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Autor:in

Nils
Hört Musik am liebsten Schallplatte oder Tape. Kann sich zudem für analoge Technik mit Tasten und Knöpfen begeistern. Nebenberuflich Labelmacher und manchmal auch Veranstalter.

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Inch By Inch – 5 Jahre Plattenladen und mehr

08. August 2023 / Kommentare (0)

Happy Birthday, Inch by Inch. Wir haben uns mit Ladenbetreiber Philipp auf eine Spezi getroffen und über die bisherigen Höhen und Tiefen des Ladens gesprochen.

Das Inch By Inch feiert sein 5-Jähriges. Der Schallplattenladen im Leipziger Westen ist die Adresse in Sachen gebrauchtes Vinyl aus den Bereichen Techno, House, Minimal, Electro und „alles in between“, wie uns Ladeninhaber Philipp Weißbach verrät. Aber auch HipHop, Soul und Jazz sind fester Bestandteil des Sortiments. Ein paar Fächer noch für Rock/Pop und eine kleine, aber feine Auswahl an Tapes lokaler Labels findet sich in den gut gefüllten Regalen.

Wir treffen Philipp an einem sonnigen Vormittag vor Ladenöffnung, ein paar Discogs-Bestellungen müssen noch verpackt werden, es gibt Spezi aus der Dose. Beste Voraussetzungen also für einen kleinen Plausch.

Foto: Nikolas Fabian Kammerer

Gemeinsam blicken wir noch einmal zurück, wie alles begann vor über fünf Jahren – im Juni 2018. Mit Platten verkaufen kannte sich Philipp bereits aus. Er hatte eine Weile bei Musikhaus Kietz im Leipziger Süden als Angestellter gearbeitet. Nach seiner Kündigung dort erwuchs bei Philipp schnell der Wunsch nach einem eigenen Laden. Die Platten dafür hatte er bereits. Ein Ladengeschäft musste her. Einfach gestaltete sich die Suche danach allerdings keineswegs. Und die Entscheidung fiel auch nicht gleich auf den Leipziger Westen.

„Ich hatte lange gesucht (…), aber das ist glaube ich normal. Leute sagen ja immer, Wohnungen seien schwer zu finden, aber ein Laden ist noch einmal was anderes. Man sucht ja eine spezifische Größe, man hat seine Vorstellungen, der Laden muss bestimmte Kriterien erfüllen (…). Um ehrlich zu sein wollte ich nicht in den Westen, sondern in den Süden, weil es hier einfach die meisten Plattenläden Leipzigs, aber keinen Laden explizit für elektronische Musik gab. Aber ich habe dann schnell gemerkt, dass im Süden zu wenig Ladenflächen angeboten werden und die Preise zu hoch waren.“

Fündig wurde Philipp schließlich in der Lützner Str. in der Nähe des Lindenauer Marktes. Der erste, deutlich kleinere Laden dürfte vielen noch gut im Gedächtnis geblieben sein. An vollen Tagen wusste man mitunter nicht wohin mit sich. Es hatte fast schon etwas Klaustrophobisches an sich, erinnert sich Philipp zurück.

„Es waren zu viele Platten in Kisten, die ich nicht mehr rausstellen konnte. Ich hatte wirklich teilweise Platzangst in dem Laden.“

Vor einem guten Jahr fiel dann die Entscheidung, dass man sich vergrößern müsse. Fündig wurde Philipp gleich um die Ecke in der Merseburger Straße. Ein glücklicher Zufall, aber auch sehr viel Arbeit, wie sich herausstellte.

Bodenfliesen wurden kurzerhand selbst gestrichen, die Decke schallisoliert, ein neuer Tresen und ein paar neue Regale gezimmert. Mit ca. fünf Tonnen (!) Schallplatten dann der Umzug und schließlich die Wiedereröffnung im Juni letzten Jahres. Eine Entscheidung, die wichtig war und Philipp bis heute nicht bereut. Mehr Platz für die Kundschaft, mehr Platz für Vinyl und vor allem ein angenehmerer Arbeitsplatz für den Betreiber selbst.

„Der Laden ist nun mal mein Arbeitsplatz und da ist es schön, wenn du ein paar Quadratmeter mehr hast, um dich zu bewegen (…). Es ist jetzt deutlich mehr Platz und es sind auch nochmal deutlich mehr Platten geworden.“

Die letzten fünf Jahre waren aber keineswegs nur eine stetig steigende Kurve. So wie für viele andere Läden gingen Corona-Krise und Ukraine-Krieg nicht spurlos am Inch By Inch vorbei. Auf die Frage nach dem größten Highlight in seiner Zeit als Ladenbesitzer, nennt Philipp dennoch ganz klar den Weg in die Selbstständigkeit an sich.

„Die Selbstständigkeit, und das geht sicher jedem Selbstständigen so, ist nun mal eine Achterbahnfahrt und man lässt sich auf etwas ein, wo man nicht weiß, wie die Sache endet. Man muss natürlich auch immer am Ball bleiben. Ich habe gesehen, was passieren kann, wenn man Monate seinen Laden schließen muss und was das mit einem macht. Wenn ein Land mit einem anderen Krieg führt und was das für Auswirkungen haben kann.“

Aller Widrigkeiten zum Trotz erinnert sich Philipp an eine „fette Zeit“ im Inch By Inch. Die vielen Bekanntschaften und Verbindungen, die er knüpfen konnte, wären ohne den Laden nicht möglich gewesen.

„Das ist eigentlich das Schönste an dem Job. Dass man so viele Musikliebende und -interessierte kennenlernt.“

Wie zum Beispiel auch Reece Walker und Oliver Bernstein vom ehemaligen Musikvertrieb Shite Music aus Leipzig. Der Vertrieb beheimatet Labels wie R.A.N.D., Gestalt, Blaq Numbers, Row Records, Source usw. Gemeinsam trafen die drei 2021 die Entscheidung, Vertrieb und Laden unter der gleichen Dachmarke zu vereinen und Shite kurzerhand zur Inch By Inch Distribution zu machen. Seitdem arbeiten sie zwar unabhängig voneinander, aber trotzdem eng zusammen. Alle Platten des Vertriebs gibt es auch bei Philipp im Laden kaufen.

Im gleichen Jahr folgte auch noch die Gründung des eigenen Labels Inch By Inch Records. Philipp packt die Dinge an, wie es scheint:

„Zu dem Label kam es, weil man sich selber denkt, bei einem Plattenladen könnte auch ein Label entstehen. (…) Man setzt das ja quasi voraus, dass zu einem elektronischen Plattenladen in irgendeiner Art und Weise auch ein Label gehört. (…)“

Die Labelarbeit beschreibt Philipp als hart, aber man hört dennoch heraus, dass es ihm ein großes Anliegen war, diese Musik unter die Leute zu bringen.

„Ich wollte Musik auf Platte rausbringen, mit der Erfahrung, die ich in meinem Leben über Musik gesammelt habe. Von der ich denke, dass sie in 20 Jahren genauso gut hörbar ist wie jetzt. Es soll ein zeitloses Label sein.“

Ganze sieben Releases zählt das Label Inch By Inch bereits und stilistisch geht es zwar immer elektronisch zu, aber dafür sehr divers. Von Electro über House, Techno, Ambient, IDM und sogar Italo ist hier alles dabei, was Philipp selbst schätzt und mag.

Die Konstellation aus Laden, Label und Vertrieb nennt Philipp zudem die „heilige Dreifaltigkeit“. Ein System, das sich bewährt hat. Als weitere Beispiele nennt er Rush Hour, HHV oder auch das Hard Wax aus Berlin. Alles Läden mit Label und teilweise sogar angeschlossenem Vertrieb.

Und als ob das alles nicht schon sehr viel wäre, betreibt er gemeinsam mit Oliver vom Vertrieb noch ein weiteres Label namens Hole in One. Geboren aus dem Wunsch heraus, ein Rap-Label bei Inch By Inch Distribution zu haben, widmet sich Hole in One klassischer Rap-Musik. Hier erscheinen Neuauflagen alter und einflussreicher Mid-90s-Memphis-Rap-Alben, viele davon zum ersten Mal auf Vinyl und eine kleine 7-Inch-Serie mit eigenen, alten Hip Hop-Beat-Produktionen von Philipp unter seinem Produzenten-Alias Drunkenstein.

Unser Gespräch dreht sich weiter über angekaufte Plattensammlungen und persönliche Dinge, die man manchmal zufällig darin findet, teure Platten auf Discogs und obskure Erlebnisse im Laden. Die Zeit verfliegt nur so und es ist wie so oft an diesem Ort. Man fühlt sich wohl und bleibt und bleibt.

Fotos: Nikolas Fabian Kammerer

Am Ende wagen wir noch einen kleinen Blick in die Zukunft. Philipp, Hand aufs Herz, wie viele Jahre sollen es denn noch werden?

„Na, auf die nächsten 50, oder?“

Platten verkaufen also bis zur Rente. Aber auch in das Label soll Energie fließen. Ein bis zwei Releases pro Jahr möchte er sich vornehmen. Und vielleicht gibt ja auch eine kleine Feier zum 5-Jährigen? Wer weiß? Fest steht, Philipp möchte nichts halbherzig machen.

Das Spezi ist alle, der Laden muss so langsam aufgesperrt werden. Any last words, Philipp?

„Danke an meine ganzen Kunden! Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen!“

Und wir danken dir, Philipp! Für deine Energie und Liebe, die du in diesen Laden steckst. Ein Ort, an dem es sich herrlich verweilen, diggen und unterhalten lässt. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Cheers!

Fotos

Zum Schluss noch ein herzliches Hello und Danke an Nikolas Fabian Kammerer für die wunderbaren Fotos zu diesem Treffen on. Dies ist Nikos Foto-Premiere bei frohfroh – hier also ein paar einleitende Worte von ihm zu sich und dem Shooting mit Philipp:

“Music was my first love … dann kam die Fotografie dazu. Letzteres habe ich sogar mal studiert. Die Studienzeit habe ich größtenteils an zwei Orten verbracht: In der analogen Dunkelkammer und im Proberaum. Seit dem ist meine Arbeitsweise deutlich digitaler geworden, die Affinität zur Musik aber ist unverändert geblieben.”

Das Inch By Inch strahlt eine unprätentiöse Coolness aus, die ich sehr ansprechend finde. Erwartungsgemäß entspannt war auch der Porträt-Termin mit Betreiber Philipp, der mit dem Inch By Inch eine Institution für fein selektierte Musikkultur geschaffen hat. Toll eingerichter Laden auch. 5 Sterne. Wärmste Empfehlung. Gerne wieder.”

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