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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Mehr Atonal, bitte

24. August 2015 / Kommentare (1)

Gestern mein erster Besuch beim Berlin Atonal-Festival – nun frage ich mich, warum so etwas nicht auch in Leipzig geht.

Was für eine Kathedrale – das Kraftwerk in der Berliner Köpenicker Straße beherbergt eigentlich die Clubs Tresor und Ohm. Doch das Herzstück des Berlin Atonal ist eine riesige karge Halle, die über fünf Tage hinweg mit mächtigen Soundwänden bespielt wird. Dissonant, verstörend, faszinierend – im Hintergrund der Bühne eine vertikal in die Höhe ragende Leinwand für Visuals. Das Zusammenspiel aus dystopischer Kulisse und experimenteller Musik scheint hier in Vollendung aufzugehen.

Noch beeindruckender aber: Es sind super viele Menschen anwesend und hören gebannt zu, wie Lustmord in elegischem Ambient abtaucht und Ben Frost das große Finale spielt. Manche liegen auf dem Betonboden mit geschlossenen Augen. Obwohl das Programm in der Halle alles andere als eingängig ist. Es gibt es, das Publikum für Experimente. In Berlin natürlich der Stadtgröße und der touristischen Anziehungskraft wegen eher als in kleineren Städten.Und trotzdem muss so etwas doch auch in der Peripherie möglich sein. In Leipzig etwa. Leicht ist es nicht, wie es in den Interviews mit Fabian Russ und dem Institut für Zukunft angesprochen wurde.

Kaum jemand nimmt das Geld in die Hand, zapft die Fördertöpfe an. Und natürlich ist das Risiko nur wenige Besucher anzuziehen schwer kalkulierbar. Einerseits ließe sich fragen, warum beispielsweise das Gewandhaus sein Audio Invasion-Format nicht stärker dafür nutzt oder gleich ein neues Format etabliert. Andererseits stellt sich auch die Frage, ob dem Leipziger Publikum die Neugier und Offenheit für experimentelle Musik fehlt.

Es geht hier weder um Publikums- oder Veranstalter-Bashing. Allerdings hat die Berlin Atonal-Erfahrung gezeigt, dass es nicht allein am mangelnden Interesse für sperrige und herausfordernde Musik liegen kann. Und insofern ist es nur ein naiver Wunsch, so etwas künftig auch hier regelmäßig zu haben.

Fotos: Camille Blake

CommentComment

  • LXC / 31. August 2015 / um 08:38
    "... warum so etwas nicht auch in Leipzig geht." - ist sicherlich multifaktoriell verortet; in einem Mix aus sächsich versumpfter Kulturförderungspolitik, mangelnder Liquidität aller Kreativen, sicherlich auch eine Prise der von Fabian Russ benannten Rumgammelei und leider auch dem teils völlig ignoranten Publikum. Und selbst wenn Interesse da ist, gibt es keine Chance für eine gesunde selbstverwaltete Kultur, solange zwei Drittel der Rezipienten einfach selber nicht mal wissen, wie sie ihre nächste Miete zusammenkratzen sollen.

    Es GIBT erfreulicherweise immer wieder Ansätze für experimentellen Sound in Leipzig, leider eben mit geringen Entfaltungsmöglichkeiten und von breitem Desinteresse begleitet. Es rechnet ja aber auch keineR mehr mit Lichtblicken und heraus kommt am Ende dann leider auch eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.

    Audio Invasion hat hier als Vergleich eigentlich nichts zu suchen, verdeutlicht aber sicherlich gut das inhaltliche Niveau des Mainstreams in diesem Hinterweltskaff hier. Die anfängliche Radikalität des IfZ ist ja auch zu Gunsten der Funktionalität ein eingeknickt und von anderen Läden und ihrer Anbiederung ans Hedonismushamsterrad mag ich gar nicht anfangen. Letztenendes ist es natürlich immer wirtschaftlicher Druck, der das Level derartig senkt.

    Und klar, die Diskrepanz zwischen dem Hypezig-Image und der ermüdenenden Realität nervt. Da hilft aber nicht, nach Berlin zu schielen, sondern nur anpacken und selber bässer machen. Oder einfach mal weniger saufen und die gute Leute unterstützen, das haben die hier nämlich alle bitter nötig! (Support geht natürlich auch immer immateriell!)

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