Geburtstage, Jubiläen – gerade gibt es sie an jeder Ecke, in jedem Club. Es wird nicht nur gefeiert, sondern auch ge-fei-ert. Clubgeburtstag, Labelgeburtstag, Crewgeburtstag…
Die runden und halbrunden Jubiläen sind für uns als Autor*innen natürlich besonders interessant. Auf unserem Blog werden also in nächster Zeit noch mehr Interviews, Retrospektiven und Zukunftsspinnereien stattfinden.
Das letzte Interview mit Vertreter*innen des Institut fuer Zukunft und frohfroh gab es nach dem ersten Jahr nach Eröffnung des Clubs. Das ist mittlerweile vier Jahre her. Es war also nicht nur Zeit, sondern es gab auch einen besonderen Anlass, sich wieder mit dem IfZ zu verabreden. Denn das IfZ feiert sein Jubiläum nicht ‚nur‘ mit Partys und einer Clubnacht nach der anderen, sondern bringt das erste IfZ-Vinyl auf den Markt, organisiert eine Ausstellung namens ‚Trakt IV‘ mit Fotografien und setzt sich mit interner und externer Kritik zum Club innerhalb eines Panels auseinander.
Wir haben anlässlich des 5. Geburtstags nachgefragt: Kommt der Darkroom wieder? Was ist mit der Vertigo? Wo geht es mit dem IfZ hin, wenn das Areal um den Kohlrabizirkus für die „Boom-Stadt“ Leipzig mit Parkdeck, Wohnungen, Fitnessstudio und Kita fit gemacht wird? Wie hat das IfZ in den letzten Jahren auf die Leipziger Szene abgefärbt und ist die Platte nun der Startschuss zum eigenen Label..?
Antworten darauf gaben Markus und Neele, die beide als Booker*innen im IfZ arbeiten.
Past vs. Present
frohfroh: Ihr feiert euer fünfjähriges Bestehen in einer ganzen Woche mit Ausstellung, Diskussion, Record-Release und Party. Worauf freut ihr euch am meisten in der Geburtstagswoche?
Markus: Auf die ganze Woche an sich. Da steckt so viel Arbeit und Herzblut von allen hier drin – jetzt kommt es auf den Punkt, eine Woche lang.
Neele: Dito, ich freue mich auch auf alle fünf Tage. Mir war aber eine inhaltliche, kritische Veranstaltung zum 5. Geburtstag sehr wichtig, die es in Form des Panels geben wird. Auch das Vinyl, dass wir das nun mal geschafft haben – darauf freue ich mich natürlich auch.
Markus: Die Foto-Ausstellung von Dana Lorenz und Sophia Kesting ist auch nochmal sehr besonders, weil von der bisher nicht viele wussten. Das ist über zwei Jahre entstanden und es wird dort (in der Galerie für zeitgenössische Kunst) auch eine Soundinstallation von Perm geben.
Habt ihr euer Ziel (vor fünf Jahren formuliert) etwas zu erschaffen „was ein guter Club bieten sollte“ erreicht?
Neele: Da gibt es zwei Ansichten. Einmal diese Außensicht, vor allem im internationalen Kontext, also von internationalen Künstler*innen und Gästen, die das IfZ besuchen. Da kommt viel Lob für unseren Raum, diesen Freiraum, den wir hier erschaffen haben, der einzigartig ist. Das ist oft Balsam. Und dann gibt es noch diese Innenansicht – von uns, die hier arbeiten. Hier werden niemals alle zufrieden sein, was auch gut so ist. Denn ein Projekt, wie auch dieser Club, ist nur so gut wie seine Kritiker*innen. Es gibt immer wieder Wünsche und Baustellen, die wir beackern können.
Markus: Es ist weiterhin ein fortwährender Prozess.
Vor fünf Jahren war auch der Darkroom ein Teil dessen, was einen guten Club ausmacht. Jetzt ist er zu, er war in letzter Zeit nur unregelmäßig geöffnet. Bleibt der Darkroom für immer geschlossen?
Neele: Wir hoffen, er wird wieder aufgemacht. Also, ja – wir haben es vor. Es ist nicht so einfach, da das Konzept für den Darkroom noch recht unausgereift ist. Der Anspruch ist schon noch da. Alle paar Monate finden sich immer wieder ein paar Leute, die das Thema angehen.
Ist das als Hinweis darauf zu verstehen, dass es auch wieder eine Vertigo geben wird?
Neele: Wir arbeiten tatsächlich daran.
“2019 wollen wir eine Vertigo veranstalten – aber bitte nicht böse sein, wenn es doch 2020 wird.”
Wie viele Menschen sind mittlerweile im IfZ aktiv?
Neele: Es sind viel mehr Leute geworden. 200 Menschen arbeiten hier hauptamtlich, ehrenamtlich oder als Minijobber*in. Jetzt vollzieht sich bei uns auch ein gewisser Generationswechsel, es rücken mehr junge Leute nach.
Markus: Man kennt gar nicht mehr alle, gerade von den vielen neuen Leuten. Das ist auch echt cool, um nicht in so eine Betriebsblindheit zu verfallen – denn die neuen bringen auch oft nochmal Themen auf den Tisch, die in den Hintergrund gerückt sind.
Und gibt es mittlerweile auch noch mehr Arbeitsgruppen?
Neele: Wir haben mittlerweile aufgestockt. Es gibt zum Beispiel jetzt auch eine Aufbau-AG, eine Antisexismus-AG oder eine Antisemitismus-AG. Letzteres kam im Zuge der BDS-Debatte.
Markus: Da finden sich dann auch Leute zusammen, die vielleicht von anderen Clubs stammen oder gar nicht beim IfZ arbeiten.
Neele: Richtig, denn es muss keine*r bei uns arbeiten, die*der den Laden mitgestalten möchte.
Zum Thema Arbeit im IfZ – Ein Zitat von damals: „Die ganze Nummer ist Selbstausbeutung“. Ziel sei es, langfristige Existenzgrundlagen im IfZ zu schaffen. Wie sieht es heute damit aus?
Neele: Den Satz würde ich weiterhin so unterschreiben, denn das trifft auf fast alle (freien) Kulturschaffenden zu. Bei uns arbeiten alle so knapp über Mindestlohn, aber wir arbeiten daran, die Löhne zu steigern. Das geht aber nur über Jahre. Dazu muss man aber noch sagen, dass das IfZ ein sehr cooler Arbeitgeber ist (lacht).
Markus: Da würde ich auch mitgehen. Das IfZ ist ein guter Arbeitgeber – mit uns kann man über alles reden, wir sind beispielsweise mit einem Clubrat organisiert, um empfindliche Themen anzusprechen.
Neele: Das ist auch eine der Fragen, die wir uns beim Panel stellen: Ob das IfZ einfach ein cooler neoliberaler Arbeitgeber ist oder wirklich ein kollektiver Betrieb.
Ihr beide arbeitet ja als Booker bzw. Bookerin hier. Wo ist das IfZ in den letzten fünf Jahren musikalisch hingelangt, wo wollt ihr noch hin?
Neele: Gerade haben wir einen guten Modus gefunden. Das Booking generell hat sich über die Jahre öffnen müssen. Ich finde das nicht schlecht – den Industrialeinfluss hat man anfangs noch extrem gespürt, da sind wir jetzt viel breiter aufgestellt.
Und um sich kleinere Veranstaltung leisten zu können, müssen wir das schon querfinanzieren. Also große Techno- und House-Acts müssen ebenso gebucht werden, um auch mal experimentelle Abende zu finanzieren.
Mir ist wichtig, dass es bei uns divers bleibt. Mir gefällt zum Beispiel eine Housenacht auf Trakt I genau so gut wie brachialer Techno.
Markus: Ich finde, wir haben so einen gewissen pädagogischen Auftrag, genreübergreifend und auch mal gebrochen zu arbeiten. Musik löst ja Schranken im Kopf und das wollen wir weiterhin machen.
Neele: Wir sind eben personell gewachsen und die neuen Mitarbeitenden haben viel mehr unterschiedliche Präferenzen eingebracht. Wir machen keine Party für unser Bookingteam, sondern die Crew soll sich auch mit dem, was musikalisch im IfZ geboten wird, wohlfühlen. Ein schöner Effekt ist dabei, dass das IfZ mehr als sozialer Raum wahrgenommen wird. Man kann hier abhängen, ohne einmal auf der Tanzfläche gewesen zu sein.
Markus: Öfter geht man zwar von seinen eigenen Vorlieben aus, aber das wird oft durch die Crews und Mitarbeitenden unterstützt und vermischt sich.
Neele: Wir holen dafür regelmäßig Feed-Back unserer Crew ein, ob es Wünsche gibt. Das war jetzt zum Beispiel bei Dr. Rubinstein der Fall.
5 I V E Vinyl
Zum Jubiläum gibt es erstmals eine Platte von euch. Ist sie als Aushängeschild des Sounds des IfZ zu verstehen?
Markus: Das Spektrum ist schon sehr breit, Trakt 1 ist eher Techno, EBM, manches etwas dubbiger, manches mehr Industrial. Trakt 2 ist schon housig, aber eigentlich ist es mehr der Future-Sound des IfZ, den man da hören wird. Man könnte aber sicherlich noch tiefer gehen.
Die Platte bringt einiges zusammen, vor allem die Künstler*innen, die vertreten sind. Zum Beispiel Monsanto High, die vorher noch nie etwas zusammen produziert haben, Tsorn oder Leibniz, die regelmäßig im IfZ auftreten, Alex aka X/319, der die Technik macht, Lynxes, der seit fünf Jahren im Hintergrund die Technik des IfZ repariert, Qnete und Carmel, sowie der erste gemeinsame Track von Perm und Wilhelm – und ich selbst war auch seit Ewigkeiten mal wieder mit meinem Freund Florian im Studio.
Es ist damit eher eine Club-Platte und keine Listening-Platte geworden. Dazu kommt, dass es noch einige Überraschungen geben wird…
Konnte man sich für die Platte bei euch bewerben?
Markus: Genau, wir haben erstmal den Resident-Stamm angefragt und dann gab es noch einige Bewerbungen aus der Crew.
Ist das nun eine Label-Gründung, wie bei der Distillery?
Markus: Die Platte ist erstmal nur ein Geschenk an unsere Gäste und uns. Es ist alles offen… Das ist sozusagen unsere runde Geburtstagstorte. Die Vinyl ist aus der gesamten IfZ-Crew heraus entstanden, das war uns und ist uns sehr sehr wichtig. Ob daraus ein Label entsteht, ist jetzt noch nicht abzusehen.
Wie hoch ist die Auflage? Ist die Platte schon ausverkauft?
Markus: 300 Stück gibt es und ja, sie ist auf dem besten Weg, bald ausverkauft zu sein. Erstmal gibt es die Tracks auch nur auf Vinyl, digital wird aber auch noch kommen – später.
Die Zukunft im Institut fuer Zukunft
Ihr habt die Sperrstunde erfolgreich (und nachhaltig) gemeinsam mit anderen Clubbetreibenden bewältigt, dazu habt ihr den Spielstättenpreis ‚APPLAUS‘ der Initiative für Musik letztes Jahr gewonnen… Eine wertvolle Anerkennung für eure Kulturarbeit, die auch durch die Presse ging.
Neele: Der Preis ist auch als Anerkennung von DJs und Liveacts zu verstehen, deshalb ist er so wichtig für uns.
Ist das IfZ damit nicht immun gegenüber Bebauungsplänen oder Verdrängung..?
Markus: Das hofft man vielleicht. Für große Investoren spielt das am Ende keine Rolle, welchen Preis wir gewonnen haben oder was wir kulturell leisten. Man sieht das ja auch an der Distillery, die es seit fast 27 Jahren gibt, die trotzdem nicht in die Pläne der Stadt passt.
Neele: Von den Bebauungsplänen hier auf dem Kohlrabizirkus – Gelände haben mittlerweile alle gehört, es stand ja in der Zeitung. Wir haben von dem Vorhaben auch aus der Zeitung erfahren und uns dann Gedanken gemacht. Was ich sagen kann: Wir haben definitiv vor, an diesem Ort noch fünf bis zehn Jahre zu bleiben. Die Diskussion darüber haben wir geführt, denn das steht dem ganzen voran – die interne Entscheidung.
Wenn es dann irgendwann mal soweit ist, dass das Gelände hier bebaut wird, dann müssen wir konkret sehen, was hier nebenan entsteht. Erst dann können wir einschätzen, ob sich das weiterhin so durchführen lässt und ob das Projekt IfZ hier dann noch Sinn macht.
Und für euch beide persönlich? Wollt ihr noch fünf Jahre hier bleiben und arbeiten?
Markus: Für uns persönlich sieht es so aus, dass wir in unserer Position in diesem Projekt keine Platzwärter*innen sein wollen. Es kann auch gut sein, dass wir in Zukunft den Platz frei machen.
Neele: Das ist auch im Sinne des Projekts. Das muss man sich auch immer wieder bewusst machen, dass es da nicht um einen persönlich geht, sondern um das kollektive Vorankommen.
Gibt es Visionen oder Wünsche für den Club? Wenn ja, welche?
Neele: Es kann sein, dass wir eine neue Räumlichkeit dazubekommen und ich wünsche mir, darin eine Konzertlocation einzurichten. Generell mehr Konzerte und experimentellere Abende stattfinden lassen, wäre schön.
Markus: Ich hätte mir gewünscht, auf dem Betonplatz oben ein Open-Air zu machen, aber das wird immer unwahrscheinlicher, weil so viele Bäume fehlen, die ein wenig Schutz bieten würden. Es gibt auch Überlegungen für ein Festival außerhalb des IfZs, aber das ist nicht wirklich konkret. Es gibt immer mal wieder den Wunsch, aber es ist auch ein riesiger Organisationsaufwand und es sind etliche Dinge zu beachten.
Zum Abschluss: Wo seht ihr das IfZ nach diesen fünf Jahren international?
Neele: Unsere Reputation ist sehr gut. Viele wollen bei uns spielen, das ist ein gewisser Luxus, den wir haben. Es hat sich herumgesprochen, dass wir einen sozialen Ort geschaffen haben, der auch international beachtet wird.
Markus: Wir werden auch als Kollektiv wahrgenommen.
Neele: Wenn wir selbst mal unterwegs sind bzw. als DJs verreisen und international auftreten, dann merken wir auch immer wieder, wie gut unser Ort hier geworden ist. In dieser Form gibt es das nicht nochmal.
Und in Leipzig?
Neele: Man merkt schon, dass unsere Arbeit auf andere Clubs in Leipzig abgefärbt hat, zum Beispiel unser Awareness- oder Security-Konzept. Einheitliche Eintrittspreise waren auch so ein Ding – es wird nicht mehr diskutiert, dass der Eintritt so und so viel Euro kostet. Kultur kostet Geld, das haben wir denke ich ganz gut durchgesetzt. Die Türpolitik hat auch auf andere Clubs rundherum abgefärbt. Unser Konzept wurde über Monate, Jahre ausgearbeitet. Das gab’s vorher in Leipzig einfach nicht.
37 Minuten Interview waren das. Aber der Tag im IfZ ist noch nicht vorbei, zumindest nicht ganz. Aus dem Büroabteil geht es runter in den Hof, in dem es aussieht als wären die Mitarbeitenden unter die Gärtner*innen gegangen. Im Blaumann und mit Handschuhen wird hier sauber gemacht, Gestrüpp abgeschnitten und Müll weggekehrt. Frühjahrsputz. Alle möglichen Menschen, die am IfZ beteiligt sind, in welcher Arbeitsgruppe oder welcher Position auch immer, helfen mit.
Ein paar Stimmen der Mitarbeiter*innen wollen wir noch aufnehmen, die nicht mit ihren Namen versehen werden – damit sprechen sie natürlich trotzdem für sich persönlich und nicht als Vertreter*innen einer bestimmten AG.
Uns interessiert, worauf sich die Crewmitglieder, die teilweise auch in einer Geburtstags-AG an der Gestaltung der 5-tägigen Geburtstagswoche beteiligt waren, am meisten freuen.
Eine Aktive freut sich besonders auf den Sonntag, „wenn dann die großen Feierlichkeiten vorbei sind“ und auf „alle Menschen, die sich von außerhalb angekündigt haben. Leute von früher, die extra für die 5-Jahres-Feier anreisen“, sagt sie. „Auf Gerd Janson!“, wirft jemand ein.
Öfter klang an, dass die Ausstellung, die das erste zeitgenössische Dokument über das IfZ sein wird, für die Crew besonders im Mittelpunkt steht. Ein Fotoprojekt in einem Club, der sonst eine No-Photo-Policy durchsetzt, ist natürlich ein Aufhänger.
Auch das Panel sei für die Crew eines der wichtigsten Events – genauso wie die Partys itself.
„Ich habe auch richtig Bock zu tanzen und zu feiern – und zu arbeiten.”
Wirklich, selbst auf das Arbeiten freut man sich? „Das was man liebt, ist eigentlich keine Arbeit. Im IfZ zu sein bedeutet für mich auch immer Flucht aus dem Alltag.“
Eine andere Stimme betont, dass die Arbeit im IfZ (in diesem Fall als Nightmanager*in), schon immer mehr als nur ein Job war: „Ich habe hier ein grundlegendes Gefühl von Akzeptanz erfahren, dass mich über die Jahre persönlich hat selbstbewusster werden lassen.“
Und was wünschen sich diejenigen, die den Club jedes Wochenende aufs Neue betreuen, betreiben, sauber halten; die Getränke verkaufen und die Artists rumführen, die Technik auf dem Laufenden halten und für Licht und Sound zuständig sind, für die Zukunft des Instituts? „Dass das Projekt mit dem jetzigen Rückenwind ohne finanziellen Stress weitergeht“, meint eine Stimme des Clubs.
Uns bleibt nicht viel zu sagen – außer:
Happy Birthday, IfZ! Auf die nächsten fünf Jahre.
Das Programm für die Feierlichkeiten lest ihr en détail hier:
18.04. 5 I V E – Vernissage Trakt IV & Record Release
19.04. 5 I V E – Young Shields w/ Gerd Janson
20.04. 5 I V E – Clubnacht I w/ Or:la, Voiski
21.04. 5 I V E – Clubnacht II w/ Cassegrain & Difu
Zur Einstimmung auf das lange Wochenende gibt es von Resident n.akin noch einen speziellen Podcast:
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*Zitat/Überschrift aus „Anzeige der VICUS Group“, die ihren Bebauungsplan für den Kohlrabizirkus im Top Magazin Leipzig (2018/2019, S. 146/147) veröffentlichte.