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Autor:in

Lea Schröder (sie/ihr)
Umgeben von leeren Mateflaschen und vollen Aschenbechern schreibe ich am liebsten gründlich recherchierte und stets viel zu lange Reportagen und Features, die sich mit politischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Clubkultur beschäftigen. Bin in präpandemischen Zeiten so gut wie jedes Wochenende raven gegangen und lege als shrœderin energiegeladenen Techno auf. (Foto: Sophie Boche)

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Konsequenzen für Täter: Das kannst du tun, wenn du sexualisierte Gewalt im Kontext der Leipziger Clubkultur erlebt hast

08. Februar 2021 / Kommentare (1)

Wenn du sexualisierte Gewalt durch eine Person erfahren hast, die sich im Leipziger Clubkontext bewegt, gibt es einige Wege, Unterstützung zu erhalten und gegen die Person vorzugehen – auch, wenn diese als DJ, Veranstalter oder in anderen Machtpositionen unterwegs ist. 

Vorab: In den Erfahrungsberichten zeigt sich, dass es mehrere Menschen geben kann, die Gewalt durch dieselbe Person erlebt haben. Wenn du mitbekommst, dass eine Freundin oder ein Bekannter von dir von derselben Person sexistisch, respektlos, übergriffig oder anderweitig gewaltvoll behandelt wurde, connected euch. Egal, ob ihr euch an gemeinsame Freund*innen wendet, an das Kollektiv der Person oder an einen Club, in dem die Person als Gast oder DJ unterwegs ist oder selbst Raves veranstaltet – gemeinsam kämpft es sich leichter. 

Doch auch wenn du keine andere betroffene Person kennst, mit der du dich verbünden kannst, hast du die Möglichkeit, dich konkret gegen Leute zu wehren, die im Clubkontext unterwegs sind und Gewalt ausüben1

Auch wenn es dir unangenehm ist, auch wenn du dich schlecht fühlst, auch wenn du erst mal nur drüber reden willst oder auch gar keinen Bock hast drüber zu reden. Sprich uns an.“ – Support-AG des Institut fuer Zukunft, Website

Die nachfolgend beschriebenen Prozesse in den Clubs gelten nicht nur für jegliche Art sexistischer Diskriminierung, Grenzüberschreitungen und/oder Gewalt, sondern für jede Art von Diskriminierung, Grenzüberschreitungen und/oder Gewalt – also auch bei Erfahrungen von Rassismus, Klassismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit und anderen Diskriminierungserfahrungen.

Unterstützung durch den ASL

Wenn du im Umgang mit sexueller Belästigung oder sexualisierter Gewalt – egal durch wen und in welchem Kontext – Unterstützung suchst, kannst du dich zunächst an den Antisexistischen Support Leipzig (ASL) wenden. 

Die Gruppe schreibt auf ihrer Website: „Wir [möchten] mit dem Antisexistischen Support Leipzig eine feste Struktur schaffen, die es betroffenen Personen ermöglicht, Rückhalt und Unterstützung zu erfahren – die in Gruppen oder Freundeskreisen eventuell zu kurz kommen – um Geschehenes zu reflektieren, es ansprechbar zu machen und politisch zu thematisieren.“

Wenn du dem ASL unter support-asl@riseup.net eine Mail schreibst, vereinbart die Gruppe mit dir ein Treffen an einem Ort deiner Wahl. Das läuft dann so ab: Dieses Gespräch ist anonym und es ist auch nicht notwendig, den Vorfall explizit zu schildern […] – Du entscheidest selbst, was du uns erzählen möchtest. Auch unsere Unterstützung richtet sich danach, was du möchtest und brauchst. Wir werden gemeinsam schauen, was für dich passt und wir unternehmen nichts, was du dir nicht ausdrücklich von uns wünschst. […] Wir [sind] solidarisch mit dir und [stellen] deine Wahrnehmung des Geschehenen nicht in Frage.“ (Mehr dazu hier)

Darüber hinaus hat der ASL auf seiner Website einige Hinweise und weitere Anlaufstellen verlinkt, wenn es um einen Notfall geht.

Hausverbote und andere Sanktionen durch Clubs

Wenn du beispielsweise Clubs meidest, in denen die gewaltausübende Person häufig unterwegs ist, dich beim Feiern unwohl fühlst, weil du Angst hast, der Person zu begegnen oder wenn du befürchtest, die Person könnte auch gegenüber anderen Leuten gewalttätig werden, kannst du die jeweiligen Clubs auffordern, der Person ein Hausverbot zu erteilen, was im Fall eines DJs auch ein Gigverbot einschließt. 

Conne IslandElipamanoke und das Institut fuer Zukunft haben auf Anfrage hin erläutert, wie Betroffene sich an sie wenden können und wie die Prozesse um Unterstützung für Betroffene und Konsequenzen für Gewaltausübende von ihren Crews gehandhabt werden. Mjut und Distillery haben dazu keine Angaben gemacht. 

Conne Island

Wenn ein Vorfall während einer Veranstaltung stattfindet, kannst du dich direkt an die Mitarbeiter*innen des Conne Island wenden – zum Bespiel die Leute am Einlass, das Security-Team oder das Barpersonal. 

Außerhalb des Clubbetriebs kontaktierst du am besten die Unterstützungsgruppe des Conne Island per Mail: unterstuetzung@conne-island.de. Alternativ kannst du selbst oder eine Vertrauensperson am wöchentlichen, zentralen Montagsplenum teilnehmen und der Crew deine Erfahrungen bzw. Forderungen in diesem Rahmen mitteilen. 

Falls du lieber erstmal im kleinen Rahmen mit den ehrenamtlichen Mitgliedern der Unterstützungsgruppe reden möchtest, gibt es die Möglichkeit zu einem vertraulichen Gespräch. Du wirst darüber informiert, welche Möglichkeiten es neben einem Hausverbot gibt und wie der Entscheidungsprozess über Sanktionen im Conne Island abläuft.

Wenn du dir wünschst, dass deine Forderungen stellvertretend für dich ins Montagsplenum gebracht werden, übernimmt das die Unterstützungsgruppe für dich – und zwar „so transparent wie möglich, um eine gute Entscheidungsgrundlage zu haben und gleichzeitig so diskret/anonym/abstrakt wie möglich, um die Anonymität der betroffenen Person zu schützen“. 

Ob deine Geschichte dabei so anonymisiert werden soll, dass das Plenum keinen Rückschluss auf deine Identität ziehen kann, was genau dabei gesagt werden darf, und was nicht, bestimmst du. Das gilt auch für den gesamten Prozess: „Es wird mit der Betroffenen immer rückgekoppelt, was passiert – nichts wird gegen den Wunsch der Betroffenen getan“, schreibt die Unterstützungsgruppe. 

Das Montagsplenum entscheidet letztendlich über die konkreten Konsequenzen für die gewaltausübende Person. Die Gruppe betont, dass wegen der Individualität und Komplexität jedes Falls nie nach einem bestimmten Schema vorgegangen wird. Dennoch gibt es einige Faktoren, die bei einer solchen Diskussion berücksichtigt werden: Zuerst deine Wünsche oder Forderungen, außerdem „die Schwere der Tat bzw. des Vorfalls“, „der Verlauf der bisherigen Auseinandersetzung“, „ob die betroffene Person/die gewaltausübende Person am Laden aktiv ist“ sowie „die Reflexion, Einsicht und die aktive Mitarbeit der gewaltausübenden Person“. Letzteres kann sich auf die Dauer des Hausverbots auswirken. 

Im Plenum werden alle Belange, also auch die Anfrage für eine Hausverbot, im Konsensprinzip entschieden – somit kann es auch passieren, dass das Ergebnis der Diskussion nicht deinen Forderungen entspricht.

Angenommen, das Montagsplenum entscheidet für ein Hausverbot. Die gewaltausübende Person erhält das Hausverbot in der Regel immer mit einer Begründung sowie Bedingungen, die an die Aufhebung geknüpft sind. Wenn du dir Anonymität gegenüber der gewaltausübenden Person wünschst – wenn die Person also nicht wissen soll, dass du das für sie geltende Hausverbot gefordert hast – werden im Gespräch Formulierungen genutzt, die Rückschlüsse auf dich erschweren. Die Frage, wie viele Informationen zur Begründung eines Hausverbots kommuniziert werden müssen, werde derzeit im Plenum diskutiert, schreibt die Unterstützungsgruppe.

Das Conne Island handelt in solchen Fällen nach dem Ansatz der Transformativen Gerechtigkeit bzw. ‚Transformative Justice‘. Deshalb kann sich die gewaltausübende Person gegenüber der Crew äußern, wenn sie ein Hausverbot erhalten hat: „Es gibt die Möglichkeit für die gewaltausübende Person, ins Plenum zu kommen, sich zu erklären und für eine Aufhebung des Hausverbots zu plädieren. Grund dafür ist der Ansatz, dass statt einem Ausschluss von gewaltausübenden Personen die Möglichkeit zur Transformation gegeben sein soll.“ Wenn du der Person gegenüber anonym bleiben möchtest, kann dies „unter Umständen zulasten des transformativen Anspruches gehen. Allerdings ist dieser in solchen Fällen sekundärer Natur, denn wie gesagt: Im Zentrum steht die betroffene Person und ihre Wünsche.“

Elipamanoke

Im Elipamanoke sprichst du während einer Veranstaltung am besten das Awareness-Team an, du kannst dich aber grundsätzlich auch an alle anderen Mitarbeiter*innen wenden. 

Außerhalb von Veranstaltungen kannst du oder eine Vertrauensperson dem Awareness-Team jederzeit eine Mail schreiben (awareness@elipamanoke.de) oder nach Absprache außerhalb der Club-Öffnungszeiten vorbeikommen, wenn du ein persönliches Gespräch bevorzugst.

Wie es dann weitergeht, wird natürlich zuerst mit dir und danach erstmal nur innerhalb des Awareness-Teams besprochen. Dabei richtet es sich nach deiner Definitionsmacht. Wenn du anonym bleiben möchtest: „Der betroffenen Person wird Anonymität nach eigenem Ermessen gewährleistet. Alle persönlichen Daten der betroffenen Person (oder Dritter) werden selbstverständlich sensibel behandelt und geschützt. Niemand außerhalb des Awareness-Teams erhält Informationen über die Person oder Details des Tathergangs“. Die Entscheidungen basieren grundsätzlich auf deinen Wünschen und Forderungen, schreibt das Awareness-Teams.

Im Anschluss teilt das Team der Club-Leitung alle notwendigen Informationen mit und spricht deine Empfehlung bzw. Forderung aus. Wenn es möglich ist, wird dann die gewaltausübende Person kontaktiert und über die Konsequenzen informiert. 

Auch, wenn du kein Hausverbot forderst, kann sich das Awareness-Team dafür entscheiden: „Wir machen aber auch von unserem Hausrecht Gebrauch. Stellt nach unserer Einschätzung der Täter/die Täterin eine Gefahr für andere dar (z.B. durch diskriminierendes Verhalten jeglicher Art), bieten wir diesem Menschen nicht länger eine Plattform und sprechen dann ein Hausverbot und Auftrittsverbot aus.“

Institut fuer Zukunft

Im IfZ kümmern sich die Support-AG (per Mail: support@ifz.me) oder die Safer-Clubbing-AG um dein Anliegen. 

Wenn du etwas bei einer Veranstaltung erlebst und unmittelbar Support bzw. Konsequenzen wünschst, kannst du dich an alle Mitarbeiter*innen des Clubs wenden – am besten an das Safer-Clubbing-Team (in weißen T-Shirts) oder an die Security-Mitarbeiter*innen an der Tür (die bei Bedarf auch das Safer-Clubbing-Team anfunken können). 

Die Safer-Clubbing-AG schreibt dazu: „Bei unklaren, komischen, unangenehmen Situationen können wir jederzeit gern angesprochen werden.“ Wie es danach weitergeht, entscheidest du selbst: „Jeder Schritt wird mit der Betroffenen abgestimmt. Wir arbeiten nach dem Konzept der Definitionsmacht – das heißt, wir orientieren uns am subjektiven Erleben der Betroffenen.“

Wenn du außerhalb einer Veranstaltung nach Unterstützung fragen möchtest, kannst du die Support-AG per Mail kontaktieren. „Wenn sich jemand übergriffig verhalten hat, kann man auch eine Sanktion als Club aussprechen – schließlich möchten wir als Club unseren Raum vor gewaltausübenden Menschen schützen, besonders wenn diese uneinsichtig sind“, schreibt die Support-AG. 

Ob und welche Sanktionen es gebe, werde anhand der individuellen Fälle im Plenum der AG entschieden. Dabei wird so vorgegangen: „In erster Linie spielt immer die wichtigste Rolle, was die betroffene Person sich wünscht. Im zweiten Schritt wird sich angeschaut, was davon wiederum den Club tangiert. Im dritten Schritt ebenfalls, welche Infos es zur gewaltausübenden Person gibt, wie glaubwürdig diese ist, wie einsichtig, oder interessiert an einer Verhaltensänderung oder generell schon einem Verständnis der übergriffigen Situation.“

Falls du möchtest, dass die gewaltausübende Person ein Hausverbot bekommt: „Die Support AG bespricht im Plenum das Vorgehen und stimmt sich mit der Security AG ab, die ja wiederum Hausverbote durchsetzen. Ein Hausverbot schließt ein Gig-Verbot ein, das wird dem Booking dann kommuniziert.“ 

Wenn du dir wünschst, gegenüber der gewaltausübenden Person anonym zu bleiben: Es werden keine Namen genannt, keine Infos dringen nach außen und die Fälle werden so abstrakt wie möglich umschrieben, um den Rückschluss auf dich zu erschweren. Die gewünschte Anonymität schränke zwar die Möglichkeit einer Aufarbeitung und Reflektion des Falls mit der gewaltausübenden Person ein, schreibt die AG – doch „dem Wunsch, der gewaltausübenden Person mitzuteilen, inwiefern sie sich grenzüberschreitend verhalten hat, sind die Sicherheit und die Bedürfnisse der betroffenen Person übergeordnet.“ 


Illustration von Jasmin Biber.

CommentComment

  • Mina Mahmoodian / 12. April 2021 / um 21:53
    Liebe Menschen,

    ich bin Mina Mahmoodian und schreibe gerade meine Masterarbeit zum Thema Safe(r) Space im Kontext Club. Ich forsche partizipatorisch und habe ein Fallbeispiel in Stadt Bochum, wo sexualisierte Gewalt begünstigt und bewusst weg geschaut wurde und gleichzeitig wurde der Club als Safe Space für Spende-Sammlung präsentiert wurde. Im rahmen meiner MA aber auch im Rahmen der lokalen feministischen Aktionswochen in Bochum biete ich einen DenkLabor am 16 April zu diesem Thema. Dazu kommen meistens lokale Expert*innen und Alltagsexpert*innen aber auch aus Berlin kommt z.B eine Person aus der Awareness-Academie von Club-Commission. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch aus eurer ganzen Organisation und Initiativen, die mit euch kooperieren mindestens eine Person online mitmacht. Die Perspektive von eurer Richtung könnte unsere Runde noch diverser machen.
    Ich freue mich sehr über eure Rückmeldung. Ihr könnt mich auch jede Zeit anrufen : 0152 510 49 446-
    Liebe Grüße
    Mina

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