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Style Wild
Style Wild ist ein Kollektiv aus Tänzer*innen, DJs und Veranstalter*innen. Zweimal im Jahr findet Style Wild in Leipzig statt und bildet urbanen Tanz ab. Für 'Put On Your Dancing Shoes' tauschen sie den Tanzboden gegen die Tastatur unter Mithilfe verschiedener lokaler Tänzer*innen und Musikschaffender. Mehr Infos unter www.stylewildbattle.de

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Put On Your Dancing Shoes Teil I – House Dance

02. Januar 2019 / Kommentare (0)

Es ist wohl recht naheliegend auf frohfroh mit dem Thema House zu starten, bevor wir uns den etwas weniger elektronischen Musikstilen und Tanzformen widmen.

Somit begeben wir uns mit der heutigen Ausgabe auf die Spuren des Jack – wer er/sie/es* eigentlich ist, was dieser die letzten Jahre getrieben hat und ob man er/sie/es* auch mal in Leipzig an der Clubbar trifft…

2012 war Osunlade in der Distillery zu Gast. Der Floor hatte sich, wie eigentlich immer, in Richtung DJ gerichtet. Nur in der hintersten linken Ecke des Clubs tummelten sich vier Tänzer*innen, die ihre eigene kleine Welt kreierten. Dieser Kreis war für einige Clubbesucher*innen zunächst sicherlich ein merkwürdiger Anblick, fast schon suspekt. Viele wussten wahrscheinlich gar nicht was da gerade passiert.

Dabei war es mehr als naheliegend, dass es passierte, denn social dance war seit Anbeginn der House-Clubkultur ein wichtiger Bestandteil eben jener. Und wie man auf so manch seltenem Videomaterial der letzten Jahrzehnte erkennt, ist und war der Kreis (Circle) die bevorzugte Form, um den tänzerischen und musikalischen Austausch zu zelebrieren.

Über Warehouse, Muzic Box, das Power Plant oder Franky Knuckles wurde schon oft genug gesprochen. Den Namen DJ Ron Hardy liest man dann doch schon seltener. Dass die House Kultur in und aus der LGBTQ, African American und Latin Community heraus entstand, wird ebenfalls immer mal erwähnt. Allerdings rückt dieser Fakt heute des Öfteren in den Hintergrund – dabei ist diese Tatsache für House dance von großer Bedeutung, denn dieser Stil beruht vor allem auf Tap, Jazz, latein-amerikanischen Schritten, Elementen aus Breakdance oder gar dem Roller Skating.

Er zeichnet sich durch die schnellen Bewegungen mit den Füßen (Footwork), Floorwork (wie z. B. Lofting) und vor allem durch den konstanten Rhythmus im Körper (Jacking) aus. In den ‘Old School’ – House Tracks sind Lyrics wie “Feel the Jack” oder “Jack your body” zu hören. Dieser Ausdruck kommt vom sozialen Interagieren im Club, ein bisschen wie “antanzen”. Um Kontakt zu den Anderen im Club aufzubauen und auf sich aufmerksam zu machen, wurde also in besonderer Manier getanzt. Es gibt jedoch verschiedene Auffassungen was noch alles unter den Jack zählt. Ein Gefühl der im ganzen Körper ist, der verbindet und der die Musik im Körper “einschließt” etwa..
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Das Namedropping soll an dieser Stelle nicht ausfallen. Tänzer*innen, die House dance bis heute maßgeblich beeinflussen bzw. beeinflusst haben sind etwa Marjory Smarth, Ejoe Wilson, Brian “Footwork” Green und Tony McGregor, um nur ein paar Namen in die Runde zu werfen.

Zwischen Chicago und Leipzig liegen gute 7000 km und viele Stunden Flugzeit. Valeska von der Leipziger KleinParis-Crew war erstmals vor drei Jahren in Chicago und erzählt uns an dieser Stelle welche Erfahrungen sie gemacht hat:

Als ich Chicago in war, wollte ich wissen, ob es dort noch so etwas gibt, wie eine urbane Tanz-Szene. Nach einer langen Facebook-Event Research war ich bei einem Battle in einem Club namens The Mid, wo ich die So Swift-Crew entdeckte. So Swift ist eine all-female Tanzcrew, die House dance und Waacking vereint. Die Swift Crew und Electric Funketeers (Popping Crew) haben mich schnell in die Szene integriert, weil sie Open Dance Session hatten, bei denen jede Woche für $4 trainiert werden konnte. Sie gaben immer eine halbe Stunde Input und dann konnten wir frei trainieren, alleine oder im Cypher.

Tonic und Vero, zwei Mitglieder der So Swift Crew, erzählten mir damals, dass sie oft in House Clubs gehen würden. House Musik kannte ich nur aus schlechten Radio Remixes. Ich hatte keine Ahnung, dass House mein Leben als Tänzerin komplett verändern würde bzw. was alles hinter der Geschichte von House in Chicago steckt. Plötzlich stand ich dann im Cypher in einem der bekanntesten House Clubs in Chicago: Smartbar. House Musik, wie auch der House dance, war wie eine komplett neue Welt, die mich irgendwie total verwirrt hat, im maximal positiven Sinne.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich dazu bewegen sollte. Viel zu schnell. So ein bisschen wie wenn man jemanden kennenlernt und sofort verknallt ist, obwohl man die Person noch nie vorher gesehen hat. Ich stand also im Cypher und habe die Tänzer*innen um mich herum angehimmelt, die abwechselnd und selbstbewusst in den Cypher gingen. Ohne große Kommentare wie “Wow” oder “Nice” von außen. Einfach so als würde man für sich tanzen, nur das andere einem eine gewisse Aufmerksamkeit gaben. Als sie dann anfingen zu zweit in den Cypher zu gehen, verstand ich, dass es bei House um die wortlose Connection im Club geht – “Stalking”.

Weiterhin geht es um gegenseitigen Respekt, die Musik und den Austausch. Einmal tanzte ich für drei Stunden am Stück nur mit dem Ziel zu “Jacken” und dann kam einer meiner jetzigen besten Homies, Brand1, zu mir rüber und meinte: “Just Jack, that’s what everyone else is doing here.”

Ich habe damals geschluckt, genickt und weiter gemacht. Die So Swift Crew war immer darauf bedacht, andere Frauen in die Housedance/Waacking-Szene zu involvieren. Auch im Club animierten sie immer wieder Nicht-Tänzer*innen am Cypher teilzuhaben. Da ich aus der sehr dominanten Hip Hop-Szene in Deutschland kam, hat mich das sehr motiviert und fasziniert.

House im Club in Chicago zu hören, hat mich dazu gebracht, viele weitere Tanzeskapaden im Club zu durchleben, die mich menschlich und tänzerisch unheimlich erweitert haben. In Chicago aber auch in Amsterdam, Tschechien und Leipzig gehe ich in den Club, um zu tanzen. Wenn ich in Chicago bin, bin ich mindestens ein bis zwei mal pro Woche im Club, alleine oder mit anderen zusammen. Mittlerweile traue ich mich auch immer in den Cypher.

Wieder in Leipzig gelandet wollte Valeska diesen Vibe hier aufgreifen und wiederfinden. Dass das nicht so ganz einfach war und ist, liegt auf der Hand, denn Leipzig hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine große House dance-Szene.
Immerhin organisierte die ehemalige Troop 23 Crew ab und an Kurse und Workshops. Auf den Partys waren es dann aber meist nur wenige Tänzer*innen, die sich wie im Fall von Osunlade mit Jacking, Freestyle und Footwork auf die Tanzfläche begaben und House dance zelebrierten.

Dass sich Clubkultur und social dance nahezu voneinander verabschiedet haben, ist im House dance besonders deutlich zu erkennen. Vergleichbar ist dieses Phänomen ebenfalls ziemlich gut in der Hip Hop-Kultur zu beobachten, im Hinblick auf die Ausdifferenzierung und Spezialisierung wie beispielsweise Breaking, Writing, Rap und Djing.
House dance spielt nur noch auf wenigen Parties eine Rolle – und das sind dann auch meist die Partys, die von TänzerInnen aus der Szene selbst organisiert werden. Dementsprechend findet sich House dance heutzutage vornehmlich als Battle-Format, in (Tanz)Kursen oder freien Trainings/Sessions wieder.

Warum dem so ist, ist schwer zu beantworten. Die Theorien sind vielfältig. Afrohouse vermag diesem Trend momentan etwas entgegen zu wirken, allerdings auch nur insofern der Sound sich eher an Afrobeats bzw. Dancehall orientiert und nicht zu sehr in Richtung Deep House abdriftet.

In Leipzig passiert es nahezu nie, dass Tänzer*innen im Club jammen oder bewusst House dance praktizieren, ausgenommen die seltenen Partys, an denen die Leipziger Tänzer*innen auftauchen, wenn sie selbst mal nicht zu einem anderen Battle oder einer Jam in Deutschland bzw. Europa unterwegs sind. Die Style Wild-Crew versucht dem ein wenig entgegenzuwirken und integriert u.a. das House Battle mindestens zweimal im Jahr mit anschließender Party.

Und hier sind wir auch schon bei der eigentlichen Intention dieser Reihe angelangt. Manche der Videos scheinen etwas einzuschüchtern, aber aus der Tanz-Community wird euch nie jemand schräg anschauen, wenn ihr euch im Club ausprobiert.

Im Gegenteil, meist ist große Bereitschaft und Respekt für jeden Tanzenden im Raum. Sharing und Support der Szene sind die Fundamente, um diesen Stil überhaupt weitertragen zu können. Natürlich benötigt es Basics, also Grundschritte und Routinen, aber wenn man erstmal angefangen hat, grooved es sich auch viel einfacher und irgendwie auch abwechslungsreicher.

Auf urbandance-leipzig.de finden sich aktuelle Kurse und auch Workshops, welche in Leipzig aktuell stattfinden. Ist also nicht so schwierig die House dance-Szene hier kennenzulernen und mehr über diesen Aspekt der House-Kultur zu erfahren.

Wie bei jedem Artikel der Reihe gibt es zum Abschluss noch eine Videoplaylist. Wer also nicht ins Schlafgemach wandern möchte, einmal hier entlang:

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