← ZurückLifeLife

Autor:in

Antoinette Blume
Alles, immer, gleichzeitig und umgekehrt-nacheinander: Autorin, Journalistin, Redakteurin, Moderatorin und Podcasterin.

Teilen

Afterhour #8 Liebe, Techno, Leipzig – X*

01. August 2017 / Kommentare (5)

Das Leben, speziell die Nächte stecken voller Ambivalenzen. Davon handelt auch die neue Ausgabe unserer Afterhour-Kolumne.

Ambivalenz ist eines der Worte, die außerordentlich gut zum Nachtleben passen. Ambivalenz ist dazu eines meiner liebsten Worte. Für mich fühlen sich viele Situationen ambivalent an, gerade beim Feiern. Das Tief nach dem Hoch, das Hoch nach dem Tief, die Liebe zum Ausgehen, manchmal überschwänglich, manchmal desaströs, das Satt-sein danach, unterschwellig-stumpf, die Angst und die Aufregung, das schlechte Gewissen und der Genuss. Ambivalenz trifft das folgende Portrait ebenfalls so gut wie schlecht.

Dazu kommt, es ist Sommer, man möchte von Drogen und Sex, Open-Airs und durchtanzten Nächten lesen und hören, nicht über Klausuren und Geld nachdenken, alles weniger ambivalent und dafür positiv halten. Sex und Drogen – bekommt ihr. Die mitgeschleifte Portion Ambivalenz zwangsweise auch, geht aufs Haus, könnte man sagen.

Steckbrief
Lieblingsclub?Distillery, Institut fuer Zukunft
LieblingsdrogeKeta(min), „G“

Callcenter und Eskapismus
X ist jung, schön, kinky, scheinbar reflektiert, im Nachtleben integriert, natürlich nur in schwarz angekleidet, sehr präsent, eine Art Balletttänzer im Club, 19 Jahre alt (wohl eher jung) und seit zwei Jahren regelmäßig im Berghain, der Distillery und im Institut für Zukunft unterwegs. Was schon mal einigermaßen unfassbar für mich ist, da ich selbst mit 23 zum ersten mal vor Sven Marquardt stand (und Fangirl-like zur Vorbereitung seine Biografie las und fünf bis zehn Schnaps vor Aufregung trinken musste. Sidenote: Sven Marquardt und ich haben am gleichen Tag Geburtstag) und bis dato nicht viel vom Feiern in Electroclubs wusste. Anders ist es bei X – der, schon viel früher als ich, den „Club als Schutzraum“ entdeckt hat. Eben diese Art von Räumlichkeit, die man zum Eskapieren braucht, die andere, magische Welt, die sich vom Callcenter-Alltag abgrenzt.

Ketalympics
Über die Musik kam X zu Technopartys, via der ausschweifend langen Parties zu den Drogen. Nicht ganz unbekannter Werdegang, wenn man sich die Mitfeiernden der historisch gewachsenen (und ebenso neuen) Clubs Leipzigs oder Berlins so anschaut.

Auf die typischste aller Afterhour-Fragen „Was ist deine Lieblingsdroge?“ antwortet X mir prompt: Keta(min). In der Vergangenheit zwar vieles versucht, viel vermischt, viel genossen – jetzt ausschließlich Keta. Diese Aussage deckt sich mit meinen letzten beobachtenden Erfahrungen in Leipzig – Keta is the place to be, the stuff to see und das Must-Have im dunklen Rauschnebel. Die eher dissoziative, gleichzeitig interessante Droge ist gerade bei jungem Publikum extrem gefragt. Dunkel, drauf, laut, Techno. Mehr braucht es manchmal nicht, und wenn doch, kann man sich für den globalen Abriss entscheiden, für die Ketalympics im Club. Von Toilette zu Toilette, im Kreis wandern, Keta ziehen und warten, wer und ob jemand gewinnt.

En Vogue: Der Darkroom
Apropos. Eine einigermaßen kredible Darkroomexpertise fehlt mir zwar (leider), aber dafür kann mir X von seinen (seinerseits krediblen) Erlebnissen berichten. Ein Darkroom gehört für X zum Cluberleben dazu, zum Hedonismus im Nachtleben.

Die fehlende Anonymität erschwert das aktive Darkroom-Treiben in Leipzig zwar, aber zeitweise gibt es Angebote, die mehr oder weniger verhalten genutzt werden. „Den Typen, den ich Montag noch im Darkroom gefistet habe, dem möchte ich Dienstag nicht bei Bäcker Wendl begegnen“, lacht X. In Leipzig also (noch) nicht ganz so einfach. Das kann ich gut nachvollziehen und nicke zustimmend: Klar. Schmusen auf der Toilette kann schon eher auch in Leipzig zum aufregenden Zeitvertreib werden. Zum Leidtragen (oder Verzücken) aller vor der Tür Wartenden. In diesem Fall gibt es ganz real zwei Seiten: Einmal vor, einmal hinter der Tür. Womit wir wieder am Anfang wären.

So war das, als wir uns im Januar zum Interview trafen. Passend-widersprüchlich zog sich die Freigabe des Textes bis August.

*Name und Foto auf Wunsch des Interviewten anonymisiert

Fragen und Antworten zu Ketamin, GBL, GHB und anderen Drogen, ebenfalls Infos zu Sex in Verbindung mit Drogen gibt es hier:
https://www.drugcom.de/?uid=47fd9a09c12d1084eb07f9ddc7743bac&id=start
http://www.bzga.de/bot_suchtpraevention.html
http://drugscouts.de/de/substanzen
http://drugscouts.de/de/page/drogen-sex

Foto von Henry W. Laurisch
Artwork von Manuel Schmieder

CommentComment

  • NKM / 07. August 2017 / um 18:48
    was für ein spannender text. X mag keta, sex und das berghain...
  • Nasti aka Antoinette Blume / 06. August 2017 / um 13:51
    Liebe_r Goodjoke,

    vielleicht sagt dir diese Liste von Initiativen (gelistet von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) mehr zu: http://www.bzga.de/bot_suchtpraevention.html
    Dort stehen Informationen und Leitfäden (zum Beispiel speziell zum Nachtleben und den Kontakt mit legalen und illegalen Drogen) zum Download zur Verfügung. Unter "Internetangebote" findet man die Seite drugcom.de, die sich dem Thema illegale Drogen widmet. Diese Informationsseite werde ich dem Artikel anfügen.

    Danke für dein Feedback!

    Liebst,

    Nasti
  • Goodjoke / 06. August 2017 / um 10:16
    Wertfrei seriös und praxisnah nennt ihr die drug scouts also... big LOL, frohfroh...
  • Nasti aka Antoinette Blume / 03. August 2017 / um 11:02
    Liebe_r L,

    Ketamin und GHB sollen keinesfalls verherrlicht werden. Das ist nicht die Absicht des Textes - der Artikel bewertet Konsum NICHT, sondern ist rein deskriptiv. Die Links zu Substanzen und Sex in Verbindung mit eben solchen unter dem Artikel (Drugscouts) sind ebenso meiner Meinung nach wertfrei, seriös und praxisnah.

    Liebst,

    Nasti
  • L / 03. August 2017 / um 10:28
    Klar, Ketamin und GHB verherrlichen.

    ?

RelatedRelated

zum Seitenanfang scrollen