Ja, ich lege auf. Nein, ich bin keine DJane.
Zwar ist das Wort DJane fest im deutschen Vokabular verankert; auf der Suche nach einer Frau, die auflegt und DJane genannt werden will, ist man – oder zumindest ich als Autorin dieses Artikels – jedoch ohne Erfolge. Wenn, dann wird dieses Wort gefühlt aus Unwissen, Unsicherheit, gutem Willen oder dem Bedürfnis, gendern zu wollen, verwendet. Viele wissen, dass das Wort veraltet ist, vielerorts wird der Begriff als “Unwort” bezeichnet. Aber warum? Genauso unfruchtbar wie die Suche nach einer echten DJane war es auch die Recherche nach einem Text, der final aufdeckt, warum wir dieses Wort aus unserem Vokabular streichen sollten. Wir wollen deshalb ein für allemal besiegeln, warum weiblich gelesene DJs keine DJanes sind. – Ein Kommentar von Amy Woyth
Während im deutschen Wikipedia-Eintrag zum Terminus “DJ” der vermeintlich weibliche counterpart noch im ersten Absatz der Begriffserklärung aufgegriffen wird, befindet sich das Wort DJane im englischen Wikipedia-Text deutlich weiter unten – und wird so erklärt: “a term describing female DJs used in countries such as Germany that employ grammatical gender in their languages.” Aha. Obwohl sich auf der Suche nach der Begriffsherkunft nicht viel mehr ergibt, macht sich bemerkbar, dass dieses Wort wohl vor allem im deutschsprachigen Raum Verwendung findet. Im deutschen Eintrag lautet die Definition übrigens so: “Weibliche DJs werden oft als DJane, seltener als She-DJ bezeichnet.”
She-DJ? Seriously?
In vielen Artikeln wird der Konflikt zum Begriff freilich schon aufgegriffen, entweder in Interviews, in denen Frauen betonen, sie würden nicht DJane genannt wollen werden, oder in Texten, in denen sexistische Inhalte reproduziert werden. Oder es kommt beides vor. Szene Hamburg betitelt ihren Text über weibliche DJs als Seltenheit in Clubs folgendermaßen: “Die DJane ist tot, lang lebe der DJ” – für die DJ hat es dann wohl nicht mehr gereicht.
Philipp Köpp, Autor des esquire Magazins, stellt Ende 2020 ein paar coole DJanes vor und schreibt als Einleitung: “Immer noch sind viel zu viele weibliche DJanes unentdeckt und bleiben das vermutlich auch. Einfach nur, weil sie Frauen sind. Oder können Sie sich an eine wirklich berühmte DJane erinnern?”. Nein, Philipp, bestimmt kann sich niemand eine eine wirklich berühmte DJane erinnern – weil sie halt Frauen sind. Den meisten Menschen werden Paris Hilton oder Nina Kraviz selbstverständlich kein Begriff sein. Ellen Allien? Never heard of her. Charlotte de Witte, Amelie Lens wer? Sorry, Philipp, doesn’t ring a bell.
Nochmal back to basics: Der Begriff DJ bedeutet “Disc Jockey” und kommt aus dem Englischen. Dort wird zwar mal die Übersetzung für Schauspieler “actor” in der weiblichen Form als “actress” gegendert, es haben sich beispielsweise für einige Berufsbezeichnungen wie “steward” und “stewardess” aber auch neutrale Begriffe wie “flight attendant” etabliert.
Dennoch: der Begriff disc jockey ist eine genderneutrale Bezeichnung, rein sprachlich ergibt “DJane” gar keinen Sinn und geht an der Bedeutung des Begriffs komplett vorbei. Das Verb “to jane” gibt es bekannterweise nicht. Was soll eine “disc jockey-ane” sein? Wieso erfindet man eine unnötige Zweitbezeichnung? Dass es um die Tätigkeit und nicht den Beruf geht, sei mal dahin gestellt.
Long story short: DJane macht keinen Sinn. Nicht nur keinen Sinn, vielen ist der Begriff sogar unangenehm, weil er Klischee-Bilder erzeugt und reproduziert. Um euch die causa DJane noch näher zu bringen und once and for all zu klären, haben wir uns umgehört und FLINTA via Instagram befragt, warum sie nicht DJane genannt werden möchten. Danke hierfür an den Account @iam_a_dj für den Support!
Eine Userin schrieb uns: “‘to jockey’ bedeutet bugsieren. Ich bugsiere die Platte an die richtige Stelle/in die richtige Geschwindigkeit, um sie zu mixen. Das macht Sinn und ist geschlechtsneutral. Warum also der Aufriss?
Wenn man das unbedingt gendern will, dann nennt man mich Discbugsiererin.”
– ein guter, treffender Punkt. Aber der sprachliche Aspekt ist nicht der einzige Grund dafür, warum der Begriff Augenrollen, Kopfschütteln und anderweitige Verzweiflung auslöst, sobald man ihn hört oder liest.
1. Ich Tarzan, Du Jane
Ja, wer ist diese Jane denn eigentlich? Der Name Jane suggeriert eine Assoziation: Die von Tarzan und Jane. Aber welches Frauenbild wird dort vermittelt?
Sind weibliche DJs hilflose Frauen im Urwald, die von einem starken Mann auf einer Liane gerettet werden müssen?
Während diese Assoziation das Bild der primitiven Rollenverteilung reproduziert – und sowieso einen verniedlichenden Beigeschmack mit sich trägt – hat das Auflegen per se ja nichts mit Disney am Hut. Und wenn schon: warum Jane? Warum nicht Jessica, Jacqueline, Johanna oder Jasmin? Oder warum heißt der männliche DJ nicht DTarzan? Oder DJoe, DJack, DJohann, DJonas oder DJulian?
2. Girlboss
Girlboss, Powerfrau, DJane. Dass man die Besonderheit einer Frau, die besonders powerful ist, die Sachen so gut kann, wie Männer, hervorheben muss, ist fest in unserer Sprache verankert. Aber habt ihr schon mal von einem man boss oder einem Powermann gehört?
Marie Campisi schreibt in Schluss mit der “Girlboss”-Kultur auf jetzt.de folgendes: “Boss ist Boss, daran ändert das Frausein nichts. Ja, es ist immer noch eine Besonderheit, wenn eine Frau der Boss ist. Durch die Nennung des Geschlechts manifestieren wir diese Besonderheit aber weiter. Genauso ist es auch beim Begriff Frauenpower – Power wird bisher nur Männern zugeschrieben. Hat eine Frau Power, wird das als etwas Außergewöhnliches dargestellt.” Dass man also in einer ohnehin männerdominierten Clubkultur die Besonderheit einer Frau, die auflegt, betont, ist mehr als nur kontraproduktiv. Es ist sexistisch.
3. Tokenism
Achtung, eine Frau legt auf! Der Begriff DJane wurde erfunden, um Frauen im Line-Up als solche zu kennzeichnen – und so ein Alleinstellungsmerkmal befeuert, wie eben erklärt, Sexismus. Und erinnert ihr euch noch an das “Miss” im Künstlerinnennamen? “Ich will Musik machen, ohne heteronormative Denkmuster zu stärken,” macht FLAX von Metaware als Antwort auf unsere Umfrage klar.
In einem Interview mit Das Filter sagt Clara Moto dazu: “Etwas, das ich oft zu hören bekomme ist: ‘Du bist meine Lieblings-DJane’ oder ‘Du bist meine liebste weibliche DJ’, als wäre Frau-sein ein eigenes Subgenre. Da wird dann abgestuft, weil all die, die das sagen, haben natürlich auch einen männlichen Lieblings-DJ. Das mit dem Lieblingsfrauen-DJ, das kriege ich sehr häufig zu hören. Damit tue ich mich schwer: Es ist natürlich nett gemeint, aber zeigt, wie männlich dominiert die Wahrnehmung noch immer ist.”
Sechs Jahre nachdem Clara Moto dieses Interview geführt hat, liest es sich immer noch so im Line-Up: “Kann das sein? Eine Frau, die es tatsächlich schafft, mit Schallplatten und USB-Sticks umzugehen? Krass.” Und da dieser Effekt teilweise auch ohne Präfix gegeben ist, können wir es ja gleich lassen, oder?
4. Die Binaritätsfrage
“Wenn wir anfangen, männliche und weibliche DJs so zu trennen, was benutzen wir für nonbinäre DJs?”
“Wenn wir schon einen genderneutralen Begriff haben, sollten wir ihn nicht kaputt machen, indem wir ihn gendern. Als Selbstbezeichnung ist das natürlich was ganz anderes – jede Person kann das für sich entscheiden, aber nicht für alle anderen,” macht Instagram-Userin Mx. Plastic auf unsere Umfrage deutlich – ein sehr guter Punkt.
Der Begriff DJane ist eben kein Wort, der allumfassend für alle FLINTA* verwendet werden kann. Man verzerrt die Bezeichnung disc jockey mit der vermeintlich weiblichen Form nicht nur sprachlich, sondern auch gesellschaftlich; was nicht heißen soll, dass Personen, die ihn für sich selbst verwenden wollen, das nicht dürfen oder sollen.
Klar, es ist oft nicht böse gemeint, wenn dieser Begriff in Gesprächen, Promotexten oder sogar Flyern und Plakaten verwendet (bzw. unterstellt) wird. Aber es ist eben ermüdend, jedes Mal aufs Neue zu erklären, warum dieser Begriff Unbehagen auslöst, warum er nicht korrekt ist und welche Problematiken er mit sich bringt. Also, liebe Menschen: wie so oft, reflektiert euren Sprachgebrauch, bildet euch weiter und achtet darauf, ob die betreffende Person sich selbst diese Bezeichnung zugeschrieben hat. Denn indem dieses Wort aus unserem Vokabular gestrichen wird, wird die Clubkultur noch ein weiteres Stück inklusiver.
FLINTA* bedeutet: Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-Binäre-, Trans- und Agender-Personen – also alle, die durch patriarchale Strukturen benachteiligt werden.
Das Titelbild ist von Alex Brade erstellt worden, ein großes Dankeschön dafür. Vielen Dank an @iam_a_dj, alle Beteiligten der Umfrage und danke auch an alle FLINTA* DJs, die uns ihre Bilder geschickt haben. Vielen Dank außerdem an Josy Kienle und Kim Camille für ihre Zuarbeit: Alle Fotos wurden von ihnen collagiert.