In diesen Tagen feiert das Elipamanoke seinen zehnten Geburtstag. Im großen Interview schauen Betreiber Andy und Booker Sebastian zurück und zugleich zuversichtlich in die Zukunft.
Es ist ein Montag im März, der den Frühling andeutet. Kühl ist es, aber die Sonne schaut durch die Wolken. Also bleiben wir für das Interview einfach im Hof auf der Markranstädter Straße 4 und lassen uns von den Anfängen und Herausforderungen des Elipamanoke erzählen. Andy, der als Mentell seit vielen Jahren auch auflegt und mit seiner Dreikommanull-Crew vor über zehn Jahren Minimal Techno in Leipzig eine gute Heimat gab, ist mehr in die Rolle des Clubbetreibers reingerutscht. Heute sieht er es als einzig richtige Berufung an, auch wenn es nicht immer leicht war.
Neben ihm: Sebastian, er unterstützt Andy beim Booking und Design. Bei Mottt.fm war er vorher mit involviert und ist bestens in der lokalen Elektronik-Szene vernetzt. Reflektiert und offen schauen sie zurück. Zurück auf die heimelige Atmosphäre der ersten Location, die für nicht wenige ein Club-Wohnzimmer war, das heute durchaus in der Stadt fehlt. Andy und Sebastian sind aber auch klar in der Gegenwart: die ist nicht unbedingt leichter, aber es wurden ein paar Weichen gestellt, die dem Elipamanoke in Zukunft gut tun dürften. Davon erzählen sie aber besser selbst.
Mit beim Interview war auch wieder Gregor Barth mit seiner analogen Leica-Kamera. Er hat einige Porträts in Schwarz-Weiß abgezogen und war sogar letztes Wochenende noch einmal nach einer Party dort, um den „Morning after“ im Elipamanoke zu dokumentieren. In der Mitte des Interviews gibt es diese farbigen Aufnahmen als Mini-Ausstellung. Friederike hat bei den Fragen mitgeholfen, danke dafür.
Ach, es gibt natürlich auch ein langes Geburtstagswochenende. Isolée, Xosar, Benedikt Frey, CVBox und viele mehr werden da spielen.
Hättest du vor zehn Jahren gedacht, dass du heute hier sitzt und es das Elipamanoke immer noch gibt?
Andy: Das hätte ich auf keinen Fall gedacht. Die Intention war damals, einen Raum zu suchen, in dem ich mit meinem Kumpel zusammen Musik machen kann. Dass es am Ende eine Fläche in einem Wächterhaus wird, die nur zum Musikmachen viel zu groß war, hätte ich damals schon nicht gedacht. Auch der Wechsel von der alten zur neuen Location war ein Meilenstein. Da waren plötzlich ganz andere Möglichkeiten da und man musste ganz anders arbeiten.
Eigentlich war es ein Proberaum?
Andy: Genau, zum Produzieren und Auflegen üben. In der Südvorstadt gab es damals die „Illegale Freitagsbäckerei“, wo viele Geburtstage stattfanden. Da hatten wir mit Dreikommanull auch aufgelegt und das war so schön klein und niedlich. Als sich dann parallel der Raum im Wächterhaus ergab, dachte ich, dass das eine geile Geschichte sei. Am Anfang sollte es eine DJ-Lounge sein, wo man zusammenkommen, netzwerken, auflegen und trinken kann – an eine Tanzfläche habe ich nie gedacht. Gleich bei der ersten Veranstaltung, der Präsentation des Wächterhauses, waren aber ganz schnell die Möbel beiseite gerückt und die Leute haben angefangen zu tanzen.
Und dann wurde es regelmäßiger?
Andy: Bewusst habe ich das nicht gesteuert, aber meine Telefonnummer machte recht schnell die Runde. Viele Leute hatten den Raum mitbekommen und fragten wegen Geburtstagsfeiern an. Am Anfang war das Eli eine Geburtstagslocation. Mottt Mottt.fm waren die ersten, die eine Veranstaltungsreihe etabliert haben – monatlich gab es den Motttschnitt, bewusst am Freitag, um ein wenig außerhalb der Konkurrenz mit elektronischer Musik zu sein.
Das Wächterhaus wurde später verkauft – war klar, dass es an einem anderen Ort weitergehen soll, vielleicht auch in einem größeren Rahmen?
Andy: Für mich gab es zu dem Zeitpunkt zwei Seiten: Ich fühlte mich nach den ersten vier Jahren schon ganz schön ausgebrannt, zugleich hatte ich mir durch die Vereinsarbeit eine feste Stelle etabliert. Prinzipiell machte es mir Spaß und ich wollte weitermachen – gern an einem ähnlich großen Ort. Kurz bevor wir aufgehört haben, waren wir zwei Leute, die alles mit Ach und Krach gestemmt haben. Es gab aber keine bewusste Suche nach einer größeren Location. Ich kannte das Gelände in der Markranstädter Straße von unseren ersten Dreikommanull-Partys 2005 und 2006.
Das war mein erster Anlaufpunkt bei der Suche. Wir hatten im Wächterhaus das Glück, dass uns noch ein Jahr verlängert wurde – so waren wir insgesamt 4,5 Jahre dort. Hier auf dem Hof war es damals so, dass die Werkshalle, in der Sachsencase seine Werkstatt und Proberaum hatten, leer stand. Und das kam mir wie gerufen. Dann habe ich alle Energie darein gesteckt, um für die Räumlichkeiten einen Mietvertrag zu bekommen – das war ein langer Kampf. Ohne die jahrelang geleistete Vorarbeit im Verein hätten wir keine Chance gehabt, den kleinen Club in die Markranstädter Straße umzusiedeln.
Irgendwann hat es aber geklappt, dann haben wir mit Blut und Schweiß umgebaut. Erstaunlich war natürlich die Reaktion bei der Eröffnung. An eine Situation kann ich mich besonders gut erinnern: Ein Bekannter von mir drehte sich dreimal im Kreis und meinte dann ‚Das alte Eli war schon geiler, oder?’ Und dass, nachdem ich hier ein halbes Jahr lang gerockt habe. Es war klar, wo es herkam: Man nimmt den Leuten das weg, woran sie sich in den Jahren davor gewöhnt haben – das kleine sympathische und abgerockte Wohnzimmer war plötzlich nicht mehr da. Dementsprechend gab es erstmal nur Gemecker.Wie habt ihr das abgefangen?
Andy: Das waren Reaktionen aus der einen Richtung, es gab aber auch positive Reaktionen. Es hat uns extrem motiviert, in einem halben Jahr dieses Loch hier für Veranstaltungen fit zu machen. Außerdem hatten wir bereits im alten Eli ein paar Reihen aufgebaut und die Crews auch in die neue Location mitgenommen. Dadurch wurde auch eine Brücke geschlagen. Die Crews sind uns treu geblieben und haben den neuen Ort auch mitentwickelt.
Wie war die Szene in der Zeit?
Andy: Wir hatten damals noch kein so definiertes Publikum, weil wir uns erst seit 2012 fast 50 Prozent der Veranstaltungen selbst austragen. Damals war das Programm noch von den Nachfragen anderer Veranstalter geprägt. Von da her gab es nicht das Stammpublikum, wie sich das die Distillery aufgebaut hat. Es war für die Leute schwer greifbar, wofür das Eli eigentlich steht. Viele waren vielleicht etwas verunsichert oder vor dem Kopf gestoßen, als es hier größer wurde. Wir hatten auf jeden Fall das Publikum, dass hierherkommt, um Spaß zu haben und alles aus sich herauszulassen.
Würdest du sagen, dass ihr jetzt eher ein Stammpublikum habt?
Andy: Ich glaube, dass entwickelt sich gerade gut. Dadurch, dass ich erst jetzt wieder Nachtdienste übernehme, gehe ich wieder auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Bei meinem Team aus dem Nachtdienst oder der Bar und Security wird aber schon von Stammpublikum gesprochen. Das ist natürlich ein positives Feedback.
Das alte Superkronik betreut ihr ja auch – wie kam das?
Andy: Im März 2012 ging es hier mit dem neuen Eli los und etwa ein Jahr später standen die Räume im Hof gegenüber leer. Vorher waren Proberäume drin. Das war eine Kurzschlussreaktion, ich dachte, bevor das eine andere Crew oder Studentenvereinigung für Partys nutzt, nehme ich das. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, ohne an Zahlen zu sitzen und zu fragen, ob ich mir das leisten kann. Einfach erstmal haben. Ganz schnell war aber klar, dass wir uns damit gute Möglichkeiten geschaffen haben. Es ist in Leipzig recht einmalig, dass auf einem Hof auf der linken und rechten Seite jeweils eine Location ist. Wir sind auch flexibel, können größer und kleiner sein oder zwei verschiedene Partys auf einem Hof stattfinden lassen. Den Vorteil haben wir ausgereizt.
Konntest du auf die Erfahrungen mit den Dreikommanull-Partys für das Eli aufbauen?
Andy: Im Grunde haben mir die Erfahrungen aus den zwei Dreikommanull-Jahren haben mir den Weg geebnet. Die ganzen wirtschaftlichen und buchhalterischen Grundlagen waren bei mir nicht vorhanden. Es gab kein BWL-Studium, keine Erfahrungen aus der Gastronomie.
„Ich bin ein Quereinsteiger – wie viele andere wahrscheinlich auch.“
Zehn Jahre sind für Leipziger Verhältnisse eine durchaus lange Zeit, wie hält man das konstant am Leben?
Andy: Dreh- und Angelpunkt ist definitiv ein stabiles Team. Das hat sich über die Jahre geformt und herausgebildet. Tatsächlich kann man bei einem größeren Laden schnell den Überblick darüber verlieren, wie viele partizipieren und freiwillig Energie reinstecken. Da läuft nicht immer alles glatt. Die meisten, die zustoßen, haben das erste Jahr gut Energie, danach lässt es nach. Problematisch sind Leute, die die Arbeit im Club sympathisch finden, aber sich hauptsächlich darüber profilieren wollen oder Probleme mit Konsum haben. Die Nacht- und Clubarbeit ist immer ein zweischneidiges Schwert. Das herauszufiltern und so viel Menschenkenntnis zu sammeln, hat bei mir ein paar Jahre gedauert. Ich bin auch nicht der typische Chef, ich habe mich mehr oder weniger dahin entwickeln müssen, klare Ansagen zu machen und Struktur reinzubringen. Es gab einen kleinen Knick um 2014. Das haben wir aber genutzt, um unsere Konsequenzen zu ziehen und das Blatt zu wenden.Knick im Sinne eines Besuchereinbruchs?
Andy: Eher im Sinne eines Publikums, das man nicht unbedingt im Laden haben möchte. Wir haben zu spät erkannt, dass es aber doch bei uns war. 2013 war bei uns ein Bombenjahr, 2014 kam dann der Knick, auch etwas mit einem schlechten Ruf verbunden. Der kommt innerhalb einer bestimmten Zeit zustande, und diese Zeit mal Zehn gerechnet, braucht es mit harter Arbeit, um das Blatt zu wenden. Diese Schwelle haben wir seit einiger Zeit überschritten, denke ich. Da muss man eben konsequent sein und aufräumen – und das habe ich von innen nach außen gemacht. Wir haben mit einem völlig frischen Team angefangen und uns über die letzten Jahre in eine sehr positive Richtung entwickelt.
Sind das Routinen, durch die man den Blick dafür verliert, wenn etwas in die falsche Richtung geht?
Andy: Sicherlich kann Routine blind machen. Entscheidend war auch der Faktor, dass das Eli größer geworden ist. Und das Bewusstsein, dementsprechend vorhandene Strukturen anzupassen, ist nicht von gestern auf heute da gewesen. Es gab viel mehr zu beachten als vorher und das hatte viel von mir abgefordert. Da ist es schwierig, den Blick auf das Große und Ganze nicht zu verlieren.
Rückblickend war es so, dass ich 2013 noch in einer Art Hype war, bei dem ich das Gefühl hatte, es läuft gut und die Geschichte trägt sich finanziell. Ich glaube, da habe ich etwas nachgelassen und die eigene Betreuung ein Stück weit vernachlässigt. Dadurch habe ich den gesamten Überblick verloren. Ich war sicher auch nachts einige Male zu wenig da. Am Ende habe ich es doch erkannt. Und wenn ich etwas erkenne, schalte ich recht schnell um. Das geht dann schlagartig, worüber ich auch froh bin.
Was waren neben dem Bruch die größten Herausforderungen in den vergangenen zehn Jahren?
Andy: Im letzten Jahr hatten wir noch an Altlasten zu knabbern. Das hat sich hingezogen und das Ende der Fahnenstange ist in Sicht. Aber kurzzeitig war es schon so, dass ich über eine Insolvenz nachgedacht habe. Der Betrag war zwar noch nicht so groß, dass es sich gelohnt hätte, aber der Sommer kam, ich wollte in den Urlaub fahren und eine Woche davor wurde das Konto eingefroren. Dann fliegen Schätzbeträge auf einen zu, bei denen ich nur dachte, was wollt ihr – ich kann nicht mehr als arbeiten. Aber wir sind knallhart und eisern geblieben und haben uns durchgebissen. Was es natürlich nicht leichter gemacht hat, ist, dass in den letzten zwei Jahren das So&So und Institut fuer Zukunft dazu gekommen sind. Das macht es für so viele Clubs in einer recht kleinen Stadt schon schwierig.
Aber gab es einen Moment, an dem du keine Lust mehr hattest?
Andy: Nein, es gab keine ernsthaften Überlegungen aufzuhören. Es ist nach wie vor meine Berufung, ich habe so ein breites Spektrum an Arbeiten, dass ich von Langeweile und Routine gar nicht reden kann. Jede Veranstaltung ist anders, in jeder Woche wird etwas anders geplant.
„Die Routine geht unter – es gibt sie, aber erdrückt einen nicht.“
Wer sind aktuell noch wichtige Leute im Elipamanoke?
Andy: Zum Großteil wird er von Lars Goldammer und Chris Manura gestemmt, die sich in die meisten Nachtdienste reinteilen, was eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe ist. Die halten den Laden am Laufen. Was Ideenfindung und Veranstaltungskonzeption betrifft, helfen mir Sebastian und René mit. Mit den beiden versuche gerade auch, ein interessanteres Booking zu machen, damit der Laden noch ein anderes Standing bekommt und vielleicht auch mehr in der Künstlerszene akzeptiert wird. Im Hintergrund arbeitet auch meine Frau zwei Tage im Büro mit, sie ist eine meine wichtigsten Ratgeberinnen – in allen Belangen, was den Laden angehen. Und auch Petra ist wichtig, sie macht die Buchhaltung. Sie ist als Mensch auch nicht mehr wegzudenken.
Würdet ihr sagen, dass das Elipamanoke für einen bestimmten Sound steht?
Sebastian: Wir sind gerade dabei, den zu finden. Nachdem das So&So und IfZ aufgemacht haben, hat das vielleicht nicht mehr funktioniert, dass man hier einfach Veranstaltungen und Fremdveranstaltungen mit einem wechselhaften Publikum drin hat und den Laden nicht so richtig greifen kann. Da sind wir gerade dabei, herauszufinden, wie wir das Booking mehr selbst in die Hand nehmen und schauen, was zu dem Laden passt. Das passiert allumfassend, auch von der Corporate Identity her und der Gestaltung der Räume.
Wo würdet ihr gern hinkommen mit dem Sound?
Andy: Das ist schwierig. Das offene und aufgeschlossene ist, glaube ich, für keinen Laden in der Stadt wegzudenken. Auch das IfZ dürfte an seine Grenzen kommen, nur Dark Techno und nerdy Kram anzubieten. Es ist aber seit einem Jahr eine starke Nachfrage nach Techno spürbar. Nicht nur die Nachfrage, auch das Angebot. Irgendwie spielen gerade ganz viele Techno und darauf versuchen wir uns auch, etwas einzustellen.
Sebastian: Trotzdem ist es auch spannend, genau das zu brechen und im Techno-Keller House zu machen.
Andy: Ja, wir wollen aber nicht nur nach den Trends schauen, sondern auch selbst Trends setzen. Mit der ‚Made to Fade’-Reihe probieren wir das. Das ist finde ich auch wichtig für die Philosophie hier: Bei diesem ganzen Agentur-Konglomerat, das man mit hohen Anforderungen und unverschämten Gagenvorstellungen bedienen muss, ist für mich schon die Frage, wie man da dagegen steuern kann. Warum machen wir einen Club und warum haben die Agenturen noch nicht begriffen, ihre Preise ein Stück weit den Läden anzupassen. Aus meiner Sicht ist die ‚Made to Fade’-Reihe ein kleiner Arschtritt gegenüber den Agenturen, den ich auch gern unternehme. Das Konzept ist Musik, Namen gibt es nicht. Es geht darum, mit so einem Konzept das Vertrauen der Leute zu erhalten, wo sie sich darauf verlassen können, dass es geile Musik gibt. Was für Namen dastehen, spielt keine Rolle. Das ist für uns ein interessanter Ansatz, am Ende will natürlich jeder Laden, dass man machen kann, was man will und die Leute kommen, weil sie einem vertrauen. ‚Made to Fade’ ist ein Schritt in diese Richtung.
Und das geht auch auf?
Andy: Ja. Ich glaube, dass ist auch nicht nur für die Gäste interessant, sondern auch für die Künstler, an die wir herantreten und denen wir das anbieten. Das Feedback ist schon, dass sie den Ansatz sympathisch finden und selbst gar nicht so viel Wert darauf legen, dass ihr Name auf dem Flyer steht. Das finden alle Seiten spannend.
Sebastian: Das geht auch etwas zurück zu den Ursprüngen von Techno, als es noch keine Stars gab. Anfangs war es ja so, dass die Leute nicht in Richtung des DJs getanzt haben, sondern einfach im Raum. Der DJ stand überhaupt nicht im Mittelpunkt, sondern nur die Musik.
Aber im daily business geht es dann blöderweise doch nicht ohne Namen, oder?
Andy: Ja. Wir sind aber auch froh, geile Namen zu haben. Acid Pauli war für mich eine schöne Nummer. Im April kommt auch Magda zu uns. Das ist für mich zweischneidig – eigentlich möchte man das viele Geld nicht zahlen, aber am Ende freue ich mich bei solchen Nummern auch über eine gewisse Referenz, die der Laden durch solche Bookings zusätzlich erfährt.
Zweischneidig, weil es so teuer ist?
Andy: Ja, auf der Seite mache ich ‚Made to Fade’ und möchte das nicht bedienen, auf der anderen Seite bediene ich es volle Kanne. Am Ende ist es ja bei jedem Laden so. Überall gibt es große Bookings in der Stadt. Es ist natürlich bei der Abwicklung noch einmal eine ganz andere Herausforderung. Die Künstler sind anspruchsvoll – das macht es auch wieder spannend.
„Auch das Risiko, ob man ein teures Booking stemmen kann, schafft einen Reiz. Der ist auch wichtig.“
Was motiviert euch weiterhin, auch nach zehn Jahren?
Andy: Der nächste Schritt motiviert uns, also Bookings anders anzugehen, die Stadt anders anzufassen, Tuchfühlung mit Künstlern aus dem IfZ und Conne Island. Spannend ist auch, dass sie kommen. Ich weiß nicht, ob sie das schon vor einem Jahr getan hätten, aber jetzt kommen sie gern, habe ich das Gefühl. Das motiviert unheimlich. Natürlich gibt es viele To-Do-Listen, aber ich möchte nur die kreative Seite ansprechen. Und die ist unerschöpflich. Das hält uns am Leben, das ist der Wahnsinn. Die Location erschöpft sich zum Glück noch nicht – wir wollen neue Nischen und Rückzugsräume für die Leute bauen und da gäbe es noch viele weitere Ideen.
Ihr seid hier auch safe?
Eine 100-prozentige Sicherheit habe ich nicht, aber vor dem letzten großen Umbau Anfang 2015 habe ich mich mit den Eigentümern getroffen und gesagt, dass eine Investition ansteht. Da brauchte ich Sicherheiten, um planen zu können. Es wurden auch Worst Case-Szenarien besprochen. Letztendlich haben die Eigentümer über dem Eli eine sehr kostenintensive Dachrenovierung gemacht – das macht man nicht, wenn man weiß, dass das Ding hier in fünf Jahren gegessen ist.
„The morning after“
Gregor Barth
Was waren eigentlich die Intentionen für den letzten Umbau?
Andy: Wir hatten das Problem, dass die Anlage immer größer wurde und im Tanzraum auch die Bar war. Am Ende hat die Bar nicht mehr als ein Ort funktioniert, an dem eine gute Kommunikation mit dem Gast stattfinden konnte. Teilweise hat man sein eigenes Wort nicht mehr verstanden.
Das ist nicht optimal, um sich als Gast im Club wohlzufühlen und als Personal dort zu arbeiten. Also haben wir Bar und Tanzraum separiert. Vorher waren wir mit dem DJ-Pult von der Position her sehr eingeschränkt. Jetzt sind wir mit einem rollbaren DJ-Pult flexibler, was im Zentrum steht, wenn nichts live passiert, was aber auch dezentral stehen kann, wenn es daneben noch eine Bühne braucht. Das kam auch bei den Gästen auch gut an. Natürlich gab es hier auch erstmal Gemeckere, ein Jahr später war dann wieder alles positiv.
Beim alten Superkronik wollten wir die Idee mit dem DJ-Pult in der Mitte ausprobieren. Mit dem Umbau wollten wir unseren zweiten Floor so stark aufwerten, dass sich das auch positiv auf das Eli auswirkt. Die größte Intention war, beides als Einheit zu sehen und das Kronik nicht mehr separat zu vermieten. Es sollte für die Leute greifbarer werden, dass wir mehr Bookings selbst machen und dass wir immer zwei Floors anbieten, egal wie voll es wird. Genau das geht gerade voll auf.
Hat das Eli eigentlich Residents? Außer dich, Andy, und Kleinschmager Audio habe ich eigentlich niemand richtig als Eli-Resident auf dem Schirm.
Andy: Lars Goldammer, Kleinschmager Audio, Efka, Nienein, Fujimi, Mathias Ache & Mule, Mori Schönwald, Osci aus Halle, Hötsche und auch Chris Manura.
Sebastian: Es ist auch schwierig. Es ist nicht wie in anderen Clubs, wo gesagt wird, dies sind jetzt unsere Residents. Aber es gibt schon einige Leute, die regelmäßig hier spielen und sich mit dem Laden identifizieren.
Es wird nur nicht so sehr nach außen kommuniziert.
Andy: Genau, das gibt es noch nicht. Die machen auch alle einen super geilen Sound, aber da können wir uns auch verbessern, damit sie etwas zurückbekommen. Und damit die vielleicht auch mal von auswärts gebucht werden.
Sebastian: Das gehört mit in die Suche nach unserem Sound und der Frage, was für Veranstaltungen wir gern machen möchten. Nach dem Sommer werden wir das hoffentlich besser strukturieren, auch mit neuen Reihen, bei denen die Leute genau wissen, was sie an diesem Abend erwartet. Das ist aber alles work in progress.
Andy: Das heißt, dass wir einer Crew gerne einen Floor komplett in die Hand geben, insofern es das Gesamtkonzept ausdrucksstark ergänzt, vor allem musikalisch. Da gibt es dann einigen Spielraum für die Aktiven, ein gutes Programm auf die Beine zu stellen. Gute Erfahrungen haben wir z.B. mit der Atopie-Crew, den Jungs von Station Endlos, dem Nice Collective und auch der INAR Booking-Crew gemacht. Variablen Licht- und Dekorationskonzepten sind da auch keine Grenzen gesetzt. Wir lieben es, wenn sich Crews mehr als nur mit gutem Sound einbringen.
Könnt ihr sagen, ob und wie sich euer Publikum in den letzten Jahren verändert hat?
Sebastian: Durch die Fremdveranstaltungen ist eigentlich jedes Mal ein anderes Publikum da. Es gibt zwar einen Kreis an Stammpublikum, den ich aber auch nicht recht genau definieren könnte. Es gibt aber eben auch eine große Masse, die bookingabhängig kommt.
Andy: Ja, so sehe ich das auch. Es ist abhängig von den Bookings und den Veranstaltungsreihen. Mit dem Klub Balkanska, den Drum & Bass Partys und unseren eigenen Veranstaltungen sprechen wir ein relativ buntes Spektrum an Leuten an. Aber bei mainstreamigen Veranstaltungen, wie mit Sascha Braemer, ist hier schon ein ganz anderes Publikum als sonst da.
Sebastian: Ich fände es gut, wenn wir es schaffen, dass sich das Publikum vermischt und sich nicht so elitär abgrenzt. Ich bin prinzipiell auch dafür, hier etwas mehr Türpolitik zu machen und auszuchecken, warum die Leute hier sind. Aber wenn sie die Musik mögen, sind sie hier erstmal mit offenen Armen zu empfangen und sollen sich auch miteinander wohlfühlen. Egal ob sie studieren, Künstler sind oder unter der Woche auf Montage sind.
„Es soll ein Ort sein, wo sich verschiedene Leute wohlfühlen können.“
Andy: Wie alle Läden der Stadt hatten wir in letzter Zeit auch mit Gästen mit Migrationshintergrund einige Probleme. Das hat unseren Fokus noch einmal auf den Gast an sich geschärft. Bei der Soft Skills-Party hatten wir 15 Leute, die von Antanzen, Diebstahl, Dealerei bis zu Falschgeld alles bedient haben. Die Probleme treten woanders ständig auf, bei uns war es sonst nicht ganz so verbreitet, aber an dem Abend war es krass.
Sebastian: Das war auch ein Abend, bei dem wir nicht damit gerechnet haben. Smallpeople waren da und wir dachten, es kommen nur nette Menschen, die House hören wollen. Da waren wir schon etwas überfordert, wie wir die unangenehmen Leute nun raus bekommen. Es waren auch viele Leute da, die seit Jahren nicht mehr bei uns waren und denen es eigentlich gefiel und dann passierte genau das.
Andy: Da haben wir reagiert. Durch Albrecht Wassersleben aus Dresden habe ich ein interessantes Konzept entdeckt. Er hatte mich zu einer Mittwochsparty eingeladen und meinte, dass er ein Konzept hat, das komplett auf die Gäste ausgerichtet ist. Wenn es Probleme gibt, gibt es dort beispielsweise ein Codewort. Wenn man das an der Bar sagt, wissen die Leute dort sofort Bescheid, dass sie sich darum kümmern müssen. Die Security und das Barpersonal sind geschult. Für seine Partys hat er einen Ansprechpartner für die Nacht, der unauffällig auf die Situation eingeht und den- oder diejenige in einen Rückzugsraum holt, wo die Geschichte geklärt wird. Den Ansatz fand ich super.
Sebastian: Genau, ich hatte vorher auch schon von einer britischen Initiative namens ‚Ask for Angela’ gelesen, später gab es dann auch in Münster eine deutsche Variante. Wir haben daraufhin Karten drucken lassen, die nun auf das Codewort ‚Ask Elisa’ hinweisen, mit dem man sich an die Bar wenden kann, um aus unangenehmen Situationen herauszukommen und um diese zu klären.
Andy: Das ist noch in der Pilotphase, aber wir fahren das seit einigen Veranstaltungen. Es lässt sich noch optimieren, aber es gibt viel positives Feedback. Unser Ziel ist es, vielleicht über die LiveKomm einen einheitlichen Standard für die Leipziger Clubs zu schaffen. Das hätte sicherlich das Potential, dass es auch in der Stadt auf die Leute überschwappen würde, die stören möchten. Wir schauen ganz genau auf unsere Gäste. Das ist für uns ein großes Ziel in den nächsten Monaten, dass sie hier einen Ort finden, wo sie Toleranz und Freiheit erfahren können.Wie würdet ihr die Entwicklung der Leipziger Szene in den letzten zehn Jahren einschätzen?
Andy: Ich würde da gern die Unüberschaubarkeit ansprechen – an Produktionen, die rauskommen und damit verbunden an immer neuen Künstlern, die an die Oberfläche kommen. Es ist nicht nur für Clubbetreiber und Booker schwer, den Überblick zu behalten und ein Gefühl dafür zu haben, was gerade angesagt ist. Auch beim Publikum hat diese Entwicklung zu einer Überforderung geführt. Es ist nicht so wie bei uns vor 10 bis 15 Jahren: Die Anzahl an Stars, zu denen man gehen wollte, war überschaubar. Man kannte die ganzen Namen, das ist heute nicht mehr so. Dementsprechend hat sich auch das Publikum mit seiner Herangehensweise in einen Club zu gehen verändert. Das ist mir stark aufgefallen.
Sebastian: Am Anfang war das Eli auch noch ein Knotenpunkt. Da gab es, soweit ich weiß, nicht viel anderes in der Größe, wo sich Leute im kleinen Rahmen getroffen haben. Damals haben auch schon Leute wie Daniel Stefanik, Manamana, Lake People und viele andere bei uns gespielt, heute gibt es die Blaue Perle, Goldhorn und Pracht, eine Zeitlang auch die Ostapotheke – ein Haufen Läden in einer ähnlichen Größe also, wo spannende Sachen passieren. Dadurch ist natürlich viel mehr Diversität in der Szene gegeben, die eingefangen werden muss. Da muss man schauen, ob das zu dem Publikum hier passt, zieht das überhaupt oder sind das nur kleine temporäre Dinge, die in anderthalb Jahren wieder vergessen sind. Das alles im Blick zu behalten, macht den Job auf jeden Fall spannend.
Andy: Was ich auch spannend finde, ist das neue junge und frische Publikum, das vom Alter her auch meine Kinder sein könnte. Tatsächlich ist es so, dass wir hier zwei Veranstaltercrews haben, die genau dieses Publikum mitbringen. Es ist schwierig mit denen umzugehen. In deinen Anfangsjahren testest du viele Grenzen aus, was den Konsum in jegliche Richtungen angeht und junge Menschen verhalten sich einfach anders als 30-40-jährige. Das ist aber trotzdem unsere Zukunft und die müssen auch irgendwie an unsere Subkultur herangeführt werden. Es ist spannend zu sehen, auf welche Musik die abfahren: Die hören viel Drum & Bass und Dubstep, sind aber auch technoaffin.
Sebastian: Stimmt, da passieren gerade viele spannende Sachen, gerade auch, weil Trap derzeit so angesagt ist, was ja eine Schnittstelle zwischen Rap, gebrochenen Beats und elektronischer Musik ist. Das zieht gerade sehr und bringt viele Leute mit frischen musikalischen Ideen rein. Auch die vielen Open Airs sind hauptsächlich von jungen Leuten organisiert. Viele probieren sich erstmal draußen auf der Wiese aus. Das ist für uns auch interessant zu schauen, wen man davon vielleicht auch in den Laden holen kann.
Andy: Da sind die jungen Crews sogar kooperativer. Die kommen in den kalten Monaten auch in die Clubs und bringen das Potential mit her. Das finde ich gut. Viele Crews, die schon seit Jahren illegal abfischen, machen das nicht.
„Die jungen Crews sind trotz ihres Alters so blickig, ich bin mega erstaunt, was die alles schon auf dem Schirm haben. Das hat eine gute Energie.“
Ist Leipzig ein gutes Pflaster, um einen Club zu betreiben?
Andy: Ein schwieriges, würde ich sagen. Leipzig ist für mich die sympathischste Stadt im Osten und auch eine gute Stadt, um in der Subkultur aktiv zu sein. Dafür ist es definitiv eine sehr gute Stadt, anders als Dresden. Dadurch geht vieles sicherlich leichter, aber die Konkurrenz ist viel größer und die Messlatte liegt weit oben.
Sebastian: Musikalisch ist der Anspruch auf jeden Fall viel höher als in anderen Städten. Die Leute setzen sich hier viel mehr mit der Musik auseinander. Gefühlt ist die Quote Club pro Einwohner größer als in Berlin.
Was sind eure Pläne für die nächste Zeit?
Sebastian: Noch mehr spannende Künstler buchen, unsere Residents aufbauen, ein neues Lichtkonzept und eine besser klingende PA.
Andy: Ja, da habe ich ein Jahr lang darunter gelitten, nicht investieren zu können. Aber da soll es demnächst auch ein System sein, das alles abdeckt – im Drum & Bass-Bereich müssen wir aktuell immer aufstocken. Da ist der Abstand zu den anderen Läden noch größer. Zum Ende des Jahres schauen wir danach. Natürlich wollen wir auch räumlich weiter ausbauen, um es den Leuten noch angenehmer zu machen. Ansonsten organisieren wir wieder das ZilpZalp-Festival, weiterhin gemütlich und kostenlos, nur mit Einladungen von Freunden. Das könnte im nächsten Jahr vielleicht noch größer werden. Denn es gibt für den Südraum Leipzig interessante Fördermöglichkeiten, wo wir mit dem Festival genau reinpassen.