Lesetipp aktueller Kreuzer: Die Titel-Story dreht sich um die Frage, ob der Hype um die Stadt ihre eigenen Clubkinder auffrisst.
Eigentlich ist das Thema nicht neu in Städten mit gewissen Freiräumen und sich verändernden Vierteln – da ploppen plötzlich Läden und Keller mit Anlagen und Bars auf, es gibt eine gewisse Zeit verschwitzten Hedonismus in der Grauzone und irgendwann ist die Tür zugemauert.
Besonders im Fokus gerade: der Osten, rundum die Eisenbahnstraße. Das Goldhorn hatte dort bis vor ein paar Monaten für einige Monate große Arbeit geleistet und neben dem klassischen Dance auch sehr ambitionierte Konzerte und Club-Abende veranstaltet.
Eigentlich wollten die Betreiber jedoch mehr, aber das Ordnungsamt und die Hausbesitzer sagten „no“. Zugleich gibt es aber eben auch nicht mehr die vielen räumlichen Optionen wie noch vor ein paar Jahren – woran auch das Goldhorn nicht ganz unbeteiligt war. Der Klassiker in einem lange Zeit brach liegendem, nun aber vom starkem Zuzug zunehmend unter Druck geratenden Immobilienmarkt.
Noch etwas klingt wenig überraschend: Und zwar, dass die ganzen hinter xxx, Mailing- und SMS-Listen versteckten temporären Orte der Clubkultur – egal wie schmutzig die Wände und wie schlecht die Boxen sind – immer eine ungeheure Anziehungskraft haben werden. Gegen das Verruchte und Verbotene, Exklusive und Vergängliche, können die institutionalisierten professionellen Clubs nicht immer mithalten.
Interessant fand ich aber in dem Kreuzer-Text, dass angeblich durch die temporären Läden der Ruf der professionell betriebenen Clubs leiden würde. Das war mir so nicht bewusst. Ich glaubte an eine sichere Koexistenz, an eine sich langfristig haltende Balance zwischen hochwertigem Programm und Exzess ohne Lüftung. Martin Driemel von der Distillery relativiert da auch.
Aber vielleicht sind die vielen neuen Läden ebenso ein Zeichen für einen Generationswechsel und das Potential des ungebrochenen Zuzugs in die Stadt – neue Leute wollen sich eigene Orte erschaffen, bespielen und weiterentwickeln. Da können Clubs mit langen Geschichten und ihren mehr oder weniger hermetischen Netzwerken natürlich nur bedingt eine Folie für den jugendlichen und post-jugendlichen Elan zum Selbstgestalten bieten. Insofern alles halb so wild, oder?
Außer aber, dass es für jene Läden, die sich aus dem temporären Zustand heraus legal professionalisieren wollen, offensichtlich gerade schwerer wird.