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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Von der Kunst des Weglassens

30. Juni 2009 / Kommentare (0)

Move D ist zurück, so scheint es. Nach dem Hit „Anne Will“ im Jahr 2005 folgte eine tolle Platte nach der anderen und auch als DJ ist er wieder regelmäßig unterwegs. Dabei war er nie weg, wie er im Interview sagt.

David Moufang alias Move D ist genauso alt wie Sven Väth, sie kommen sogar fast aus derselben Gegend. Und trotzdem sind sie verschieden wie es nur geht. Seit 2005 ist Move D als DJ und Producer wieder präsenter in den Clubs. Auch beim diesjährigen Nachtdigital wird er spielen. Für das Programmheft führte ich ein Telefoninterview mit ihm, das es hier nochmals in kompletter Länge zu lesen gibt.

Nebenbei bemerkte Move D übrigens, dass er Leipzig sehr schätzt. Besonders sein Auftritt im UT Connewitz beim R.A.N.D.-Label-Abend 2004 ist ihm in bester Erinnerung. Und: Er könnte sich sogar vorstellen in Leipzig zu leben. Aber noch bleibt Heidelberg seine Stadt.

Du warst noch nicht auf dem Nachtdigital, hast du trotzdem bestimmte Erwartungen an deinen Auftritt dort?

Nur gute, ich habe schon einiges davon gehört und finde es gut, dass die Tickets begrenzt sind. Das kann schnell anstrengend werden, wenn die Partys zu groß werden.

Magst du lieber auf Festivals oder in Clubs spielen?

Das kann man so allgemein nicht sagen. Festivals können auch ganz toll sein und es ist auch was Spezielleres, weil man das als DJ nicht jede Woche hat. Insofern ist es vielleicht ein bisschen toller. Aber ansonsten mag ich natürlich auch die kleinen Clubs.

Du machst ja schon fast zwanzig Jahre Musik, von außen sieht es aber aus, als würdest du seit 2005 mit deinem Hit „Anne Will“ einen zweiten Frühling erleben. Gab es tatsächlich eine Phase, in der du mit Musik und mit Clubmusik im Speziellen weniger anfangen konntest?

Das eigentlich weniger, aber 1997 habe ich einen Sohn bekommen und zu der Zeit hatte ich auch viel mit meinem Label Source Records zu tun. Da blieb einfach keine Zeit und irgendwie war auch ein bisschen der Schaffensdrang weg als das Kind da war, meine Frau gearbeitet hat und ich viel Zeit mit dem Kind verbracht habe. Zum Musikmachen muss man einfach die Welt abschalten können und dass geht eben nicht, wenn man ein kleines Baby hat.

Du hast in der Zeit also gar nicht mehr Musik gemacht?

Doch schon, aber das hat alles länger gedauert. Eines der Conjoint-Alben ist in der Zeit entstanden, aber das ging alles nur häppchenweise und nicht so, wie ich es eigentlich gern gemacht hätte.

Und wie fühlt es sich an, nach der Pause jetzt wieder so loslegen zu können?

Prima natürlich. Ganz weg war es ja nie. Es war und ist eigentlich auch heute noch so, dass ich nie auf Käuflichkeit geachtet habe. So wie diese Conjoint-Geschichte, wo von vornherein klar war, dass das für absolute Minderheiten, für Nischen von Nischen ist. Aber trotzdem war es für mich wichtig. Und bei anderen Sachen ist eben klar, dass es mehr Pop-Appeal hat. Aber insgesamt ist es auch ein glücklicher Zufall, muss man schon so sagen.

Dein Kind, wie steht das so zu deiner Musik?

Na ja, es geht so.

Es hat also noch nicht das große Interesse daran?

Nee, daran jetzt nicht so. Er hat aber schon mit drei Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen. Aber eigentlich ist er gerade eher so bei Nirvana und HipHop.

Stilistisch bist du eigentlich nicht festzulegen. Gibt es trotzdem so eine Essenz, einen Grundanspruch, den du bei all deinen Tracks heraushören kannst?

Sagen wir mal so, ich mache ja nicht so abstakte Musik, dass sie keine tonalen Strukturen hätte. Insofern wenn jemand anfängt Töne zusammenzusetzen und komponiert, dann ist es eigentlich schon wahrscheinlich, dass man bestimmte Präferenzen, Geschmack und ein bestimmtes Wissen heraushören kann. Ich habe ja, bevor ich Elektronik gemacht habe, lange Gitarre in Bands gespielt. Insofern ist da schon immer eine gewisse Ästhetik da. Auf der anderen Seite ändern sich Sachen. Wo ich früher versucht habe einen Akkord mit fünf oder sechs Tönen zu spielen, ist mir mit der Zeit immer bewusster geworden, dass es eigentlich nur zwei Töne sind, die von den Fünf oder Sechs die Wichtigen sind. Also kann man die dann auch weglassen.

Du gehst heute also schon anders an deine Musik heran als noch vor 15 Jahren?

Weiß ich gar nicht. Ich versuche immer an jeden Track möglichst anders heranzugehen, weil sonst wird es ja zur Methode und zu langweilig. Ansonsten ist nicht so, dass die Sachen von früher alle Käse sind. Im Gegenteil. Manchmal ist es natürlich schon eine Bürde, die man mit sich rum trägt, aber letztendlich ist es so, dass es aus jeder Phase Sachen gibt auf die ich echt stolz bin. Und genauso gibt es Sachen, die ich mir hätte verkneifen können.

Hast du eine klare Vorstellung bevor du einen neuen Track anfängst oder entwickeln sie sich einfach so?

Das kommt darauf an mit was für Instrumenten ich das mache. Wenn ich zum Beispiel mit einem Nord Modular anfange und dann auch alles damit mache, ohne Sequenzer und externe Geräte, dann ist es eher so, dass ich mich treiben lasse oder nur eine vage Vorstellung habe. Da lässt man auch den Zufall mitspielen. Das wird dann auch experimentell. Grundsätzlich mache ich gern experimentelle Sachen, wo ich mich hinsetze und völlig blind ein paar Tasten drücke, mir das dann anhöre und versuche irgendwas davon herauszunehmen. Aber genauso oft kommt es vor, dass ich einfach mit der Gitarre etwas herumdudele und dann entsteht eben eine Melodie oder eine Akkordfolge. Und dann setze ich das mit Elektronik um. Das war auch schon so als ich am Album „Kunststoff“ gesessen habe, wo ich eigentlich dachte, die Gitarre könnte ich unmöglich auspacken, das ist ja nicht cool. Aber trotzdem sind die Stücke da zum Teil mit der Gitarre geschrieben.

Unterscheidet sich die Arbeitsweise dann sehr, wenn du allein oder mit anderen Künstlern zusammenarbeitest?

Ja, mit anderen ist man viel spontaner, man muss schneller arbeiten, weil die Zeit meist sehr begrenzt ist, die man zusammen hat. Dann kann man nicht alles ins Atom zerlegen. Andererseits trägt jeder immer ein paar Ideen mit sich herum und die kann man dann eben auch mit in den Topf werfen. Es geht dann auch oft ziemlich schnell und ist grundsätzlich anders. Klar, man kann eine vage Vorstellung davon haben, ob es eher zum Tanzen oder Hören sein soll. Aber darüber hinaus kann man im Voraus nicht soviel entscheiden, man muss dem anderen ja auch Luft lassen, um sich zu entfalten. Wenn man allein arbeitet, ist es mit mehr Konzept und man hat die Möglichkeit sich quasi endlos damit zu beschäftigen. Vor fünfzehn Jahren war das vielleicht auch einfacher, weil beim Produzieren die Zahl der Elemente durch Mischpultkanäle und Synthesizer-Stimmen, die man da hatte, begrenzt war. Da musste man eben auch mal eine gute Idee verwerfen, um was Neues anfangen zu können. Da war irgendwann ein Ende gesetzt. Heutzutage ist das nicht mehr so und zum Teil merkt man das der Musik heute auch an. Da wird es manchmal schwer zu folgen, wenn alles so überladen wird oder sich so arg in die Technik versteigt. Das ist das gleiche wie mit dem Weglassen, was ich vorhin meinte. Wenn mir jemand mit drei Streichhölzern ein Haus bauen kann, finde ich das viel beeindruckender als wenn es so ein Supermodell mit echten Backsteinen ist. Oft sind die ganz einfachen Sachen, wie die frühen, so skizzenartigen und leichten Sachen von Aphex Twin, viel beeindruckender für mich. Wenn ich mich selbst austobe, kann es schon auch vorkommen, dass alles sehr clean und stylisch wird. Insofern finde ich es toll, wenn man manche Sachen ganz schnell macht und zum nächsten weitergeht.

Gab es eine Zusammenarbeit, die dir besonders gut in Erinnerung ist?

Eigentlich die meisten. Aber gerade arbeite ich wieder mit Jonah Sharp, mit dem ich 1994 Reagenz gemacht habe. Da kommt jetzt auf Workshop ein Album heraus. Wir hatten uns seit 14 Jahren nicht gesehen, damals hatten wir eine tolle Zeit und die Platte kam auch gut an. Nach 14 Jahren weiß man aber eben nicht, wie es noch klappt. Man hat sich auseinander bewegt, ich fand jetzt auch nicht alles so spannend, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte und umgekehrt vielleicht genauso. In Tokio haben wir uns letztes Jahr wieder getroffen und wir hatten da einen gemeinsamen Freund, der dort ein Studio betreut und der meinte wir könnten da mal reingehen. Und da war ich schon nicht sicher, ob man so anknüpfen kann. Aber das konnten wir schon nach fünf Minuten, so als wäre überhaupt keine Zeit vergangen.

Dieser Kontakt zu Thüringen und der R.A.N.D.-Crew und heute Workshop ist ja auch nie abgebrochen.

Genau, das ging schon zu frühen Source-Zeiten los. Von denen haben wir 1993 mit eines der ersten Demos bekommen.

Der Werdegang ist ja ähnlich, auch Lowtec hat mit Workshop so einen zweiten Frühling.

Auf jeden Fall. Ich denke, dass fällt mit dem Geschmack der Zeit zusammen. Er hat sich ja auch nicht verstellt in der ganzen Zeit. Er hat es wahrscheinlich sogar noch konsequenter durchgemacht. Und plötzlich interessiert es die Leute. Das ganze Workshop-Ding – ich bin da ja ein wenig involviert – ist ja um ein vielfaches übertroffen worden in einer Zeit, in der es an sich so schwierig ist, Platten zu verkaufen. Warum das dann so zustande kam, dass kann man glaube ich gar nicht so kalkulieren.

Aber Source Records ist wirklich ad acta gelegt oder gibt es da eventuell eine Wiederbelebung?

Da gibt es eventuell wieder was. Ich denke schon, ich habe jetzt alles abbezahlt von der Pleite mit unserem Vertrieb EFA. Es gab auch schon vorher immer mal Probleme mit anderen Vertrieben und dem Finanzamt, da hat sich so einiges angehäuft. Und mein Partner hat dann komplett das Handtuch geschmissen. Aber ich habe an sich den Laden noch und irgendwann möchte ich schon wieder was machen. Damals war es eben wirklich so ein Album-orientiertes Label mit CDs und LPs, und dafür sehe ich momentan kaum einen Markt. Die Leute kaufen einzelne Lieder auf Beatport, vielleicht wäre es aber gerade jetzt eine gute Gelegenheit wieder mit Alben zu kommen. Aber auf CDs wollte ich eben nicht bauen, und mit dem Internet weiß ich jetzt auch nicht, weil es ja schon toll ist, wenn man was in der Hand hat. Ich bin da gerade ein wenig ratlos. Ich habe da noch ein paar Sachen von früher liegen, die ich dann nicht mehr veröffentlichen konnte. Die gefallen mir zum Teil heute noch und da überlege ich, wie man das heute machen könnte.

Konkret ist aber nichts geplant?

Nein. Ich sage immer, wenn die Leute fragen, das dauert mindestens noch ein Jahr und das sage ich jetzt schon seit einer Weile. Insofern würde ich da jetzt keine Prognose wagen. Das ist auch gerade so eine Konsolidierungsphase und irgendwie möchte ich schon gucken, im nächsten Jahr vielleicht ein bisschen langsamer zu machen und dann auch wieder Zeit für andere Dinge zu haben.

Dieses Rumreisen und Auflegen begeistert dich aber trotzdem noch nach all den Jahren?

Auf jeden Fall. Es gab zwar auch schon in den Neunzigern eine Zeit, in der ich viel rumkam, auch ins Ausland. Aber eigentlich ist das kein Vergleich zu heute. Zu 90 Prozent sind die Veranstalter auch total nett und bemüht. Das ist zwar schon anstrengend und manchmal muss man dann acht Stunden irgendwo rumsitzen, aber in der Regel ist nicht so schlimm. Ich habe jetzt auch nicht das Gefühl, dass einen das so kaputt macht, es sind ja immer nette Hotels und die Spielzeiten sind genau festgelegt. Meist sind es dann ja auch nur zwei bis drei Stunden. Früher war das ja alles ganz anders, wenn man da im Ultraschall eine ganze Nacht hatte. Manchmal kann ich das aber gar nicht mehr alles aufnehmen, wenn ich freitags in Kiew bin und samstags in Manchester. Da bleibt manchmal leider nur sehr wenig. Aber es reicht meist, um zu sehen, ob es einem so grundsätzlich dort gefällt und man dort nochmals hin möchte. Es sind eben auch so viele Orte dabei, wo ich von selbst wohl nie hinfahren würde.

Kiew wahrscheinlich.

Ja, zum Beispiel. Oder Ljubljana. Und die sind dann auch interessant und können einen überraschen. Da kann man nur sehr dankbar sein.

Wie siehst du generell den House-Hype, der gerade so hoch beschworen wird?

Auf der einen Seite kann ich sagen: Na endlich. Weil mir die Musik immer gefallen hat und ich weiß, dass sie funktioniert, auch bei Leuten die damit nichts zu tun haben. Die sind dann auch dafür zugänglich, wenn es gute Musik ist. Wie eigentlich bei jeder guten Musik, auch wenn das jetzt vielleicht etwas überheblich klingt. Andererseits ist es aber schon mit Formalitäten belastet, bestimmte Elemente hört man ständig und hat sie über. Aber letztendlich ist es innerhalb dieser Grenzen doch ziemlich frei. Mir ist aber schon klar, dass das ein Hype ist und nächstes Jahr kommt dann was Neues. Aber ganz weg war es einfach nie und es wird sicher auch nicht ganz verschwinden. Mich hat es immer interessiert und ein paar andere hat es auch immer interessiert. Im Moment interessiert es eben Leute, die letzte Woche noch etwas anderes interessiert hat.

Und wie siehst du die Szene vor deiner Haustür, das Rhein-Main-Gebiet ist ja gerade auch groß im Gespräch.

Ja, wobei den Johnny D kenne ich ja schon ewig und ich finde das auch gut. Ich spiele auch Sachen von ihm und freu mich. Aber natürlich finde ich nicht alles gleich stark. Ich finde schon, dass es sehr gut funktioniert und auch recht eigen ist. Die Gegend hier war immer gut, hier gab es immer gute Leute.

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