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Autor:in

Annika
Der Kopf hat nie genügend Schubladen für all die ganzen Emotionen, Menschen und Gedanken. Manches fällt raus, manches bleibt hängen, wird aufgeschrieben und zu einer Geschichte. Am liebsten bei guter Psy- und Dubmusik.

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Spot on – itsadisasta

05. März 2024 / Kommentare (0)

Mit harten Techno-Grooves im letzten Slot sorgt JoJo alias itsadisasta dafür, dass du dich nach dem Closing mit wackeligen Beinen nach Hause kämpfst. Durch viel Kollektiv -und Vernetzungsarbeit weiß JoJo, dass die Feierszene ein ambivalenter Ort sein kann. Warum und wieso, darüber erzählt itsadisasta im Interview mit frohfroh.

15 Uhr, ein regnerischer Nachmittag, Cafe Bubu, Tisch hinten links in der Ecke mit den weichen Kissen auf der Sitzbank und der sonnengelb leuchtenden Tischlampe.

Hello, bist du itsadisasta?

Hey, ja, aber du kannst mich auch JoJo nennen.

Alles klar. Sollen wir uns einen Kaffee holen?

Ja, voll gern. Ich lad dich ein, der letzte Gig lief ganz gut. Das muss ich nutzen. (lacht)

Da sag ich nicht nein.

„Zwei Cappuccino mit Hafermilch, bitte.“

Cool, dass es geklappt hat. Hast du den Gig gut überstanden?

Ja, der ist auch schon etwas her.

Foto: Leon Meckler

Was legst du denn mittlerweile so auf, wenn du irgendwo spielst?

Ganz unterschiedlich. Je nachdem auf was ich Neues stoße und was mich interessiert. Ich habe schon alle möglichen Genres von Hard/Darktechno, Darkdisco, Retrowave, Hypno/Groove, Funky & G-House und Schranz einmal gespielt und aufgenommen. Aber ich bin gerade so ein bisschen auf Reverse Bass, Rave- und Hard-Techno kleben geblieben. Das ändert sich aber alle paar Monate und Jahre.

Und wie bist du dazu gekommen?

Ich weiß auch nicht, ich bin einfach so reingerutscht. Durch Szenearbeit. Erst Besucher:in, dann Gestalter:in von Visuals und Plakaten, Awarenessarbeit, Veranstalter:in und Organisator:in. Unter anderem zum Beispiel im Conne Island oder im Heizhaus. Ich lege schon seit sechs Jahren auf. Habe damals noch versucht, es mir selbst beizubringen. Ich weiß noch, dass ich für bestimmt drei Monate ohne Kopfhörer geübt habe, weil ich nicht gecheckt habe, für was die wirklich gut sind. Irgendwann habe ich dann angefangen Gigs zu spielen, mittlerweile hier in Leipzig, Halle und Berlin.

So viel Musik, so viele Genres, was feierst du denn selbst ab?

Ich steh viel auf Lyrics, helle Töne, gute Laune, trotzdem aber nicht zu trashy. Ich mag Gefühl. Deswegen versuche ich jetzt neben dem Auflegen auch noch selbst ein bisschen andere Musik zu machen, und zwar HipHop. Früher habe ich viel Ami-Rap gehört, zum Beispiel die Suicide Boys und solche Sachen. Wahrscheinlich kommt meine Liebe dafür daher.

Langsam wage ich mich da jetzt ans Produzieren ran. Das gibt mir die Möglichkeit, von Beat über Lyrics bis hin zum Video alles selbst zu gestalten. Da steckt dann einfach viel von mir drin. Und mit dem Rap kann ich dem Ganzen meine Stimme geben und persönliche Geschichten erzählen. Gerade so Horror und Dark Rap finde ich richtig spannend. Ich weiß, dass mein Zeug edgy ist. Aber ich mach das für mich und die paar Atzen, die’s fühlen. Mit dem Produzieren und Texten kann ich einfach einiges verarbeiten. Ist quasi meine Kunsttherapie und Selbstverwirklichung.

Und wenn du nicht gerade Texte schreibst, was machst du dann?

Ich mag viel zu viele Dinge und würde am liebsten alles machen. Designen, Texte schreiben, Content createn, cringe Storys posten. Ich habe nicht genug Leben, um das alles zu machen, was ich gerne machen würde. Langeweile ist ein Fremdwort für mich. Aber im Bett zu liegen, mit meinen Katzen und einem guten Buch, das bringt mich auf jeden Fall gut runter und das mache ich extrem gern.

Aber dann wird sich auch direkt wieder in die Projekte reingestürzt. Zum Beispiel vor zwei Jahren in fem*vak. Ich bin echt happy, dass das immer noch läuft. Als FLINTA*-Kollektiv konnten wir uns damals noch vor Nachrichten und Storys zu Übergriffen auf Partys aller Art kaum retten. Wir haben dann vor allem die Corona-Zeit genutzt, um die alle aufzuarbeiten und einen Umgang damit zu finden. Mittlerweile findet aber schon ein Umdenken statt, das merkt man. Manche Sachen müssen nicht mehr so hart ausdiskutiert werden, weil eine gewisse Awareness auch bei männlich sozialisierten Personen mittlerweile vorhanden ist.

Foto: Leon Meckler

Wie nimmst du denn so die elektronische Musikszene in Leipzig wahr?

An sich echt super schön. Ich habe so gute Freunde durch die Szenearbeit kennenlernen dürfen und meine besten Momente auf dem Dancefloor gehabt. Über bestimmte Basics des Miteinanders muss nicht lange diskutiert werden und man kann sich ausleben, mit seinem Stil und der individuellen Persönlichkeit.

Allerdings würde ich mir von der Szene mehr Toleranz und Weitsicht wünschen, wenn es um das Incalls und Outcalls geht. Bei zwei Parteien, die einen Konflikt haben, liegt die Wahrheit meist irgendwo dazwischen. Anstatt die Sache aufzuarbeiten, wird viel direkt gecancelt.

Viele aktivistische Kämpfe sind es wert gekämpft zu werden, um strukturell etwas zu verändern. Aber Räume zu schaffen, die zumindest ansatzweise frei von Diskriminierung sein sollen – das braucht Zeit. Wir brauchen einen besseren Umgang mit transformativen Prozessen, anstatt vieles einseitig zu canceln.

Foto: Leon Meckler

Wie könnte das funktionieren?

Locations mit einem schlechten Ruf können neu eingenommen und mit eigenen coolen Projekten neu besetzt werden. In viele Orte muss einfach frischer Wind rein. Alte Hasen müssten die neuen Hüpfer viel mehr an die Hand nehmen und in die Strukturen einweisen, anstatt sie durch ihre Intoleranz zu vergraulen.

Aber ich glaube, das ist nicht nur ein Feierszeneproblem, sondern ein allgemein menschliches. In dieser Feierszene wird das nur krass ausgetragen. Denn sie ist beides – unser privates und öffentliches Leben. Hier in der Feierszene teilzunehmen, bedeutet, sich mit vielen Dingen auseinandersetzen zu müssen. Seid lieb, stetig reflektiert und passt auf euch und andere auf <3

17 Uhr, zwei Stunden sind vergangen, das Gespräch war lang und intensiv, Jojo geht zur Kasse und bezahlt die beiden Cappuccini, wir verlassen das Caf und gehen raus in den regnerischen Nachmittag mit einem Set von itsadisasta auf den Ohren:


Fotos

Vielen Dank an Leon Meckler für die Fotos zu unserem Spot on. Zu dem Shooting meint er:

„An das kleine studio grenzt ein Raum, in dem Mitglieder von Nexus-Cult T-Shirts und Pullover bedrucken. Immer wieder wuseln sie deswegen durch das Studio. Gespräche entstehen. Zwischen den Fotos spricht Jojo über das Kultische und Okkulte, über Praktiken und Ideen, die sie faszinieren. Wir zeigen uns Musik und Referenzen und lachen viel.

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