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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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20 Jahre Altin Village & Mine

06. April 2022 / Kommentare (0)

Eines der spannendsten und musikalisch offensten Leipziger Labels feiert in diesem Jahr sein großes Jubiläum. Mit Showcases im Frühjahr und einer großen Compilation im Herbst. frohfroh begleitet dieses besondere Jahr von Altin Village & Mine.

Was haben bekannte Bands wie Die Goldenen Zitronen, Xiu Xiu, Future Islands, Fenster, Deehoof oder Acts wie P.A. Hülsenbeck, Sven Kacirek, Map.ache, Phoebe Killdeer von Nouvelle Vague sowie die Pulp Fiction-Schauspielerin Maria de Medeiros gemeinsam? Sie alle hatten in den vergangenen 20 Jahren Berührungspunkte mit Altin Village & Mine. Das Label zelebriert wie kaum ein anderes aus Leipzig die Auflösung der Genres. Sich durch den gesamten Back-Katalog mit über 70 Releases durchzuhören, gleicht einem Ritt durch verschiedene Welten. Indie und Punk hier, Electronica und Avant-Pop dort, Classic neben Future.

Das Erstaunliche dabei: Sowohl musikalisch als auch artwork- und musikvideo-gestalterisch agiert Altin Village & Mine auf internationalem und super professionellen Level. Und das eben durchweg seit 20 Jahren. Shame on us, dass bei uns darüber bisher so wenig berichtet wurde. Aber auch das ist Altin Village & Mine: Höchst bescheiden und unaufdringlich, was Promo angeht. Wie ein Riese unter dem Radar. Aber mit viel Dynamik – denn 2021 ist das Label zu einem Kollektiv zwischen Leipzig, Berlin und Köln avanciert.

Das Jubiläum nehmen wir zum Anlass, Altin Village & Mine dieses Jahr stärker in den Fokus zu rücken. Deshalb präsentieren wir den Jubiläums-Showcase im UT Connewitz und haben Marcel Schulz vom Label interviewt. Im Herbst soll dann eine große 3-fach-Vinyl-Jubiläums-Compilation namens „Free/Future/Music“ erscheinen – begleitet von einer Buch-Publikation. Aber erstmal: Here we go, Marcel:

20 Jahre Altin Village & Mine ist eines der dienstältesten Leipziger Labels – gibt es einen Gründungsmythos, den du uns hier preisgeben magst?

Der Labelgründung geht meine eigene Sozialisation als Teil der sogenannten DIY-Hard-Core-Szene voraus. Anfang der Neunziger waren US-Labels wie Dischord, Ebullition und Touch & Go essentiell für mich. Verstärkt wurde die entfachte Leidenschaft, durch eine überdurchschnittlich gut strukturierte Fanzine- und Mixtape-Kultur, die komplett autark, ohne das Internet funktionierte. Das motivierte mich, meine Freizeit interessenbezogen mit Inhalt zu füllen. Daraus resultierten mehrere Brieffreundschaften, inklusive dem Versand von Mixtapes, was mich dazu animierte, mit Freund:innen eigene Fanzines zu publizieren, für andere Künstler:innen Shirts zu drucken, Shows zu organisieren und das erste stripped down Drum-Kit von einem Klassenausflug mitzubringen. Dann spielte ich in eigenen Bands und wir veröffentlichten Mitte der Neunziger in Eigenregie die ersten Platten. Mit dem letzten Projekt planten wir, uns teilweise den Europa-Touren von befreundeten US-Bands, anzuschließen, weshalb wir unbedingt eine Veröffentlichung benötigten, die wir uns wiederum mit Freunden aus New York teilten. Und so gründeten Oliver „Holm“ Schütze und ich 2002, out of the blue, das Label Altin Village & Mine.

Altin Village & Mine ist ähnlich wie Warp, Kompakt etc. stilistisch sehr offen – was sind für dich die roten Fäden im Artist-Roster und Label-Katalog?

Wenngleich unsere Releases von einer subjektiven Ästhetik geprägt sind, dient eine reflektierte und kritische Haltung gegenüber bestehenden Verhältnissen als Grundlage und ist mindestens genauso wichtig, wie der rein musikalische Output. Darüber hinaus pflegen wir enge Freundschaften zu unseren Künstler:innen, die oftmals seit mehreren Jahren bestehen. 

Ist es schwerer, als Label so breit gefächert zu sein?

Total! Damit haben wir uns anfänglich sicher keinen Gefallen getan. Dennoch war uns Diversität immer wichtiger, als die Reproduktion des Backkatalogs, auch wenn es mit einer ökonomischen Unvernunft einher ging. Der Gedanke an Homogenität hat sich nie richtig angefühlt, sondern im Gegenteil, nach Tristesse und Stillstand. Daraus resultierend, stellte sich immer wieder die Frage: Weitermachen oder aufhören? Aktuell bin ich froh, dass wir seit Anfang 2021 als Kollektiv organisch zusammenwachsen und ressourcenorientiert Aufgaben verteilen. Danke Benni, Carmi, Sonja und Patrick.

Ihr wart immer sehr international ausgerichtet – wo sind eure Die Hard-Fans?

Das kann ich tatsächlich nicht beantworten, wahrscheinlich am Samstag im UT Connewitz?! (lacht) Als wir Bestellungen noch selbst abgewickelt haben, mussten wir regelmäßig Päckchen nach England, Spanien, Italien, Schweden und natürlich vorrangig Deutschland verschicken. Das war allerdings immer vom jeweiligen Genre der Veröffentlichung abhängig. Dank unserer weltweiten Vertriebsstruktur, die unsere Freund:innen von Morr Music, mit dem angegliederten gut sortierten Mailorder Anostprofessionell zuverlässig koordinieren, habe ich darin keinen Einblick mehr.

Was sind deine persönlichen Highlights in den letzten 20 Jahren Altin Village & Mine gewesen?

Jedes Release war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von besonderen Momenten getragen und wurde von einer langen Welle der Euphorie begleitet. Das war, unter anderem, auf den engen Austausch mit Freund:innen und die gemeinsamen Touren zu den jeweiligen Alben, die sich größtenteils wie Urlaub anfühlten, zurückzuführen. Wenngleich ich mit etwas Abstand sagen muss, dass ich nicht mehr zu allen Veröffentlichungen aus der Vergangenheit einen starken Bezug habe oder diese gar rezipiere. Ich bewege mich größtenteils doch lieber in der Gegenwart und vielleicht sogar ein klein wenig in der Zukunft. Wir befinden uns in der glücklichen Situation, auf Augenhöhe in einem kreativen Netzwerk aus talentierten Künstler:innen (Musik, Artwork, Video), in professionelle Strukturen (Vertrieb, Medienpartner, Presswerk, Booking), auf freundschaftlicher Ebene zu agieren und dabei meistens ein entspanntes Lächeln auf den Lippen zu tragen. Ich glaube das ist tatsächlich mein Highlight.

„Das macht mich glücklich und dafür bin ich zutiefst dankbar.“

Vielen Dank, Marcel, für das Interview. Damit nicht genug: Trotz des Stresses der Showcase-Vorbereitung hat er uns eine Playlist mit einigen Highlights aus 20 Jahren Altin Village & Mine zusammengestellt. Und in den nächsten zwei Jahrzehnten begleiten wir das Label intensiver, versprochen.


20th Anniversary of Altin Village & Mine – Showcase Leipzig

Am 9. April 2022 feiert Altin Village & Mine im UT Connewitz sein Jubiläum – mit drei Acts, die in diesem Jahr auch jeweils ihre Debüt-LPs bei dem Label veröffentlichen werden: Kalme, Modus Pitch und Cloud Management. Tickets gibt es online hier.

+++ Wir verlosen 1×2 Tickets für den Showcase – bitte schickt bis Freitag (08.04.22), 12 Uhr eine Mail an dance@frohfroh, Betreff: 20years AVM +++

Kalme ist ein Solo-Projekt von Sonja Deffner. Die Musikerin war bereits in vielen anderen Bands involviert, darunter Jason & Theodor, Die Heiterkeit, PTTRNS oder der Band von Christiane Rösinger. Soeben ist ihr erstes Album »Neue Sprache« erschienen, auf dem sie mit Synthesizer, Perkussion und Klarinette „intime und eindringliche, feministische Reflexionen über Atomisierung und Solidarität“ vertont.

Cloud Management pulsiert sich zurück in den trippig-elektronischen Minimalismus der 1960 und 1970er Jahre. Poly-rhythmisch groovend und dicht verwoben. Ulf Schütte sowie Mitglieder der Band Love-Songs stecken hinter dem Projekt. Im Herbst erscheint deren Debüt „s/t“.

Modus Pitch ist das Projekt des Leipziger Musikers Fritz Brückner, der auch bei White Wine mitwirkt. Hier befreit er sich scheinbar von allen Genre-Fesseln und bringt zusammen mit Freund:innen Jazz, New Age, Dub, Elektronik und Post-Punk zusammen. Ein extrem vitaler und äußerst zeitgenössischer Mix. Das Debüt-Album „Polyism“ erscheint ebenfalls im Herbst 2022.

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