Der September ist rum – und mit ihm ein Monat mit einigen guten Leipzig-Releases. Hier sind unsere Top 6.
George John – “Remote Island EP” (Blaq Numbers)
George John ist zurück! Mit seiner zweiten EP auf Blaq Numbers und die sieht aus wie sie klingt und anders herum. Wunderschön und smooth. Die Illustratorin Nänni Pää hat bereits einige der letzten Releases auf Blaq Numbers gestalterisch begleitet und was soll man sagen? Du willst das Tape sofort auflegen.
Der Musiker holt alles raus aus seinem Instrumenten-Fuhrpark. Cheesy Analog-Synths, (E-)Piano Chords und Funky Basslines fliegen und flirren umher. Fünf Tracks stammen vom Artist selbst und bewegen sich in der Schnittmenge aus E-Funk, Downbeat, (Hip-)House und instrumentaler Pop Music. Das Paket wird abgerundet mit drei Remixes, die ein wenig mehr auf den Dancefloor schielen.
Eine runde und funky Sache, aber ich hatte hier nichts anderes erwartet als Qualität. Keine Ahnung, wo das Label all diese guten Artists herzaubert, aber ich bin und bleibe Fan vom Label der schwarzen Zahlen.
Nils’ Hit: „I´ll be gone“. Why: Weil hier alles so wunderschön gleichzeitig passiert.
Malo Moray & His Inflatable Knee – “Atolls” (self-released)
Weisst du noch, was du 2020 getan hast? Und 2021? Was du gefühlt hast? Jahre der Isolation, des Rückzugs, vielleicht auch der Besinnung. Zeugnisse in Schrift- oder Musikform aus dieser Zeit gibt es viele. Und manchmal wirkt diese Zeit wahnsinnig weit weg und unwirklich.
Der Leipziger Musiker und Bassist Malo Moray hat in diesen beiden Jahren ein episches Album mit befreundeten Mitmusiker*innen aufgenommen, welches soeben auf Doppel-Vinyl/MC und digital erschienen ist. Gemeinsam und doch isoliert. Basierend auf den Improvisationen von Malo sollten die Mitstreiter*innen nur ihrer Intuition folgend einen Take einspielen.
Es beginnt mit einer Fläche. Man kann die Klangquelle nicht richtig ausmachen. Eine Orgel vielleicht oder ein Synth? Es geht Schicht um Schicht. Ein Bass, Streicher, das ganz große Zusammenspiel. Kammermusik, die sich orchestral aufbäumt, sich aber auch keinem Genre verschließt. Einfach Emotionen transkribiert in Musik. Eine Platte, wie sie vielleicht früher auf Constellation erschienen wäre (Godspeed You Black Emperor! usw.). Mit Stücklängen bis zu einer halben Stunde braucht es hier auf jeden Fall Aufmerksamkeit. Schenkst du sie diesem Album, wirst du belohnt. Sortiert sich irgendwo ein zwischen Ambient, Postrock, Jazz und Experimental. Groß!
Nils` Hit: „Replying to Unadressed Letters“. Why: Bin einfach in love mit dem Drone-Synth am Anfang.
Mbius – “FREE005” (Breakfree Records)
Mittlerweile auch schon bei Nummer 005 angekommen ist das „R.A.N.D. Muzik“-Sublabel „Breakfree Records“, betrieben von Salomo und Reece Walker. Wo jetzt genau die musikalische Abgrenzung zu „R.A.N.D.“ liegt, wird zwar auch bei dieser Veröffentlichung nicht klar, wohl aber, dass der Release für mich positiv heraussticht.
Vier ziemlich straighte, aber durchaus melodiöse Tech House-Nummern mit kosmischen Synths über perkussiver Schwerstarbeit im Bereich von 130 bpm. Klingt nicht neu, aber trotzdem frisch. Was es für mich allerdings hier rausholt ist der Track „Mittelsachsen Sundowner“ auf der B1. Zwei Akkorde reichen hier schon um glücklich zu sein. Die 303-artigen Sounds und das Voice Sample tun ihr Übriges. Absolut magischer Track!
Nils` Hit: „Mittelsachsen Sundowner“. Why: sh. oben 🙂
M-pha – “Tollwut Synapses” (GLYK)
Und auch GLYK, das Label von DJ Balduin hat was Neues raus. Unter dem experimentierfreudigen Pseudonym M-Pha veröffentlicht Balduin ein Mixtape mit Fremdmaterial und eingestreuter eigener Musik. Ein Mix, der zum genauen Hinhören einlädt und somit nur als Kassette und Stream via Bandcamp erhältlich ist. Entstanden ist der Mix als Teil eines Projektes während der Pandemie. Künstler*innen waren angehalten sich mit einem bestimmten, per Zufall ausgewähltem Thema auseinanderzusetzen und in Musik zu übersetzen. Die Ergebnisse wurden dann in gemeinsamen Online-Listening-Sessions geteilt.
Wir befinden uns hier auf jeden Fall irgendwo im Wald und irgendwas beisst. Alles andere als gemütlich. Field Recordings neben Ambient im weitesten Sinne und Perkussives. Mal atmosphärisch, mal noisy überdreht. Es bleibt düster und irgendwie bedrohlich. Vielleicht nicht unpassend für die Zeit, in der der Mix entstand. Ein Mixtape, der etwas anderen Art und das spiegelt sich auch in der aufwendigen Gestaltung der Kassette wieder. Balduin war auf jeden Fall mit dem Schleifpapier zu Gange.
Nils` Hit: Schick mal Track-ID bei 39.02 min!
Manasyt „The Genetic Lottery” (Lunatic)
Nach einer längeren Pause gab es im September auch mal wieder ein Lebenszeichen des Leipziger Electro-Labels Lunatic – immerhin im zehnten Jahr des Label-Bestehens. Und auch die Katalognummer ist ein kleines Jubiläum, es ist nämlich das zehnte Release. Manasyt hatte die Ehre, es mit einem Mini-Album zu feiern. Bisher hatte ich den bulgarischen Producer, der mittlerweile in China lebt, noch nicht auf dem Schirm. Sehr schade, denn die sieben Tracks des Albums schaffen es für mich, dem recht auserzählten Electro-Genre doch ein paar neue Nuancen hinzuzufügen. Rhythmisch ist hier ein anderer Drive drin. Vielleicht ist es das höhere Tempo, vielleicht der Minimalismus. Aber auch in den Harmonien und Sounds stecken einige Sci-Fi-Soundtrack- und Rave-Anleihen sowie eine andere musikalische Epik. So entsteht ein spannender Mix aus Dystopie und Utopie. Super Album, das es auch als limitiertes Vinyl mit einem Siebdruck-Cover gibt.
Jens’ Hit: „Treatment #8“. Why? Weil gerade im zweiten Teil der filigrane Beat und die cineastischen Sounds eine ganz eigene Spannung erzeugen.
Finn Klein & Pal_unknown “Dorothea” (110100100.global)
Zum Abschluss noch eine interessante Jazz-Folk-Electronica-EP vom Leipziger Label 110100100.global. Mit Finn Klein & Pal_unknown sind hier zwei Nürnberger Musiker zu hören, die sich in einem sanft angerauten Terrain mit Field Recordings, Gitarre und elektronischen Geräten unterwegs sind. Die vier Stücke der EP lassen einerseits der süßen Melancholie und warmen Kontemplation viel Raum, andererseits sind da immer wieder auch Reibungen in den Sounds. Eine gute Balance zwischen Abtauchen und Entdecken, organischen Klängen und elektronischen Experimenten. Die zwei Remixe bringen dann mittendrin etwas Hektik in die EP – musikalisch durchaus filigran und gut, aber in der Dramaturgie dieser EP etwas too much.
Jens’ Hit: “I”. Why: Weil die Spielplatzsounds mit den elegisch verzerrten Gitarren unglaublich gut passen.