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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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New Labels On The Block – Visible Dinner For Invisible People

12. Mai 2022 / Kommentare (0)

Es sind in den letzten Jahren viele neue Musik-Labels in Leipzig entstanden. Mit „New Labels On The Block“ wollen wir sie vorstellen und die Betreiber:innen zu Wort kommen lassen. Los geht es mit Visible Dinner For Invisible People.

Ehrlich gesagt, dachte ich, dass die Zeit der kleinen Labels in Leipzig vorbei sei. Vinylpressen ist super nervig geworden, Spotify & Co ziehen die Aufmerksamkeiten in ihre Algorithmenstrudel hinein und überhaupt: Wer braucht eigentlich noch Labels, wenn die Künstler:innen und Musiker:innen ihre eigenen Kanäle bespielen können.

Doch es gibt sie weiterhin, die Labels. Und es gibt auch viele gute Gründe, weshalb Musiker:innen auf ein Label setzen sollten. Leipzig war in dem Bereich immer sehr aktiv, vor allem Ende der Nuller Jahre gab es einen wahren Label-Boom, der dann aber langsam abebbte.

Mittlerweile tut sich wieder was – sicher auch, weil es durch Bandcamp recht leicht ist, auch digital Releases zu veröffentlichen und eigene Vinyl- und Tape-Auflagen auch ohne Vertrieb zu verkaufen. Bei frohfroh gibt es eine Liste an interessanten neuen Labels – mit 15 Einträgen. Einer davon ist Visible Dinner For Invisible People.

Seit Anfang 2021 gibt es das Label, das sich ausschließlich experimentellen Zugängen zu elektronischer Musik widmet und mir mit seinen aufwendig gestalteten, streng limitierten Tape- und Vinyl-Editionen sofort auffiel. Bisher sind sieben Releases erschienen, darunter auch von bekannteren Acts wie dem US-amerikanischen Electronica-Musiker Dntel. Insgesamt arbeitet Visible Dinner For Invisible People mit einem internationalen Netzwerk an Musiker:innen, die auch in verschiedenen anderen Kunst-Sphären aktiv sind.

Betrieben wird das Label von Thomas Bachner – mit ihm hatte ich einen schon einiger Zeit einen kurzen E-Mail-Chat:

Hey Thomas, wie kam die Idee zu Visible Dinner als Label?

Nun, vor den Corona-Einschränkungen habe ich ein paar Konzerte unter diesem Namen veranstaltet, weshalb ich ihn für eine konzertfreie Fortführung in Labelform sehr passend fand. Wie auch die tägliche Nahrung, empfinde ich Musik und das Hören im Allgemeinen als existenziell sowie als Genussmittel, ähnlich wie Schokolade. Der Name ist eher eine Übersetzung, mit welcher das Ohr dem Mund gleich zieht und als zuverwöhnendes Organ wahrgenommen werden soll. Natürlich hat der Bezug auf die coronabedingte Unsichtbarkeit der Bedeutung zugetragen, Musik „sichtbar“ zu machen.

Was reizt dich musikalisch und künstlerisch bei der Auswahl der Artists und Tracks?

Das ist von Release zu Release sehr unterschiedlich. Noémi hatte ich z. B. schon längere Zeit zuvor im Blick und verfolgte ihre Veröffentlichungen und Projekte. Irgendwann musste ich sie einladen und sie entschied, ihre Aufzeichnungen aus Stockholm in Form eines Albums zu veröffentlichen. Jimmy Tamborello aka Dntel habe ich mal ein Demo für „Dying Songs“ zugeschickt, woraus sich ein schöner Austausch ergab. Die Sendung auf Dublab ist nebenher gesagt ein echtes „Muss“. Seine Veröffentlichung ist eine explizite Arbeit für Visible Dinner, welche seine damalige Stimmung abbildet. Fast alles ist aus einer Improvisation entstanden.

Tintin Patrone überwältigte mich bei einem Konzertbesuch. Ihr Umgang mit der Posaune war eine Sprache für sich und bis dahin für mich ungehört und einzigartig. Ihr Release ist eine aufgezeichnete Improvisation, welche sie für Visible Dinner aufnahm.

Der erste Sampler ist eine Konzeptarbeit. Als Vorlage diente die Skulpturenarbeit von Leonard Korbus, die eine Sinuswelle zum Ausgang hatte. Alle Künstler:innen übersetzten diese in Ton und somit füllte sich dieses sehr diverse Release.

„Im Ganzen würde ich sagen, dass es eine gewisse Stimmungsnote gibt, welche mich anspricht und welche sicher auch im Verlauf des Hörens erkennbar wird, I don’t know ;)“

Es gibt zu jedem Release tolle Artworks – connectest du die Künstler:innen und Musiker:innen für einen interdisziplinären Prozess oder entsteht beides unabhängig voneinander?

Die Hüllen habe ich extra für Visible Dinner im Kassetenformat anfertigen lassen, weshalb diese fast Alleinstellungsmerkmal sind. Die Artworks entstehen zum Teil aus Bildern, welche ich von den Künstler:innen bekomme. Bei Noémi waren es z. B. Fotos aus Stockholm. Es ist sicher keine Neuheit, dass ein Release ein Zusammenspiel aus Cover, Packung und Klang ist – zumindest in den meisten und in diesen Fällen. Die Umsetzung und Gestaltung kann ich nur schwerlich aus der Hand geben, da ich es liebe die Cover zu gestalten. Dies ist also meine Aufgabe.

Was ist dein Background – bist du selbst Musiker bzw. wie bist du in der Leipziger und internationalen Szene vernetzt?

Ich bezeichne mich selbst als nicht professionellen Musiker. Ich mache an manchen Tagen nichts anderes als Kabel stecken, Synths spielen und die Klarinette anblasen, sehe aber darin keine klassische Profession. Ich habe viel Freude und verfalle schnell den selbstgeschaffenen Tiefen. Als Munzard habe ich schon einiges veröffentlicht – auch bei Visible Dinner und auf anderen Labels.

Was ist weiter geplant – auch Label-Live-Events?

Sicher, ja, die gab es vor Corona und soll es auch wieder geben. Ich kann noch nicht sagen, wie dies in Zukunft aussehen wird. Es gibt Ideen und Entwürfe, jedoch ist nichts fix. Eigentlich sollte es zu jeder Kassette eine Minitour geben, das ist immer noch eine kleine Wunschvorstellung an der ich festhalte. Eines kann ich jedoch gewiss sagen. Die nächsten Releases sind schon aufgenommen und ich freue mich darauf.


Visible Dinner For Invisible People – der Back-Katalog:

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