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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Heute auf, morgen zu

02. Oktober 2015 / Kommentare (7)

Lesetipp aktueller Kreuzer: Die Titel-Story dreht sich um die Frage, ob der Hype um die Stadt ihre eigenen Clubkinder auffrisst.

Eigentlich ist das Thema nicht neu in Städten mit gewissen Freiräumen und sich verändernden Vierteln – da ploppen plötzlich Läden und Keller mit Anlagen und Bars auf, es gibt eine gewisse Zeit verschwitzten Hedonismus in der Grauzone und irgendwann ist die Tür zugemauert.

Besonders im Fokus gerade: der Osten, rundum die Eisenbahnstraße. Das Goldhorn hatte dort bis vor ein paar Monaten für einige Monate große Arbeit geleistet und neben dem klassischen Dance auch sehr ambitionierte Konzerte und Club-Abende veranstaltet.

Eigentlich wollten die Betreiber jedoch mehr, aber das Ordnungsamt und die Hausbesitzer sagten „no“. Zugleich gibt es aber eben auch nicht mehr die vielen räumlichen Optionen wie noch vor ein paar Jahren – woran auch das Goldhorn nicht ganz unbeteiligt war. Der Klassiker in einem lange Zeit brach liegendem, nun aber vom starkem Zuzug zunehmend unter Druck geratenden Immobilienmarkt.

Noch etwas klingt wenig überraschend: Und zwar, dass die ganzen hinter xxx, Mailing- und SMS-Listen versteckten temporären Orte der Clubkultur – egal wie schmutzig die Wände und wie schlecht die Boxen sind – immer eine ungeheure Anziehungskraft haben werden. Gegen das Verruchte und Verbotene, Exklusive und Vergängliche, können die institutionalisierten professionellen Clubs nicht immer mithalten.

Interessant fand ich aber in dem Kreuzer-Text, dass angeblich durch die temporären Läden der Ruf der professionell betriebenen Clubs leiden würde. Das war mir so nicht bewusst. Ich glaubte an eine sichere Koexistenz, an eine sich langfristig haltende Balance zwischen hochwertigem Programm und Exzess ohne Lüftung. Martin Driemel von der Distillery relativiert da auch.

Aber vielleicht sind die vielen neuen Läden ebenso ein Zeichen für einen Generationswechsel und das Potential des ungebrochenen Zuzugs in die Stadt – neue Leute wollen sich eigene Orte erschaffen, bespielen und weiterentwickeln. Da können Clubs mit langen Geschichten und ihren mehr oder weniger hermetischen Netzwerken natürlich nur bedingt eine Folie für den jugendlichen und post-jugendlichen Elan zum Selbstgestalten bieten. Insofern alles halb so wild, oder?

Außer aber, dass es für jene Läden, die sich aus dem temporären Zustand heraus legal professionalisieren wollen, offensichtlich gerade schwerer wird.

 

CommentComment

  • Jens / 14. Oktober 2015 / um 08:50
    Und hier noch ein sehr ausführlicher Text zum Hintergrund des medialen Leipzig-Hypes: http://andreasbischof.net/hypezig-die-verkleinbuergerlichung-des-alternativen/

    Geschrieben von Andreas Bischof – Analogsoul.
  • Christoph / 13. Oktober 2015 / um 07:16
    Die Zeit steigt auch noch ein ...

    http://www.zeit.de/2015/41/leipzig-hype-andre-herrmann/komplettansicht
  • Cherio / 10. Oktober 2015 / um 08:37
    "Da können Clubs mit langen Geschichten und ihren mehr oder weniger hermetischen Netzwerken natürlich nur bedingt eine Folie für den jugendlichen und post-jugendlichen Elan zum Selbstgestalten bieten. Insofern alles halb so wild, oder?"

    Ich find kleine Läden gut und sie tragen zur Vielfalt des Nachtlebens bei. Jedoch wird die Vielfalt wiederum zerstört weil Hin und Kunz glauben, sie könnten mal eben so, aus oben bereits aufgelisteten Motivationen eine innovativen Veranstaltungsort, Minilocation whatever erschaffen. Bei all den vielen individuellen Motivationen etwas neues / eigenes machen zu wollen, driften wir hier aber auch mal ganz schnell in eine Situation der Beliebigkeit ab. Es gibt nur noch Dinge zu entdecken und aus dem ganzen Entdecken verschwinden einige dieser selbst ernannten Bessermacher/Andersmacher, wie sich die Protagonisten des IFZs zu Beginn auch gern gesehen haben im Veranstaltungs-nirvana. Es werden sich am Ende die durchsetzen, die das meiste Geld ;-), die besten Inhalte, vielleicht noch eine mehr oder weniger konsequente Linie haben und vielleicht noch den größten Coolnessfaktor auf Dauer für sich konservieren können. Ob es das IFZ sein wird das allein frischen Wind in die Szene bringt, wage ich zu bezweifeln. Auch wenn es ein guter Ansatz ist, entwickelt sich auch dieser Laden zwangläufig mittlerweile zu einem recht konventionellen Club, in dem Veranstaltungen stattfinden die Leute dort hinziehen und widerum auch nicht. Es wird ebend dort auch nur versucht aktuelle und innovative Strömungen und Entwicklung des derzeitigen musikalischen Zeitgeschehens abzubilden. Aber das ist weder neu noch innovativ. Es hatte zu Beginn einen gewissen Anstrich mit dem Focus auf die hoch mystifizierten links orientierte "richtigen" Technos/Electros/Ebm Gedöns/Gefühls bla bla. Aber das verblasst aber meiner Meinung immer mehr. Den Versuch musikalisches Zeitgeschehen und Strömungen aufzugreifen und dies anzubieten, passiert seit Jahren im Island, in der Distillery, einige Zeit auch im Westwerk, XX-Kronik hin und wieder und das mit und ohne Konkurrenz. Der entscheidenste Unterschied ist am Ende mit welcher Konsequenz ein bestimmtes Konzept oder eine Idee umgesetzt wird und sich vielleicht dadurch durchsetzt. Denn dadurch schafft es die ein oder andere Idee herauszustechen und im günstigsten Fall ist der Laden dann auch schon etabliert. Dennoch wird es immer ein Spakat bleiben zwischen Anspruch und finanzierbarer Realität. Auch etablierte Läden werden oft von Leuten geführt die zu Beginn ihres Schaffens die Energie für derartige Projekte aus " jugendlichen und post-jugendlichen Elan zum Selbstmachen" bezogen. Insofern wird die Konkurrenz durch viele kleine individuelle erst dann schwierig, wenn sich etablierte Läden sich vor mehr oder weniger neuen oder jungen engagierten Kreativen und Initiatoren verschließen bzw. den Anschein dazu erwecken durch eine mehr oder weniger aus der Luft gegriffenen Idenditätabgrenzung und Ausgrenzung. Was sich mitunter leider auch hier und da in einer seltsamen und unstet ausgrenzenden Türpolitik zeigt.
  • Seffen / 05. Oktober 2015 / um 23:17
    @Christoph: Ich sage ja nicht das Nichts Neues entstehen soll oder es keine Off-Locations geben soll. Das wäre, wie du richtig schilderst, kontraproduktiv bis langweilig und damit das Ende der Weiterentwicklung. Und am Ende hat auch alles seine Zeit, und die Zeit ist für manche dann eben auch irgendwann mal vorbei. Und vielleicht sollten die etablierten Läden die vielen Off-Locations auch als Kritik an ihrer Unflexibilität nehmen. Da gebe ich dir recht.

    Andererseits habe ich in den letzten Jahren viele Crews kommen und gehen gesehen, viele haben auch berechtigte Kritik an den etablierten Läden geäußert, mussten dann aber selber feststellen dass wir nicht mehr in den 90ern leben und die Etablierten auch aus gewissen Zwängen so handeln wie sie es nunmal tun. Das wirklich Schlimme daran finde bzw. fand ich aber die Arroganz mit der das geschah. Und vor allem haben kaum Crews etwas wirklich anderes gemacht. Für mich ist wie gesagt das erste Projekt dass wirklich etwas frischen Wind bringt das IFZ.

    Abgrenzung ist das Eine, sich aber abzugrenzen indem man den anderen abwertet, macht wenig Sinn. Am Ende ist auch das ein Lernprozess, aber die Demut ist mMn teilweise nicht vorhanden. Und darüber kann man sich schonmal Gedanken machen.

    Witziger Weise versuchen dann etablierte und eingefahrene Läden sich zu öffnen oder gar zu ändern, beißen sich aber am vorgefassten Bild über sie die Zähne aus, und gehen dann wieder ihre eigenen Wege.

    Es scheint ganz einfach, ist wiederum dann aber doch recht komplex ;) Genauso wie die Gema, die einfach weiter bearbeitet werden muss, aber sie zu umgehen macht die Künstler auch nicht weniger arm ;)
  • Christoph / 05. Oktober 2015 / um 18:24
    @ Seffen: Naja, deine Sicht finde ich schon problematisch. Sich in alte Strukturen zu integrieren bedeutet auch, deren Voraussetzungen annehmen zu müssen. Also Raumgröße, (finanzielle) Konditionen, Plenum ... Für kleinere Veranstaltungen etwa mit unbekannteren lokalen DJs oder solche mit experimentellerer Musik (oder den eigenen Kumpels) sind Off-Locations im Zweifel unkomplizierter. Um sich auszuprobieren und auszuleben erst recht.

    Man kann das Verhältnis auch umdrehen: Aus welchen Gründen sollten sich neue Veranstalter / Künstler usw. denn an etablierte Läden oder Clubs wenden? Warum sollten sie denn für die nächste Generation bzw. für andere Leute eigentlich attraktiv und relevant sein? Wer ist schon darüber traurig, der Gema kein Geld zu geben? Sind ja auch Fragen, die man stellen kann.

    Etablierte Läden haben ja auch das Problem, etabliert zu sein. Da entsteht womöglich auch ein Bedürfnis nach Abgrenzung? Vielleicht gibt es inzwischen auch Kids, die nicht in denselben Laden wollen, den Mama und Papa früher auch gut fanden ...
  • Seffen / 05. Oktober 2015 / um 11:27
    @Alex: da verkennst du die Realität. Es gibt bei weitem nicht nur die 4 Großen. Und sich die Leute aussuchen können sie sich auch nicht leisten. Allerdings können und müssen sie selektieren. Dass es mal Veranstaltungen gibt die ausverkauft sind oder rappelvoll und die Schlange dementsprechend, das ist ja nix Neues.

    Fatal finde ich an der derzeitigen Entwicklung, dass einige dieser neuen bzw. Off-Loctions gar nicht den Anspruch haben über eine längere Zeit zu existieren. Da läuft von der Gema bis zu x verschiedenen anderen Sachen alles unter dem Radar. Natürlich können da andere Preise angeboten werden. Aber das spielt die Locations, die es schon länger gibt natürlich an die Wand.
    Keiner dieser älteren Locations hat alles sofort legal gemacht, von daher soll das auch nicht das Problem sein (zumal die Auflagen heute noch ganz andere sind). Aber im Jahr 2015 etwas hochzuziehen, ohne dass einem bewusst ist dass man das Ding heute schneller in die Legalität überführen muss, ist schon entweder sehr gutgläubig gedacht oder fatal egoistisch (sicherlich gibts da auch noch was dazwischen ;)
    Mir erscheint es allerdings, als gehe es vielmehr darum entweder etwas
    a) quer zu finanzieren (und sei es auch nur das eigene Studenetleben)
    b) mal cool zu sein
    oder
    c) einfach den eigenen Stiefel durchzuziehen, weil man wie Jens schon sagte, keine Lust hat in alte Strukturen zu integrieren.

    Was passiert aber, wenn das zuviele machen (siehe Punkt c). Wenn jeder seinen Egoismus durchdrückt ?

    Und abgesehen davon, so verschiendeartig war bisher noch keine neues Konzept, dass es das in der Stadt so oder so ähnlich noch nicht gab.

    Ich hoffe das IFZ kann sich etablieren und vielleicht sich selbst auch noch etwas aufbrechen um nicht zu dohmatisch zu sein. Dann ist das für mich durchaus das Projekt der kommenden Jahre, welches noch Potentiale hat die es selbst vielleicht noch gar nicht sieht.
  • Alex / 05. Oktober 2015 / um 08:10
    Und die Konsequenz ist, dass es aus Mangel an genau jenen kleinen, wundervollen Alternativen im Westen und Osten nur noch die drei "Großen" gibt und man ggf 4 Stunden vor selbigen stehen muss, weil für manche Betreiber nicht mehr gilt, dass es ein Privileg ist, einen Gast zu haben. Im Gegenteil, das Privileg ist es nun scheinbar für den Gast einen bestimmten Club besuchen zu dürfen. Verkehrt. Den Kreuzer kaufe ich mir heute.

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