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Antoinette Blume
Alles, immer, gleichzeitig und umgekehrt-nacheinander: Autorin, Journalistin, Redakteurin, Moderatorin und Podcasterin.

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Namedropping: Don’t believe the hype

06. Dezember 2018 / Kommentare (2)

Braucht jede Party einen großen, bekannten Namen auf dem Plakat? Verschiedene Partyreihen und Kollektive treten den Gegenbeweis an, darunter Changing Factors aus Frankfurt. Und was nun Frankfurt mit Leipzig zu tun hat, lest ihr hier.

„Wer is‘n da Headliner?“, fragt der eine die andere in der Tram. Blick aufs Smartphone, Scrollen, Scrollen – ah, Antwort gefunden. Die Entscheidung ist gefallen – „kenn ich nicht“, was wohl so viel heißt wie „Nee, weitersuchen“, denn nun wird weitergescrollt und andere Locations und Namen werden aufgesagt. Nach drei erneuten Anläufen wird entschieden, man kenne genug der Auftretenden und die Abendgestaltung scheint gerettet. Handy in die Tasche, Blick nach vorn. Der subjektive Bekanntheitsgrad der Künstler*innen im Line-Up hat entschieden – denn manchmal will man nicht rumeiern, da muss man wissen, wo’s hingeht. Partys, die gar kein Line-Up präsentieren, kämen bei den zwei Tramfahrer*innen von eben eher mal so gar nicht durch. Schade eigentlich. „Oder auch nicht“, wie mir einer der Initiatoren einer neuen Line-Up-losen Partyreihe in Leipzig erzählt.

Volle Hütte
Ich glaube kaum, dass es allzu viele Raver*innen gibt, die völligst frei von der Anziehungskraft großer, bekannter Namen sind. DVS1 all night long, Kobosil diesdas und noch irgendwer vom Berghain – volle Hütte, geile Party. Nicht dass noch einer denkt, ich wolle mich da nun besonders individuell zeigen. Oft bis ganz oft sind bekannte Künstler*innen nicht umsonst gefeiert, erfolgreich, „in aller Munde“ – sondern eben richtig gut, in dem, was sie machen. Oder besonders vermarktbar, gehyped und überschätzt. Das gibt’s auch.

Wer schon mal eine eigene Veranstaltung im Nachtleben auf die Beine gestellt hat oder sich auch nur fantasiereich der Frage „Wenn ich eine Party machen würde …“ gewidmet hat, der weiß um die Bedeutung des Headliners, bestenfalls noch in der Mehrzahl. Dazu gerne noch nationale und lokale Künstler, die vom Austausch und eben auch von Publikumsmagneten profitieren, um Menschen zu erreichen. Eine Veranstaltung ohne Line-Up ist eine vergleichsweise risikoreiche Angelegenheit, denn viele Gäste möchten vorher „sicher“ sein, wofür sie 10-12-14 Euro am Einlass zahlen. Die Kuration einer Veranstaltung nach Grundsätzen, Werten jenseits der Verwertungslogik und einem bestimmten Soundstil, das ist ja gut und schön, aber wirtschaftlich – für alle Beteiligten – soll’s bitte auch sein.

Rillendisko, Made to Fade und Changing Factors
Ob mit oder ohne großen Headliner, nur um den Sound, nur um die Musik, geht es in der Clublandschaft nicht mehr. Entwicklungsreich wie eh und je haben sich weitere Kunstformen wie Lichtdesign, Performance, Literatur (ja, auch das gab es schon, ich bin Zeuge) oder Installationen angeschlossen. Bereicherung und_oder Distraktion.

Aber keine Bewegung kommt ohne Gegenbewegung aus. Es gibt sie, die Partys ohne Line-Up, ohne viel Licht, dafür mit Soundverliebtheit bis über beide Ohren. Beispielsweise die Rillendisko, die mittlerweile im IfZ als eigene Sonntagsreihe etabliert ist oder die Made to Fade-Partys („no names, just music“) im Elipamanoke folgen diesem Prinzip.

Zum Jahresende hin besucht nun eine Frankfurter Crew das Leipziger mjut, um dort ihre Partyreihe namens Changing Factors zu veranstalten. Eben jene Party kommt ebenfalls ohne Line-Up daher und kommuniziert vor allem mit einem Mix, was das Publikum zu erwarten hat und stellt die Frage in den Tanzraum, durch welche Kriterien unser gängiges Entscheidungsverhalten und die Erwartungshaltung an eine Party bestimmt wird.Kritik an Clubkultur
Die eine Seite des Konzepts von Changing Factors ist Kritik an bestehender Clubkultur. Gängige Marketingstrategien zielen darauf ab über Namen eine Erwartung zu generieren, die bestenfalls auch bedient wird. Orientierung bieten aktuelle Trends, um eine „erfolgreiche“ Party zu machen, was größtenteils über einen visuellen Zugang, einen gewissen Style funktioniert. In der Konsequenz geht es dann eher darum, seine Individualität durch das Aneignen dieses Styles auszudrücken; kurz: es geht um soziales Kapital. Was auf der Party selbst stattfindet, ist die Wiederholung dieser Erwartung, die durch den „Markt“ erzeugt wurde.

Die performative Seite des Konzepts besteht in der Ablehnung einer solchen Verwertungslogik, die das, was CF-Crew unter Cluberfahrung versteht, stark überformt. Im zweiten Schritt zielt Changing Factors darauf ab eine andere kollektive Erfahrung zu ermöglichen, welche über einen Fokus auf das Zusammenspiel von Musik und Tanz verläuft (mehr zu diesem Thema findet ihr hier).

„Um diese unmittelbarere Begegnung mit der Musik und seinem Körper zu ermöglichen, welche eben mehr als Wiederholung einer vorgefertigten Erfahrung sein will, ist es noch vor der Ablehnung der gängigen Verwertungslogik und der Minimierung von visuellen Reizen auf dem Dancefloor, nötig ein Awareness-Konzept umzusetzen, welches überhaupt erst für alle Gäste die Möglichkeit zu dieser Erfahrung garantieren soll“, erklären sie weiter.

Gerade das Augenmerk auf Awareness ist eine maßgebliche Verbindung zwischen Changing Factors und dem Leipziger mjut, wo hierfür auf jeder Party Personal vertreten ist. Ein weiterer Berührungspunkt des Kollektivs und des Clubs ist natürlich Techno – wobei hier die ‘Detroit-Perspektive’ vorherrscht, welche Mad Mike wohl am besten erklären kann.

Eine weitere Referenz an die „goldene Era“ ist eine Rave-Line (better call: 0178/4189444), über die ihr Infos über die Party und ein wenig Musik zu hören bekommt.
Ob und wie der Versuch gelingen wird, die Party und das dahinterstehende Konzept von Frankfurt nach Leipzig zu bringen und dabei bewusst auf das gewohnte Namedropping zu verzichten, bleibt nicht ganz unspannend.

Wer sich das ganze anhören möchte, möge am 14.12. die Reise ins mjut zur Changing Factors antreten. Neben dem großen Techno-Floor wird es auch einen Chill-Out-Floor mit entspannter Atmosphäre und Sitz- bzw. Liegegelegenheiten geben. An diesem Abend zählen keine Namen.

CommentComment

  • Antoinette Blume / 22. Januar 2019 / um 11:25
    Danke für deinen Kommentar @vvvoo. Ja, so ist es - der Artikel arbeitet auf die Vorstellung eben jener Veranstaltung hin - es tut mir leid, wenn du eine kritische Berichterstattung zu einer Veranstaltung (die zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hat) erwartet hast. Dein Feedback ist uns wichtig, daher nochmals Danke dafür.
    Viel Vergnügen weiterhin bei frohfroh, bis bald!
  • vvvoo / 21. Januar 2019 / um 19:04
    Beginnend mit der Interpretation in der Bahn könnte eine weitere lauten: "Ich kenne mich in meinem Genre aus, in dem ich mich bewege und wenn ich ihn nicht kenne, bedient er auch nicht meinem bevorzugten Style".

    Der angesprochene Punkt bezüglich des Entscheidungsverhaltens wird dann überflüssig, wenn es informierte Raver gibt, an die sich der Veranstalter richtet. Mit anderen Worten führen Namen eines Line-Up zu einer Einteilung in die musikalische Richtung des Abends. Einen Mix hochzuladen, der einen Einblick in musikalische Richtung des Abends gibt, erfüllt letztlich die gleiche Funktion. Nur erscheint mir diese Methode als Zeitaufwendiger und als schlechterer Einblick.

    Die angerissene Kritik einer Klubkultur erschließt sich mir als Leser leider gar nicht und ich frage mich, inwiefern die Mystifizierung des Line-Ups zu einem besseren Kluberlebnis führen soll.
    Meiner Meinung nach liegt das Problem der hiesigen Klubkultur viel mehr darin, dass es einen Headliner gibt und dann nur noch Lückenfüller. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass deren Verständnis von Musik leider nicht weitreichend genug ist, um ein konsistentes Set abzuliefern. Diesen Gedanken möchte ich an dieser Stelle aber nicht weiter ausführen.

    Zurück zur „Gegenbewegung“: Was mir näherliegt, ist eine Mystifizierung des Klubabends, der letztlich wieder eine Vermarktungsstrategie ist und für diejenigen Akteure vorteilhaft ist, die sich keine großen Szenenamen leisten können und auf die DJs im eigenen sozialen Netzwerk setzen; auf ihr soziales Kapital zurückgreifen. Denn die tatsächlichen Line-Ups solcher Partys unterscheiden sich meines Wissens kaum von herkömmlichen 08/15 Veranstaltungen.

    Deine Berichterstattung liest sich im Übrigen vielmehr als eine Vermarktung, als eine kritische Berichterstattung.

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