In der letzten Woche kam das Thema Flüchtlinge aus zwei verschiedenen Perspektiven in den Themenfokus für frohfroh. Als Support- und Diskurs-Aufruf.
Zuerst der Support: Georg Bigalke hat nämlich einen Track zur aktuellen „Loose Lips“-Compilation beigetragen, deren Erlöse zu 100 Prozent an Refugee Community Kitchen gehen. Die Initiative kocht jeden Tag mehrere Tausend warme Mahlzeiten für die festsitzenden Flüchtlinge an der französischen Küste bei Calais und Dunkerque.
Das Londoner Label Loose Lips wiederum widmet sich mit Compilations, Partys in Großbritannien und einem Blog der musikalischen Offenheit. Ohne Genre-Scheuklappen. Nachdem die Einnahmen einer Party bereits gespendet wurden, wollten die Betreiber dies mit einer Compilation wiederholen. Mit dem karg-ruppigen Techno-Track „Pinnt“ ist auch Georg Bigalke dabei. Zeitgleich ruft Refugee Communtiy Kitchen zur Winterkampagne auf, um sein Angebot auch im Winter anbieten zu können. Mit der „Loose Lips“-Compilation lässt sich der Support musikalisch verbinden.
Nun der Diskurs: Das Conne Island-Plenum hat am gestrigen Freitag ein sehr offenes, ebenso selbstkritisches wie mutiges Statement veröffentlicht, das den gesellschaftlich und moralisch heiklen Umgang mit übergriffigen Flüchtlingen im Party-Kontext thematisiert.
Das Island übernahm Ende letzten Jahres ebenfalls eine offene Willkommenskultur und bot Flüchtlingen neben integrativen Projekten gegen einen geringen Spendenbetrag Eintritt zu den Konzerten und Partys. Offenbar kam es in diesem Jahr dabei aber häufiger zu unangenehmen Situationen. „Sexistische Anmachen und körperliche Übergriffe sind in diesem Zusammenhang im Conne Island und in anderen Clubs vermehrt aufgetreten – auch mit der Konsequenz, dass weibliche Gäste auf Besuche verzichten, um Übergriffen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen“, heißt es in dem Statement.
Und weiter: „Entgegen unseres üblichen Vorgehens musste beispielsweise in mehr als einem Fall die Polizei eingeschaltet werden, da das Maß an körperlicher Gewalt gegenüber den Secu-Personen nicht mehr zu handhaben war. Aufgrund dieser Überforderung kam sogar die Überlegung auf, Parties vorübergehend auszusetzen.“
Das Conne Island spricht sehr treffend das Dilemma an, mit dem sich sicherlich alle Leipziger Clubs aktuell auseinanderzusetzen haben: Wie umgehen, wenn Sprachbarrieren die Kommunikation erschweren? Wie sich sexistischen Übergriffen, machohaftem Auftreten, antisemitischem, rassistischem und generell diskriminierendem Verhalten von Menschen mit Migrationshintergrund entgegensetzen, ohne in kulturalistische Muster zu verfallen oder dem Rechtspopulismus in die Karten zu spielen. „Die Situation ist jedoch derart angespannt und belastend für viele Betroffene und auch für die Betreiber_innen des Conne Islands, dass ein verbales Umschiffen des Sachverhalts nicht mehr zweckdienlich scheint. Wir halten eine Thematisierung der Problematik innerhalb der Linken für längst überfällig.“
Das ganze Statement gibt es hier zu lesen. Vielleicht läutet es tatsächlich eine weitere öffentliche, ebenso empathische wie kritische Debatte ein. Sie dürfte auch über Leipzig hinaus sehr hilfreich sein.
Bild-Credit: Conne Island-Facebook-Notiz