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Nils & Jens
Nils und Jens together im Studio – beide hören sich durch den Bandcamp-Dschungel und suchen die spannendsten Leipzig-Releases heraus.

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New In – Sommer 2023

08. September 2023 / Kommentare (0)

Der Sommer neigt sich dem Ende zu – Zeit für einen Rückblick auf einige spannende und weniger spannende Leipzig-Releases. Nils und Jens von frohfroh haben sich durch den Leipziger Bandcamp-Sommer durchgehört.

Ewan Jansen – “RM12022” (R.A.N.D. Muzik)

Sonnig und luftig wie der ausklingende Sommer kommt eine weitere EP auf R.A.N.D. Muzik Recordings daher. Diesmal vom australischen Produzenten Ewan Jansen. Sticht auf jeden Fall heraus zwischen all den Progressive House und zuweilen auch trancig angehauchten Veröffentlichungen, die beim Label zuletzt so rauskamen.

Die vier Stücke pendeln sich ein zwischen Deep House und fluffigem Tech House. Alles im Bereich von 120 bpm. Sweete Synthpads treffen auf perkussive Elemente, der groovige Bass bei jedem Track ist ebenfalls super gut. Klingt alles bisschen retro und doch sehr zeitgemäß. Ein heißer Tipp für alle, die es ein wenig gemütlicher mögen.

Nils’ Hit: „Wild Shore“. Why: Weil der einfach super schön ist und die Synth -Flächen der Hammer sind. Fast schon ein Ohrwurm. 


DC Sales “Pressure EP” (R.A.N.D. Muzik x Echocentric)

Ende Juni sorgte die “Pressure EP” des belgischen Producers DC Sales auf R.A.N.D. für ein Oha. Denn die vier Tracks dieser EP steuern sehr straight auf den Main Floor. Sehr bold auftretend und mit seinen flächigen Psy- und Rave-Sounds ist diese EP ganz klar auf Big Room-Momente ausgelegt. Irgendwie spannend, wie R.A.N.D. hier ein neues Terrain ausprobiert und vielleicht auch mal auscheckt, ob es nicht doch noch eine Nummer größer geht. Klar, geht, und DC Sales hält die Zügel straff. Aber die Rave-Skala schlägt mir zu stark in den roten Bereich aus.

Jens’ Hit: „Pressure“. Why: Weil die Bassdrum so schön drückt und der Track trotz Rave-Chords immer noch minimalistisch bleibt.


Sascha Funke & Niklas Wandt – RM12023

Und noch einmal eine kleine Überraschung auf  R.A.N.D. Muzik. Zwei Namen, die man so vielleicht nicht zusammen erwartet hätte. Das Berliner Produzenten- und DJ-Urgestein Sascha Funke trifft auf den Perkussionisten und Schlagzeuger Niklas Wandt. Nicht ihre erste gemeinsame Veröffentlichung, wie der schnelle Blick auf Discogs verrät. Die EP ist ein Ritt durch die Genres, wobei kein Track dem anderen in irgendeiner Weise nachsteht.

Los geht es mit einer sanften Nummer namens „Scheunenfund“. Verspielte Synths und Perkussion auf wohliger Pad-Grundlage und 4/4-Kick. Das Stück hat einen astreinen Flow, Niklas scheint auf allem zu trommeln, was er in die Hände kriegt. Dann wäre da noch ein Synth, der wie eine Querflöte klingt oder ist es eine Querflöte? Sehr guter Vibe, sehr verspielt, sehr gut.

Zweites Stück, erster Bruch. Einmal IDM á la früher Warp Records Releases. Was soll daran schlecht sein? Eben. Nichts. Tolle Nummer. Der balearisch, esoterisch und krautig angehauchte House Track „Erntegold“ geht dann gut nach vorne und steigert die Intensität der EP noch einmal. Und zum Ausklang gibt es mit „Schemen“ noch einmal Electro in quasi Reinform – mit delayig wandernder Percussion. Der Track ist immer noch verspielt genug, um die EP als Veröffentlichung eines Duos wahrzunehmen. Mega gute VÖ, mehr davon!

Nils’ Hit: „Scheunenfund“. Why: Weil der einfach einen tierisch guten Flow hat. Außerdem ist es der „Hit mit der Flöte“.


Mbius “Played At Venues etc.” (Kann Records)

Nach dem Album von DJ Balduin featurete Kann Anfang August einen weiteren Leipziger Producer – Mbius. Und mit ihm kommt nun auch eine proggy Tech House-Note in den Kann-Katalog. Mit verspulten und wild umher schwirrenden Sci-Fi-Sounds und länger ausformulierten, mystisch-gleitenden Deep-Chords. Alles sehr wohl dosiert zwischen einem bouncy und dreamy Vibe. Aber am Ende bleibt bei mir das Gefühl, dass sich hier eine aktuelle R.A.N.D. Muzik- oder eine alte Delsin-EP auf Kann verirrt hat.

Jens’ Hit: „UFO“. Why: Weil es etwas deeper durch die interstellaren Sphären gleitet.


Snad – Blowminding (Long Vehicle)

Keine Überraschung auf Long Vehicle, dem Sublabel von Kann. Warum auch? LV liefert konstant guten Output für alle (Progressive) House Heads. Diesmal mit leichter Dub-Note. Snad dreht am Filter, was das Zeug hält. „Jacarandista“ kommt definitiv bisschen funky daher und passt super in jedes House-Set. „Blowminding“ geht dann fast schon als housiger Dub-Techno durch, ist aber immer noch abwechslungsreich genug, um sich nicht voll und ganz dem Genre zu ergeben.

Das letzte Stück der EP namens „Dark Horse“ ist dann noch einmal ganz klassischer House-Stuff mit viel Synth-Geräuschen und gut eingebetteter Pluckermelodie, die das Ding nach zweieinhalb Minuten erstrahlen lässt. Insgesamt ist die EP eine runde Sache mit viel Synth-Spielereien und sehr smarten Basslines. Wie gesagt, keine Überraschung, aber qualitativ ganz weit oben.

Nils’ Hit: „Dark Horse“. Why: Weil die Pluckermelodie einfach voll gut ist.


Kerrier Collective “Dreams Of The Sea” (Brombért)

Neue Nuancen auch beim jungen Leipziger House-Label Brombért. Mitte Juni erschien dort die EP eines englischen Kollektives, das verschiedene Genres verschmelzen lässt. Wie in langen Sessions schälen sich aus den vier Tracks immer wieder neue Facetten. Aus Ambient und Folk erwächst House, aus einem Slow House-Track schimmern zugleich Jazz- und Funk-Chords, später gibt es auch Latin-Sounds. Super musikalisch und organisch klingt das, an einigen Stellen auch etwas brav. Aber hier sind sehr offensichtlich sehr versierte Musiker:innen im Kollektiv, die sich für anspruchsvolle Dance Music interessieren. Ähnlich wie einst The Whitest Boy Alive. Funktioniert bestimmt live auf einer Open Air-Bühne auch hervorragend.

Jens’ Hit: „Friday Afternoon“. Why: Weil es mit einer abgefahrenen Leichtigkeit Pop, Klassik und House verbindet.


Nico Bulla – Machine Dance Work (O´RS)

Und dann wäre da noch eine digitale Ein-Track-Veröffentlichung auf O´RS aus dem Juni.

Der Name ist Programm. Bulla lässt die Maschinen, genauer gesagt seinen Synth für sich arbeiten und tanzen. Die Synth-Arpeggio-Line zieht sich in unterschiedlichen Filter- und Sustain-Stadien durch das Stück. Dazu ein rascheliger und schiebender 4/4-Beat. Alles baut sich mehr und mehr auf, man hofft auf eine erlösende Fläche, die dann auch wirklich kommt. O´RS empfiehlt uns, das Stück 5 Uhr morgens auf einem guten Soundsystem zu genießen. Das funktioniert sicher gut, denn der Dancefloor ist definitiv der Ort, wo „Machine Dance Work“ seine Arbeit verrichten sollte.

Nils’ Hit: „Machine Dance“. Why: Ist halt nur ne Ein-Track-VÖ, was willst du machen? Außerdem musste ich die ganze Zeit an das Stück „Der Arpeggiator“ von Erobique denken.


Hidden Lines “Uusi Aalto” (Unterschall)

Anfang Juni haben wir ein neues Label aus Leipzig entdeckt: Unterschall. Seit Ende 2020 gibt es das Tape-Label, das sich auf Darkwave, Post-Punk und Synhpop fokussiert. Mit Hidden Lines haben sie hier eine sehr interessante schwedische Band für sich entdeckt. Auf ihrem Mini-Album “Uusi Aalto” tauchen sie tief in die dunklen 80s-Welten ab – mit scharfkantigen Synth-Melodien, plastischen Beats und unterkühltem Gesang. Das Ganze gelingt ihnen so authentisch, dass man beim ersten Durchhören tatsächlich glauben könnte, dies sei eine originale Tape-Entdeckung aus einem alten Stockholmer Dachboden. Immer wieder werden in die englischen Texte auch deutsche und finnische Lyrics eingestreut.

Jens’ Hit: „Aalto“. Why: Weil es sich direkt als verhallter Hit für dystopische Momente offenbart.


Vincent Neumann – Acid Tracks Done Quick (Unitas Multiplex)

Ein Electro-Breakbeat, eine einfache Melodie auf zwei Tönen. So beginnt der Titeltrack auf einer EP, die uns Acid Tracks verspricht oder etwa nicht? Der Shaker klingt schon mal ziemlich frisch, die Flächen bisschen nach alten Harthouse-Scheiben aus den 1990ern. Und was natürlich nicht fehlen darf bei den „Acid-Tracks“ ist eine 303-Bassline. Der erste Track kommt auf jeden Fall sehr harmonisch daher. Die Hit-Melodie kommt von einem Synth, der sich zwischen die Flächen und die 303 schiebt. Der Track strotzt auf jeden Fall nur so vor Ideen, ob er nun „quick“ entstanden ist oder nicht.

Der zweite Titel namens „Negasonic“ knüpft nahtlos an, obwohl hier eher ein FM-Piano am Anfang den Ton angibt. Alles in allem eine verspielte Synth-/Acid-/Breakbeat-Meditation, die sich immer mehr steigert. Würde ich trotzdem als Listening-Nummer verbuchen. „Descent“ überrascht mit Sprachsample. Und auch das Tempo wird etwas gedrosselt. Der Acid blitzt hier noch manchmal auf, aber alles in allem eher was für die IDM-Fraktion. Ich hatte die ein oder andere Plastikman-Assoziation. Abgerundet wird die EP mit einem dubbigen Remix von „Descent“, welcher der VÖ noch einmal einen kleinen Abstecher in andere musikalische Gefilde beschert. Der Produzent Blind Observatory nimmt sich hier nur Schnipsel des Vocal-Samples heraus und baut eher auf Stimmung und Räume. Sweet!

Nils’ Hit: „Descent (Bind Observatory Remix)“. Why: Weil der einen guten Blade-Runner-Vibe atmet und eine schöne leicht versteckte Melodie in den Synth-Chords hat.


Medici Daughter “Leash” (110100100.global)

Mitte August erschien auf 110100100.global ein neues Album, das auf jeden Fall Ruhe, Offenheit und Aufmerksamkeit benötigt – denn “Leash” von Medici Daughter erforscht in kurzen Stücken die Schnittstellen von Noise, Ambient und Electro-Akustik. Dabei ist vieles verschroben, chaotisch und rau – doch bei genauerem Hinhören entfalten sich durchaus schlüssige und eingängige Arrangements sowie warme Soundlandschaften. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder anstrengende, aufpeitschende und destruktive Tracks. Aber: Wenn die Ruhe und die Anlage da sind, lässt sich mit “Leash” ein unglaublich dichtes und spannendes Album erleben.

Jens’ Hit: „Lathe Of“. Why: Weil sich hier super faszinierend Pop hinter einer mehrfach verschobenen Soundwand versteckt.

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