möglich sein. In Leipzig etwa. Leicht ist es nicht, wie es in den Interviews mit Fabian Russ und dem Institut für Zukunft angesprochen wurde.
Kaum jemand nimmt das Geld in die Hand, zapft die Fördertöpfe an. Und natürlich ist das Risiko nur wenige Besucher anzuziehen schwer kalkulierbar. Einerseits ließe sich fragen, warum beispielsweise das Gewandhaus sein Audio Invasion-Format nicht stärker dafür nutzt oder gleich ein neues Format etabliert. Andererseits stellt sich auch die Frage, ob dem Leipziger Publikum die Neugier und Offenheit für experimentelle Musik fehlt.
Es geht hier weder um Publikums- oder Veranstalter-Bashing. Allerdings hat die Berlin Atonal-Erfahrung gezeigt, dass es nicht allein am mangelnden Interesse für sperrige und herausfordernde Musik liegen kann. Und insofern ist es nur ein naiver Wunsch, so etwas künftig auch hier regelmäßig zu haben.
Fotos: Camille Blake