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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Spot on – DJ Fairytail

06. April 2023 / Kommentare (0)

Trance is back – seit ein paar Jahren mischt sich der melodisch-emotional aufgeladene Sound immer mehr auch in den Techno-Underground. Zeit für ein DJ-Porträt aus diesem Bereich. Mit DJ Fairytail treffen wir eine Newcomer:in in ihrer Startphase, die genauso schnell ist wie ihr Sound.

__Premiere

„Unter 160 bpm fange ich eigentlich nie an“, erzählt Lara alias DJ Fairytail, als sie ihren Sound beschreibt. Angefangen mit klassischem, happy Trance hat der sich zuletzt in Richtung Hard- und Psy-Trance entwickelt. „Ich mag es mittlerweile mehr, einen schnellen düsteren Vibe zwischen 160 und 180 bpm zu kreieren. Die süße und verspielte Happiness von Trance gefällt mir zwar weiterhin, ich lege sie aber nicht mehr so gern auf.“

Für mich ist dieses Treffen eine Premiere – mein erstes Interview mit einer DJ aus dem durchaus weitem Trance-Feld. Zugegebenermaßen habe ich um den Sound lange einen Bogen gemacht. Zu kitschig, zu pathetisch, zu überladen. Zugleich bin ich durch die dezenten Trance-Einschübe vieler Techno- und Progressive House-DJs wie Courtesy, Janthe oder Mama Snake in den letzten Jahren zugänglicher dafür geworden.

Zum Interview treffen wir uns auf einen Kaffee im Waldstraßenviertel. Das Dankbar Café ist an diesem Freitagvormittag voller als erwartet. Draußen regnet es, drinnen erzählt Lara von ihrem Ankommen in Leipzig. Rund vier Jahre ist das her. Ursprünglich kommt sie aus einer Kleinstadt aus Mecklenburg – Neubrandenburg. Klingt nach Tristesse, durch die Fusion-Festival-Bubble sei für elektronische Musik aber ein großes Bewusstsein in der Gegend, meint Lara. Für eigene Clubs reichte das jedoch leider nicht. Stattdessen stieg sie mit ihren Freunden im Alter von 17 / 18 Jahren in die Regionalbahn nach Berlin. Meist waren sie damals in der Griesmühle, einem ehemaligen Club in Neukölln, der für straigthen Techno bekannt war.

So sehr ihr die ersten Berlin-Rave-Ausflüge auch gefielen, irgendwann zog sie „der industrielle Standard-Techno“ nicht mehr so mit – und wirklich viele Alternativen fand sie in Berlin auch nicht. „Mittlerweile ist Hardgroove in Berlin richtig groß, was ich sehr mag. Aber Trance ist wenig zu hören – das hat mich später in Leipzig inspiriert, auf diese Schiene zu gehen“, erzählt Lara.

__Inspirierendes Umfeld

Auf Leipzig wurde sie zuvor auch über die Berliner Clubszene aufmerksam. Denn beide Städte sind nicht nur eine Zugstunde entfernt, auch die Szenen sind teilweise eng verbunden. Fürs Studieren zog sie das kleinere Leipzig schließlich vor. “Leipzig war mir von Anfang an die sympathischste Stadt. Besonders, weil hier so viel los ist und es eben so gut mit Berlin connected ist“, erzählt Lara.

In Leipzig taucht sie zuerst auch direkt in das Clubleben ein und trifft auf ein Umfeld, in dem viele Leute Musik machen und auflegen. Vor zwei Jahren möchte auch sie mehr als nur feiern – sie kauft sich ihre ersten DJ-Decks und macht sich auf die Suche nach ihrem Sound.

„Ich wollte mehr aus der Szene mitnehmen und herausfinden, wie die Musik funktioniert. Es ist so nice, sich tiefer mit dem auseinanderzusetzen, zu dem man feiern geht.“ – Lara aka DJ Fairytail

Gelangweilt vom industriellen Techno der letzten Jahre entdeckt sie Trance für sich. Sie stößt auf Labels wie Ute.Rec, Crude, Underzone Records und Speedmaster Records. Und sehr oft sind es skandinavische Acts, die sie inspirieren – vor allem aus Kopenhagen: Marilao, Alda Vain, Maurinstarr, Matriark und Malik Fields. „Alles was die selbst produzieren, ist der Wahnsinn. Jeder einzelne Track ist ein krasses Werk. Da steckt für mich mehr Herz drin als im klassischen Techno“, meint Lara.

Doch warum nun dieser Trance-Hype? Für sie ist es in der Musik wie in der Mode. Alles kommt irgendwann wieder. Und junge Künstler:innen hätten natürlich den Anspruch, etwas zu machen, was aktuell nicht überall zu erleben ist – und da werde eben auch zurück geschaut. Das habe auch sie so gemacht und sich durch Trance-Tracks der 1990er Jahre geskippt. Dabei ergaben sich natürlich zahlreiche Bezüge zum heutigen Sound. Vieles baut auf den Anfängen auf – allerdings könne sie die Originale kaum im Club spielen, weil sie so „shitty gemastert“ seien, erzählt Lara.

Eventuell hat auch Corona einen Anteil an dem Harmonie-Turn der Clubs:

„Ich habe Trance tatsächlich in der Corona-Zeit entdeckt. Das hat mir echt geholfen und positive Gefühle gegeben, in denen ich mich fallen lassen konnte. Diese Musik hat mich sehr aufgefangen – und ich denke, da bin ich nicht die einzige. Vor allem im Sommer kann einen Trance emotional total mitziehen – deshalb bauen es vielleicht auch immer mehr DJs ein. Einfach, um mehr Spaß zu haben.“ – DJ Fairytail

Für die Entwicklung ihres aktuellen DJ Fairytail-Sounds waren später aber mehr Labels wie In Orbit, Vile Immerse, Sunthoid, Elysium oder Morph prägend. Mit düsteren, hypnotisch-treibenden Hard- und Psy-Trance-Tracks und Tribal-Elementen. Zum Auflegen sei dieser Sound alles andere als einfach, meint sie:

„Bei Trance ist es nicht so leicht, gute Matches zu finden, weil es sehr melodisch ist und die Tracks viele Elemente haben. Da kann es schnell sehr überladen sein und es erfordert mehr Vorbereitung. Die Umgebung zum Auflegen ist für Newcomer:innen aber in Leipzig wirklich gut. Es ist klein, deshalb hat man gute Chancen, auch selbst mal in einem Club zu spielen. Und auch abseits davon – bei Open Airs oder in Ateliers – gibt es viele Möglichkeiten, sich als DJ auszuprobieren. Mein Gefühl ist auch, dass das Publikum offener als in Berlin ist.“ – DJ Fairytail

__DJ-Start in Highspeed

Bei DJ Fairytail ging es nun aber wirklich sehr schnell: An Silvester 22/23 hatte sie ihren ersten Clubgig im Mjut, wo sie nebenbei auch an der Bar arbeitet. Danach folgten innerhalb von drei Monaten Auftritte im Elipamanoke und Institut fuer Zukunft. Ein Katalysator war dabei definitiv ihre Aufnahme in das Exil Kollektiv, das sich in den letzten 3,5 Jahren einen Namen für harten, schnellen und finsteren Techno sowie künstlerisch aufwendige Party-Deko und ein freundschaftliches Miteinander gemacht hat. Kürzlich erst hat die Crew den All-Time-Besucherrekord des Elipamanoke geknackt, freut sich Lara. Über zwei Freunde sei das Kollektiv auch auf sie aufmerksam geworden.

„Ich wurde von Exil erst für einen Podcast angefragt und dann zu einer Party als DJ eingeladen. Und dann kam die Anfrage zum Mitmachen. Ich war sehr überrascht, dass es so schnell ging. Aber der Vibe hat bei uns direkt gepasst und ich denke, dass sich die Crew auch musikalisch erweitern wollte.“ – DJ Fairytail

Als FLINTA*-Person habe sie in Leipzig noch einmal zusätzliche Chancen, schnell ein Publikum zu erreichen – hier sei bei vielen Clubs die Awareness für diverse Line-ups vorhanden. „Ganz im Gegenteil zu anderen Städten – das schätze ich sehr an Leipzig“, meint Lara.

Ganz ohne Kritik blickt aber auch sie nicht auf die lokale Szene: Mittlerweile sei hier ebenfalls der G-Konsum in der Clubkultur stärker verbreitet, was besonders für FLINTA*-Personen zum Problem wird. Denn die aufwendige Arbeit der Clubs, besondere Safe-Spaces zu schaffen, ist durch die sediernde und immer wieder auch missbräuchlich verabreichte Droge in Gefahr. Und auch die von TikTok angetriebene Inszenierung eines Techno-Lifestyles sei hier immer häufiger spürbar. „Viele scheißen auf die No-Photo-Policy und appreciaten kaum noch die Musik – es geht mehr um das Posieren und Konsumieren. Mir scheint, dass die Leute mit dem Kopf immer etwas woanders sind – besonders bei Techno-Partys“, meint Lara.

Umso mehr freut sie sich über Crowds, die sich auf neue Sounds einlassen und alternative Genres entdecken möchten. Wer DJ Fairytail erleben mag, sollte dazu die Mjut- und Exil-Line-ups der nächsten Monate im Blick behalten. Darüber hinaus plant sie mit Freunden ein kleines Festival im Leipziger Umland. Als Karriere-Option sieht Lara das DJ-Dasein übrigens nicht:

„Ich habe öfter mitbekommen, wie sich Leute selbst verlieren, wenn sie als DJ bekannter werden. Am Ende ist Auflegen aber auch keine mega große Sache. Mir geht es mehr um den Spaß und den verliert man sicher, wenn man jedes Wochenende einen Gig hat.“ – DJ Fairytail

Vielen Dank, Lara. Auch für den exklusiven Spot-on-Mix – er dokumentiert nochmals das Set ihres DJ-Debüts im Institut fuer Zukunft:


__Fotos

Wir sind sehr happy, das uns ab sofort Johanna Fazekaš mit Fotografien unterstützen wird – von ihr stammen auch die Bilder dieses Porträts. Und so arbeitet sie:

“Hey, ich bin Hanni. Die ästhetischen Vorstellungen meiner analog- und digital-fotografischen Arbeit spiegeln sich in neckischen Farbspielen, viel Nähe zu Details und spannenden Stimmungen wider. Bei frohfroh möchte ich gern Artists und deren jeweiligen Stil mit meiner Fotografie begleiten.“

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