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Autor:in

Antoinette Blume
Alles, immer, gleichzeitig und umgekehrt-nacheinander: Autorin, Journalistin, Redakteurin, Moderatorin und Podcasterin.

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Egotrip der Szene – “Private” Raves während Corona

19. Oktober 2020 / Kommentare (8)

Insta-Shots, ein Schwenk durch die Menge, schwitzende Körper, Hände nach oben, geile Stimmung, toller Vibe – ein Bild aus alten Tagen? Throwback 2019? Na ja, nicht so ganz. Letzte Woche, vorletzte Woche, in Clubs, in WGs, 2020. Ist das richtig, annehmbar, vertretbar? Antoinette Blume hat ihre Gedanken zu “privaten” Raves in Leipzig aufgeschrieben.

Wir alle wollen feiern. Ich schließe mich da gar nicht aus, überhaupt nicht. Tanzen, ungehemmt, Menschen kennenlernen, rummachen, Drogen nehmen, Afterhour, Prehour, dunkel, laut, the heat of the moment spüren, da sein, frei sein, mit anderen. Die Sehnsucht ist groß, das Verlangen wurde im Sommer mit Treffen in Biergärten, Open Airs und Sessions am heimischen Wohnzimmertisch nur semi befriedigt.

Ich verstehe das zu gut, kein Zweifel. Ich habe aber kein Verständnis für Partys mit hundert(en) Leuten, “mit” und ohne Hygienekonzept – “mit” Codewort, wenn la policia aka dein Freund und Helferlein vor der Tür steht und die Masken schnell vom Hals über Mund und Nase wandern. Wir müssen dafür nicht vorwurfsvoll nach Berlin schauen, wir können diese Diskussion hier in Leipzig führen. 

Was uns allen derzeit fehlt

Um eines vorweg zu nehmen: Veranstaltungen können stattfinden, wenn sie den Anspruch haben, das Miteinander so safe wie möglich zu machen. Dass das leider bedeutet, dass es keine Veranstaltung sein wird, die nur annähernd an “früher” rankommt, ist damit besiegelt. Das ist schade, das ist ein Verlust, das fehlt. In Anbetracht der Situation in Sachsen, in Deutschland, in den Nachbarländern, auf der Welt, sollte das jedoch irgendwie klar sein. Es sollte selbstverständlich sein, keinen fucking Egotrip zu fahren. Muss es.

Ich habe mich auch schon dabei erwischt, dass ich kurz davor war, mich für eine Party in Leipzig-Nord anzumelden. Irgendwas hielt mich dann doch davon ab. Einen Tag später wurden kurze Snaps in meinen Story-Feed gespült: ein Schwenk durch die Menge, schwitzende Körper, Hände nach oben, geile Stimmung, toller Vibe, mega voll.

Bisschen zieht es im Bauch, nicht wegen Corona, wegen the fear of missing out. Raven, Spaß haben, du bist nicht dabei. Andere erleben das, was du dir auch wünschst – und es liegt an dir, dabei zu sein oder eben nicht. Ähm, Stop mal – ist halt auch gerade Pandemie, ne? Es hält mich auch ein Solidargedanke ab, egotrippig, einfach weil “ich das jetzt will und brauche”, zu Partys zu gehen, wie ich das früher tun konnte. Trotzdem: the struggle is real.

Angebot und Nachfrage

Das Angebot ist rar, aber es ist vorhanden, da müssen wir uns nicht in die Tasche lügen. Es hat schon fast etwas Sakrales, in diesem „inner circle“ zu sein, zu wissen, wo eine private Party mit 50-100 vorangemeldeten Gästen stattfindet, sich anmelden zu dürfen. Fast gebauchpinselt fühlt man sich, in den Club der Furchtlosen aufgenommen zu sein, oder? “Du gehörst dazu”. Und dieses (warme) Gefühl ist per se nichts Falsches. Ihm nachzugeben schon.

Das Angebot zu schaffen, also diese als “privat” deklarierten Partys zu veranstalten, ist für mich zwar emotional nachvollziehbar – rational allerdings nicht. Und wer jetzt mit “es is‘ aber nix passiert!” um die Ecke kommt, bitte lasst es. Spiel mit dem Feuer, toll wenn nix passiert, ehrlich. Das System “privater Rave” ist jedoch prädestiniert dafür, aus dem Ruder zu laufen. Wer nach einer Nase Speed und einem halben Teil noch an Corona denkt, congrats! Den meisten geht’s wohl anders.

Um welchen Preis?

Ich möchte darüber reden, was in Leipzig passiert. Ich möchte sagen können, dass ich das nicht in Ordnung finde, ohne als Panikerin oder Heuchlerin abgetan zu werden, habe ich in der Vergangenheit doch auch schon mal mit mehr als zehn Leuten abgehangen. Ich möchte niemanden shamen, der zu diesen Partys geht, sie veranstaltet oder sie im Club stattfinden lässt. Allerdings müssen wir reden. Und uns bewusst machen: Das geht gerade einfach nicht klar. 

Wir setzen, ja, wir alle!, aufs Spiel, dass risikoarme Veranstaltungen durchgeführt werden können, dass das mediale Bild die Szene als egoistisch, feierversessen, unsolidarisch und teilweise echt ätzend zeigt, dass wir wirklich zum Infektionsgeschehen beitragen. Ich muss hier glaube ich nicht erwähnen, dass auch junge Menschen an Covid-19 sterben, sich nach Monaten noch nicht von ihrer Erkrankung erholt haben. Und wir, die “Jungen”, Menschen mit Vorerkrankungen, Ältere und chronisch Kranke dem Risiko schwer zu erkranken oder zu sterben aussetzen. Falls das doch breaking News sind, bin ich froh, es hiermit geteilt zu haben.

Stay safe. And think of others.  


Artwork von fragmentiert.

CommentComment

  • lle / 24. Oktober 2020 / um 03:35
    Liebe GEMEINDE!?

    der artikel von AB ist sinnvoll, treffend und vor allem nötig!
    uns allen fehlt das flattern des shirts vor dem subwoofer, das verschwitzte miteinander auf dem floor und danach.. ganz zu schweigen von den veranstaltern, crews, technikern uuu.
    in einem anderen bericht auf der seite wird vom TARMAC festival berichtet. hygienekonzept, besucherbegrenzung, adressliste.. der ganze anhang um überhaupt was 2020 auf die kette zu kriegen. ich war von anfang bis ende einbezogen und dies nicht nur bei diesem festival, auch bei mehreren corona versionen bekannter festivals in de und auch außerhalb. mein fazit? einfach richtig viel glück gehabt! man könnte im hintergrund auch 'god is a dj' laufen lassen...

    die hygienekonzepte haben überall der zustimmung der behörden bedarft, wurden abgenommen (meistens freitag vormittag), hier und da kleinere nachbesserungen und dann? kam die nacht:

    völliger abriss überall!

    na klar. die leute wollen feiern, wollen zusammenkommen, sich auslassen und den alltag wegbassen, andere welten betreten. extase nehmen und geben - nach mehreren monaten der regulation für alle(!) beteiligten einfach eine vollgassituation - ohne an den nächsten morgen zu denken...

    ja, tatsächlich hat es sich so angefühlt als wäre corona nur eine biermarke die schwere kopfschmerzen verursacht und diese schon 2 wochen her wären..

    FAIL.

    solange kein sinnvoller impfschutz da ist, kann einfach niemand für unser geliebtes, ungezwungenes miteinander garantieren. alles was jetzt passiert ist russisch roulette mit der eigenen gesundheit und der lebensfähigkeit von freunden, angehörigen und der allgemeinheit. wer das nicht begreift, agiert EGOISTISCH, UNSOLIDARISCH oder einfach ASOZIAL.
    die szene war schon vor corona durch bekannte effekte (aka 'clubsterben', 'lärmschutz', uuu) angegriffen. ein corona hotspot von einem rave, der ein paar hundert menschen 20h glücklich macht kann für die abertausende veranstalter und millionen gäste die situation nur verschärfen.

    ich will auch. immer wieder. morgen und übermorgen.

    ABER ES GEHT GERADE EINFACH NICHT!
  • Ole / 23. Oktober 2020 / um 16:35
    Ich möchte nicht auf diese komischen Kommentare hier unten weiter eingehen auser mich von diesen entschieden und dolle zu Distanzieren!

    Ich Finde den Kommentar hier von Antoinette richtig gut und es spricht mir mega aus der Seele.
    Auch ich bin emotional ziemlich down und eigentlich angewiesen auf das was uns allen leider gerade fehlt. ABER ich kann schon noch diferenzieren wie previligert das ist Feiern gehen zu können und sich das auch zu einem großen Anteil zum Lebenssinn/zweck zu machen und wie notwendig das ist dies jetzt ANDERS (und nicht nicht) zu machen. Die Covid-19 Zahlen explodieren und vor der Pandemie hätte ich nicht gedacht das ausgerechnet diese Szene es nicht packt, die aktuelle Lage moralisch vertretbar zu bestreiten.

    Ich hoffe, wie ihr wahrscheinlich alle das es bald wieder besser wird.
    Nochmal vielen Dank dir Antoinette das du das hier mal schreibst und so bewertest,
    bin da voll bei dir!

    Grüße
  • Mechi / 20. Oktober 2020 / um 20:22
    Ich bin im Februar zum zweiten Mal Mama geworden. Kurz vor Corona. Daheim hab ich auch noch eine fast dreijährige Tochter. Ich kann also derzeit gar nicht feiern gehen, selbst wenn ich wollte. Und wie ich es will. Ich vermisse es jeden Tag. Mehrmals täglich denke ich an die Zeiten vorm Muttersein, als Partys und alles was dazugehört, ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens waren. Wenig Verpflichtungen, viel Feierei. Freiheit. Rausch. Nachtbekanntschaften. Paralleluniversum. Hedonismus...
    Und ich habe mich auch gefragt, ob ich jetzt feiern gehen würde wenn ich könnte. So ganz raus bin ich noch nicht, ich hab von einigen Partys Wind bekommen. Und ich muss ganz klar sagen: ja, ich würde feiern! Und warum würde ich es tun? Weil ich es brauche, weil es ein Teil meines Selbst ist, weil ich es kann, weil ich lebe. Ich kann nicht läugnen, dass sicher auch etwas 'Kitzel des Verbotenen' dabei wäre.
    Ich weiß, das dass nicht die Einstellung ist, die derzeit sozial erwünscht ist aber so wäre es ganz sicher. Aber ein Baby, das gestillt wird und ein agiles Kleinkind haben mich in ein ganz anderes neues Universum entführt.
    Ich verstehe beide Seiten in dieser Sache. Aber eine hat mein Herz.
  • Katharina / 20. Oktober 2020 / um 13:21
    Ich finde diesen Kommentar hier sehr treffend. Leipzig ohne Feiern ist irgendwie nicht Leipzig. Und auch mutig das hier zu schreiben. Im Endeffekt kommt es nicht auf das Hashtag Solidarity an, sondern einfach mal zu sagen hey, das sind mir zu viele Leute, ich hab mega Bock, aber ich fühls nicht.
  • Antoinette Blume / 20. Oktober 2020 / um 10:01
    Hallo Dana,

    deine Meinung zum Thema hast du in deinem Kommentar bei uns deutlich beschrieben. Er ist somit Teil der Diskussion. Dass mein Kommentar, mein Text für dich peinlich ist, muss ich wohl so akzeptieren – wie war das noch mit dem Ton der Kommunikation? Geschenkt ;)

    – AB
  • Dana / 20. Oktober 2020 / um 09:36
    Wow, was für ne Antwort Antoinette. Danke vielmals für nichts und deinen peinlichen Kommentar. Du wolltest doch Raum zum diskutieren bieten...
  • Antoinette Blume / 20. Oktober 2020 / um 08:28
    Hallo Dana,

    danke für deinen Kommentar. Da verwechselst du etwas: Du liest hier keinen Artikel, keine „objektive Berichterstattung“ wie von dir gewünscht oder ein Feature von uns. Es ist ein Kommentar.

    – AB
  • Dana / 20. Oktober 2020 / um 00:51
    Das klingt mehr wie ne persönliche Belehrung der Autorin. Sehr unreflektiert und pathetisch. Ich werde mich nicht rechtfertigen im Sinne a la Betroffene Hunde bellen, wenn man das hier liest versteh ich einfach nur wie verbittert und traurig die Autorin über den Allgemeinzustand corona und der Umgang damit ist. Echt Mau das hier nur von einer Seite zu beleuchten. Ist auch nicht meine Aufgabe das jetzt zu korrigieren. Find das nur super unsympathisch und das von nem Magazin von welchem ich ein bisschen mehr Verständnis zu diesem Thema erwartet hätte oder eben die Fairness einer objektiven Berichterstattung. Oder wenigstens mal kreative Lösungsansätze der Autorin. “Medien und ihre Panikmache. Da haben wir’s wieder.„ Ich hoffe die Redaktion erkennt die Ironie meines Kommentars im Zusammenhang mit diesem Beitrag ;) Es kommt auf die Art und den Ton der Kommunikation an.

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