Statik Entertainment ist eines der ältesten Leipziger Labels. Doch große Posen waren noch nie die Sache dieser Institution für dubbigen Techno. Selbst im 15. Jahr ihres Bestehens blieb es gewohnt ruhig. Aber auch gewohnt liebevoll. Ein Label-Porträt.
Fünfzehn Jahre Statik Entertainment – was Anfang der Neunziger als fixe Idee entstand und 1994 in der ersten Platte mündete, hat sich zu einer sicheren Adresse für das weite Feld um Dub-Techno und Electronica entwickelt. Und es waren fünfzehn Jahre, die in eine überaus bewegende Zeit fielen, gerade wenn man die kulturtechnischen und wirtschaftlichen Umwälzungen betrachtet. Die Kommerzialisierung und Stilisierung von Techno zu einer Jugendkultur, die Rückkehr dieser Musik in ihre subkulturellen Nischen, der Niedergang der klassischen Musikindustrie, die rasante Digitalisierung unseres Alltags – all das bot den Kontext, den auch ein kleines Label wie Statik Entertainment nicht unberührt lässt.
Dass es überhaupt schon so lang geht, sieht Matthias Kretzschmar, vielen besser als Schubert bekannt, in einem banalen Punkt begründet: Es war immer sein Hobby gewesen und es ist es bis heute geblieben. Ein rein wirtschaftliches Interesse war nie die Intention Statik Entertainment zu betreiben. Allerdings haben sich über die Jahre so viele Erfahrungen und Kontakte angehäuft, dass das Label längst auf einem professionellen Level arbeitet und sich wirtschaftlich trägt. Jedoch immer nur in der Freizeit von Schubert. Die Miete verdient der Mittdreißiger woanders.
Startphase mit Hürden
Ein Techno-Label zu gründen war in Mitte der Neunziger ebenso glamourös wie heute, allerdings ungleich schwieriger. Damals gab es noch kein Schallplattenpresswerk in Leipzig vor der Haustür. Und die anderen deutschen Adressen waren mehr oder weniger geblockt von den Major-Labels und Szene-Größen. Labels mit kleinen Auflagen wurden meist wieder nach Hause geschickt. Die erste Statik-Platte wurde daher in einer tschechischen Fabrik gepresst – mit fünfmonatiger Verspätung und als Fehlpressung.
Damals teilten sich mehrere Labels die DAT-Kassetten für ihre Pressungen. Und so kamen neben den Tracks von S-Dyz – laut Schubert die erste TripHop-Platte des Ostens – auch Industrial-Stücke von einem anderen Label auf die Statik 01. Schubert setzte sich hin und ritzte Streifen über die fremden Tracks.
Ein denkbar schlechter Start für ein junges Label. Dennoch lief es gut, wohl auch, weil in dieser Zeit das Angebot an neuen Platten und Labels noch überschaubarer war. Das Presswerk in Tschechien arbeitete auch weiterhin höchst unberechenbar. In einer weiteren Lieferung waren plötzlich die fünf nächsten Veröffentlichungen auf einmal dabei. Finanziell beinahe der Ruin. Und auch beim Vertrieb war dieses Paket schwer unterzubringen.
Überhaupt war das Thema Vertrieb in den ersten Jahren eine Odyssee. Anfangs ging es ohne, später nahm sich Music Mail den Statik-Platten an. Doch ab der Nummer 10 wollten die Stuttgarter nicht mehr. Durch Christian Fischer kam dann der Kontakt zu Neuton, heute vertreibt Intergroove.
Daniel Stefanik und die Dub-Tiefen
Ebenso wechselhaft wie es hinter den Kulissen zuging, veränderte sich auch der Sound von Statik. „Mein Musikgeschmack hat sich über die Jahre gewandelt, und letztendlich veröffentliche ich immer nur das, was mir gefällt“, erklärt Schubert den stilistischen Werdegang des Labels. Für ihn sind düstere und nachhaltige Sounds essentiell. Ein Track muss eigen sein und sollte nicht einfach auch auf ein anderes Label passen.
Ein hoher Anspruch, gerade in letzter Zeit, da sich Statik in seinem Profil immer mehr auf Dub-Techno im weitesten Sinn festlegte und damit einen Sound lieferte, der in den letzten Jahren viel an Attraktivität gewonnen hat. Mittlerweile wird Dub-Techno für Schubert wieder weniger interessant: „Es passiert gerade nicht mehr viel Neues, es hat sich tot gelaufen. Ich könnte jetzt noch weitere Platten in dieser Richtung veröffentlichen, die sich alle gut verkaufen würden. Aber das finde ich nicht spannend.“
Dass sich bei Statik eine gewisse musikalische Linie herauskristallisierte, schreibt Schubert in hohem Maße auch seinem Freund Daniel Stefanik zu. Als großer Basic Channel-Fan war er diesem Sound schon länger verfallen und produzierte neben seinen funktionaleren Moon Harbour-Tracks auch dichte Dub-Tracks. Auf Statik konnte er sie veröffentlichen. Auch sein Debüt-Album „Reactivity“ trägt das Statik-Logo.
Und so ist Stefanik bis heute der einzige wirkliche Stammkünstler auf dem Label, das sonst eher auf ein loses Artist-Netz setzt. Viele Kontakte sind über die Jahre entstanden, andere kamen über das Internet oder über Demos zustande. „My Music Is My Space“ ist eine Compilation-Reihe in vier Ausgaben, die genau jene Tracks vereint, die Schubert auf Myspace überraschten und überzeugten – für ihn auch eine neue Facette des Labels. Früher war es weitaus schwieriger an neue Künstler zu gelangen. Heute sind sie manchmal nur wenige Klicks entfernt.
Statik Entertainment ist für Schubert zu einem Liebhaber-Label avanciert – kleine Auflagen mit limitierten farbigen Editionen für eine überschaubare Szene, die Wert auf Vinyl legt. Dem digitalen Markt verweigert er sich dabei keineswegs, immerhin verkaufen sich die Statik-Veröffentlichungen dort immer besser, während der Vinyl-Absatz stagniert.
Gefeiert wird woanders
Obwohl sich Statik Entertainment auch international einen guten Ruf erarbeitet hat, bleibt es in seiner Heimat Leipzig verhältnismäßig verborgen. Label-Partys gibt es nicht, weil Schubert dafür die Zeit fehlt und Daniel Stefanik definiert sich neben Statik auch noch über andere Labels.
Doch es sind scheinbare Nebensächlichkeiten, die Schubert viel zurückgeben: ein Statik-Fach im Berliner Hardwax oder im Freezone vor Ort beispielsweise, das Feedback der Fans. Sie zeigen ihm, dass er mit dem Label Teil einer Szene ist, und dass ist ihm mehr Wert als sich von dem Label ein neues Auto leisten zu können.
Müde ist er nach all den Jahren nicht. Neben Statik betreibt Schubert noch das Digital-Label Instabil, und erst kürzlich startete er mit Daniel Stefanik und Thomas Fröhlich den House-Ableger Stretchcat. Mit diesem Schritt wird Statik künftig noch mehr für einen technoideren Sound stehen.
Ganz untergehen wird das 15. Jubiläum übrigens doch nicht. Nur etwas verspätet wird es gefeiert – mit der Mix-Compilation „Deepentertained“, gemixt von dem Iren Leonid.
Statik Entertainment Myspace
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