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Autor:in

Antoinette Blume
Alles, immer, gleichzeitig und umgekehrt-nacheinander: Autorin, Journalistin, Redakteurin, Moderatorin und Podcasterin.

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Auf Wiedersehen, So&So

11. Februar 2019 / Kommentare (0)

Das So&So musste Ende Januar die Pforten für immer schließen – zumindest an der bisherigen Stätte in der Theresienstraße. Über die Gründe haben nicht nur wir, sondern auch die LVZ und sogar das ARD Mittagsmagazin berichtet. Mittlerweile wurde die letzte Feier gefeiert und der letzte Track gespielt. Jetzt steht der Rückbau an.

Wir haben uns ein letztes Mal im Club umgesehen – dabei entstand ein Abschiedsportrait mit gesammelten Stimmen der Beteiligten.

Ich besuche also das So&So und sein Team beim Abbau des Clubs, spreche mit verschiedenen Menschen, die Akkuschrauber anlegen, Geräte hin- und herschieben, die die Musik im Hof noch laut drehen und das Wichtigste einlagern.

Als erstes läuft mir Alex quasi in die Arme, er hat einen blauen Arbeitsanzug an und kniet an einem Treppenabsatz. “Kann ich dich mal kurz stö-‘‘, will ich gerade fragen, als ein Metallteil scheppert, “Sorry!” hallt es aus einem anderen Raum. Jetzt scheint etwas gesägt oder vielmehr zersägt zu werden. “Ja, klar, kannst du”, lacht er.

Alex ist Stammgast seit das So&So seine Türen erstmals geöffnet hat. Er weiß es noch ganz genau, denn das war an seinem Geburtstag. Seit der Eröffnung war der Club in seiner Wochenendplanung nicht mehr wegzudenken. Das So&So war Lieblingsclub, ein zweites Zuhause, ein Teil seiner Familie und ein “Sammelort für Quatschköpfe.”

Gerade als es begann brenzlig zu werden, engagierte er sich im Club. Bis zuletzt habe er nicht geglaubt, dass sie wirklich endgültig schließen müssen und werden. Als es dann feststand, sei das ein regelrechter Schock gewesen.

Die letzten Partys waren aber nicht völligst von Traurigkeit überschattet: “Wir haben uns alle immer wieder umarmt, es waren wirklich die schönsten Veranstaltungen. Ziemlich paradox”, erzählt er. Warum er den Club mit abbaut? “Ich will meinem Lieblingsclub etwas zurückgeben – die letzten Male haben wir ihn ganz schön zerfeiert, jetzt müssen wir die letzten Teile noch gut einpacken.”

Einpacken ist das Stichwort. Denn nach Müllverbrennung sieht es im So&So nicht aus. Hier wird nichts dem Erdboden gleichgemacht, hier wird recycelt. Alles wird sorgfältig eingelagert, um so bald wie möglich wieder rausgeholt werden zu können:

“Wir wollen definitiv, dass es weitergeht”, sagen mir alle Stimmen, mit denen ich an diesen Abend spreche.

So wirklich gute Nachrichten gibt es allerdings nicht – denn was noch fehlt, ist eine neue Location.

Die So&So-ler, die um mich herumstehen, die hier Kisten tragen und Baumüll in einen Anhänger für den Wertstoffhof bringen, arbeiten hier unentgeltlich. Das letzte halbe Jahr fanden ausschließlich Soli-Veranstaltungen im So&So statt – Künstler*innen und Musiker*innen, die Leute an der Bar, der Garderobe, die Putzschichten – all das wurde, genau wie der jetzige Rückbau, von einem Teil der So&So-Crew gestemmt, die auf Geld verzichtet und teilweise persönliche Abstriche macht. Für den Club, für die Familie. Familie höre ich öfter, auch als Sika und Klöppel auf eine Zigarette stehen bleiben.

Sika wendet sich mir zu und sagt: “Ich drehe hier gerade die Schrauben raus, die ich damals reingedreht habe. Das wurde alles für die Ewigkeit gebaut”. Dumme Frage, aber wie ist da so das Frustrationslevel? “Hm – das ist scheisse!”, sagt sie und lacht ein bisschen.

“Ich finde hier Sachen, auf denen sich Gäste verewigt haben oder die von einer bestimmten Party stammen”, erzählt mir ein*e Mitarbeiter*in, der*die gerade die Spüle säubert. Das alles fühle sich doch recht ambivalent an. Genau wie die letzte-letzte-letzte Party Ende Januar. “Wir haben geweint, getanzt, es war alles dabei”, sagen sie. “Es haben sich Leute in den Armen gelegen, die sich vorher nicht kannten – die Gäste haben mit uns um den Club getrauert und trotzdem mit uns gefeiert”, erinnert sich Klöppel grinsend. Der emotionalste Moment für ihn? “Als dieser eine Track von Aerosmith lief… danach hatte ich erstmal keine Emotionen mehr in meinem Körper.”

Klar, niemand heult mehr, jetzt beim Rückbau. Draußen im Hof läuft Musik, es sägt und kreischt, Baustellenflair. Aber traurig, um all das was hier gewesen ist, sind natürlich weiterhin alle.

Die Frage nach dem neuen Club ist schon fast nervig – was macht ihr jetzt, wo geht’s denn vielleicht hin? Ihr wollt ja weitermachen?

“Es geht nicht ums Wollen, es geht ums Finden”, erklärt Sika

und ergänzt: “Wir brauchen einen neuen Ort, der uns entspricht. Und natürlich einen Außenbereich. Es sollte kein Down-Grade werden.”

Beim Rausgehen sehe ich einen Mann auf eine Leiter steigen, seine Stirnlampe leuchtet nach oben. Alex kommt vorbei und fragt, wo er den Akkuschrauber laden könne. Martin, der Mann auf der Leiter, zeigt es ihm. “Ich bin jetzt 3 Wochen hier, dann fahre ich wieder nach Fulda”, erzählt Martin. Er ist der Vater von Johannes, dem ehemaligen Betreiber des So&So. “Das kostet hier alles Energie, Zeit und Geld… aber was mich wirklich freut, sind die vielen Unterstützer*innen. Sowas kommt ja nicht von alleine. Das ist schon was Besonderes”, resümiert er und arbeitet weiter.

Mittlerweile ist es dunkel und echt kalt. Als ich in die Bahn steige, merke ich erst, wie eingefroren meine Füße sind. An nach Hause gehen war für die Helfer*innen im So&So noch nicht zu denken.

An der Motivation und Lust, das Projekt So&So an neuer Stelle schnell wieder aufleben zu lassen, wird es nicht scheitern – es braucht nur noch einen neuen Ort, an dem alles wieder aufgebaut werden kann. Und das hoffentlich schon bald.

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