Sie sind wieder da und gleich wieder weg: Mit Teil III der Kolumne von Antoinette Blume und einem anonymen Gastautor verabschieden sich die beiden zeitweise von unserem Blog.
M. schreibt nicht mehr oft, er ist viel unterwegs und weniger regelmäßig berauscht. Trotzdem schreibt er unserer Autorin noch ab und an – von Verdrängung, Abschalten und geplanten Partynächten.
Ist da vielleicht was zwischen uns?, frage ich mich. “Was, meinst du das ernst?!”, fragt mich meine Freundin mit weit aufgerissenen Augen.
“Guck mich bitte nicht so an, als seist du draufer als er”
Ich lache ein bisschen. Habe ich das gerade echt laut gesagt?
“Hast du mal ein Röhrchen, ich hab keins…”, murmele ich und lenke schnell ab. Ich meine nicht im erotischen Sinne. Nicht wirklich. Der Spiegel glänzt nicht mehr, er ist matt und staubig. “Es ist so komisch sich selbst anzusehen, wenn man zieht, oder?”, sage ich noch.
Ich denke an M. Er hat mir wieder geschrieben:
Es ist Dienstagabend und ich sitze auf einem Balkon eines Hotels in Österreich, habe den Wald direkt vor der Nase und höre die Vögel zwitschern.
Die Sonne geht langsam hinter den Bergen unter und es wird kälter. Den Tag über hatte es 21 Grad und die Sonne hat geknallt. Der Frühling ist da. Endlich. Ein wenig wirkt das, was ich sehe, sehr unwirklich – wenn ich daran denke, dass ich vor weniger als 48 Stunden noch auf einer Afterhour war, die im Zuge meines spontanen Ausflugs in meinen Standartklub zur besten Option für den Sonntag und den Abschluss des Wochenendes ernannt worden war.
Die Party war eher mittelmäßig und hat sich wenig gelohnt, aber es war ein guter Grund mal wieder zu konsumieren, worauf ich mega Lust hatte. Außerdem hab ich mal wieder viele meiner Feierbekanntschaften getroffen und habe diesmal sogar etwas gequatscht. Ein wenig fühlt es sich so an, als würde ich mich vom Feiern lösen, eine Entwicklung, die ich weniger gut finde… Auch wenn ich mit weniger Feiern cool wäre, würde ich nicht auf diesen Teil meines Lebens verzichten wollen…
Mittwochabend, es ist 21:01 Uhr und ich war bis gerade eben mit einem Kollegen auf einer Wiese an einem Hang, mitten im Wald. Wir haben Joints geraucht und uns Sternbilder angeschaut und über die Arbeit und unsere Pläne für die Zukunft geredet. Nichts Persönliches, aber trotzdem hat es gut getan mal über etwas Normales zu reden. Bis jetzt hab ich hier eine gute Zeit.
Sonntag. Ich sitze auf einer Bank im Wald und höre Phosphorescent. Gestern habe ich nach fast 2 Monaten wieder Alkohol getrunken.
Eine Flasche Schnaps und mindestens 8 Bier haben dafür gesorgt, dass ich nachts um 1 Uhr 300 Gramm Schokolade gegessen habe, die ich danach voller inbrunst wieder ins Klo gekotzt habe. Ich hasse Alkohol, aber in den letzten zwei Wochen sind einfach ein paar beschissene Dinge passiert, die mich beschäftigen.
Ich habe nie gelernt anders mit Problemen umzugehen, als mich abzuschalten.
Ist ja auch einfach. Verdrängung. Oft frage ich mich, was andere so verdrängen, von dem niemand weiß… Die mir dann im Club begegnen, in der Toilettenschlange. Die Sonne scheint auf die Bank, links von mir blühen zwei Kirschbäume.
Mir ist schlecht.
Die nächste Party wird wohl an Ostern stattfinden. Ich versuche die Übelkeit zu überwinden, lege mich ausgestreckt auf die Bank und erstelle im Kopf eine Einkaufsliste – eine lange Liste mit Drogen.
Ich grinse, schicke diesen Text an Antoinette und versuche etwas zu dösen.
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Keine Angst, M. und Antoinette Blume sind nicht für immer weg. In der Printausgabe anlässlich des 10. Jubiläums von frohfroh werden beide ihre Geschichte zu Ende erzählen – oder neu anfangen.
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Anmerkung
Du hast ein Problem mit Drogen und/oder Sucht? Dir sind manche Stellen aus dem Text sehr nah? Auf diesen Seiten findest du Listen mit Adressen und Telefonnummern u. a. von Beratungsstellen, die dir Hilfe leisten können:
Suchthilfe Leipzig (Stadt Leipzig)
Übersicht regionaler Hilfsangebote (erstellt von DrugScouts)
Übersicht überregionaler Hilfsangebote (ebenfalls erstellt von DrugScouts)
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