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Autor:in

Annika
Der Kopf hat nie genügend Schubladen für all die ganzen Emotionen, Menschen und Gedanken. Manches fällt raus, manches bleibt hängen, wird aufgeschrieben und zu einer Geschichte. Am liebsten bei guter Psy- und Dubmusik.

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Spot on – Mischluft

19. Juni 2024 / Kommentare (3)

Mischluft mischt mit seinen groovy, bouncy Beats seit einiger Zeit die Trance-Szene ordentlich auf. Im Interview mit uns spricht er darüber, wieso auf einmal so viele Menschen seinen Namen kannten, wie er überhaupt auf den gekommen ist und warum man mit gutem Trance nie etwas falsch machen kann.

Mischluft? Yes, da gibt es einen gehörigen Hype. 38k Follower bei Instagram, unzählige Gigs quer durch Deutschland und Europa. Und das alles in kürzester Zeit. Wir haben da ein paar Fragen – los geht’s.

Viele reden von DJ Mischluft, der auf einmal aus dem Nichts kam und die Trance-Welt auf den Kopf gestellt hat. Wer steckt dahinter?

Ich bin Fritz und, joa, leg als Mischluft auf.

Woher kam denn der plötzliche Hype?

Ich würde sagen, dass ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Trance hatte gerade seine Anfangsphase. Ich habe 2019, 2020 angefangen zu produzieren. Vor allem Melodic Techno. Aber vor zwei Jahren hatte ich dann keine Lust mehr, in irgendeine Richtung zu produzieren, weil es mit Melodic Techno echt keinen Fortschritt gab. Zu der Zeit habe ich einen Edit von „Sauf Sport Balance“ auf Soundcloud hochgeladen, der ganz gut ankam. Daraufhin habe ich mir den Account „Mischluft“ erstellt und gesagt: „Ich produziere, worauf ich Bock habe, ohne groß auf Mixing und Mastering zu achten.“

Mischluft? Was heißt das?

Ich wollte nicht mehr so in Genres denken, alles etwas miteinander vermischen. Und dann stand ich mal in einem Ravekeller mit echt schlechter Luft. Joa, hat irgendwie Sinn gemacht.

Foto: Johanna Fazekaš
Foto: Johanna Fazekaš

Was denkst du, wieso hat Trance auf einmal so funktioniert und Melodic Techno nicht?

Melodic Techno ist auch einfach gerade sehr tot. Wird auch in den Clubs nicht mehr so viel gespielt. Trance ist da wirklich ein sehr guter Türöffner.  Vor allem bei Edits, also grundsätzlich Tracks, die die Leute schon kennen. Die sind sehr häufig im Trance-Bereich. Wenn du neue Tracks produzierst, versuchst du bei den Leuten neue Emotionen zu kreieren. Das kann klappen oder eben auch nicht. Aber bei Edits lassen sich bei den Menschen Emotionen abrufen, die sie schon vorher zu dem Song hatten. Und das feiern viele.

Und wie ging’s dann weiter?

Zu der Zeit habe ich noch meinen ganz normalen Job gehabt, dann aber beschlossen, eine Zeit lang reisen zu gehen und unter anderem meine Tante in Australien zu besuchen. Sie hat dort in der Nähe von Canberra ein Yoga-Retreat-Center. Dort habe ich viel Zeit verbracht, tagelang auf der Terrasse gesessen und Tracks produziert. Das bringt mir auch immer noch sehr viel Spaß. Dort sind dann auch meine ersten eigenen Tracks unter dem Mischluft-Alias entstanden, „Pop A Pill“, „Breaking My Heart“ und „Outside Those Doors“.

Wann war denn dein erster Gig als Mischluft?

Mein erster Gig unter diesen Namen war im April 2023 in Rostock, auf dem Endrave. Davor war ich noch in Australien und konnte keine Anfragen annehmen. Aufgelegt habe ich aber davor trotzdem schonmal, allerdings einmal nicht geplant: Ich war als Gast auf dem Feel Festival am Feiern. Auf einmal ist dort ganz spontan ein DJ-Slot freigeworden. Es wurde gefragt, ob jemand einen Stick dabei hätte und auflegen möchte. Ich hatte zwar welche dabei, aber dachte, dass ich dafür viel zu besoffen wäre. Dann haben sie mich doch hinters Pult gebracht und ich habe drei Stunden aufgelegt. Ein Freund war gerade auf Toilette, als ich hoch bin. Der war völlig verwirrt, als er wiederkam und ich nicht mehr auf der Tanzfläche stand – sondern hinter den Decks.

Es klingt wirklich, als wärst du schon öfter mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Wie sieht denn mittlerweile dein Alltag so aus?

Meinen Job als User-Interface Designer habe ich Stück für Stück reduziert und schließlich ganz aufgehört. Als dann für Mischluft erste Gig-Anfragen reinkamen, habe ich mich echt gefragt, ob ich denn wirklich auflegen will. Davor hatte ich mich eigentlich eher als Producer gesehen. Aber es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Am Wochenende spiele ich irgendwo und unter der Woche kümmere ich mich vor allem um Social Media. Das frisst echt den größten Teil meiner Zeit, vor allem weil man sich so häufig in den Reels verliert. Nach einem anstrengenden Wochenende und einer leeren sozialen Batterie versuche ich aber extra, nicht in ein Loch zu fallen. Deswegen gehe ich dann raus und arbeite zum Beispiel in der Albi. Tatsächlich komme ich am Ende aber auf mehr Arbeitszeit als in meinem 40-Stunden-Job.  

Foto: Johanna Fazekaš

Nicht nur unter der Woche, deine Wochenenden sind auch ausgeplant mit Gigs. Warum spielst du nicht öfter hier in der Nähe?

Mittlerweile übernimmt das Booking Hot Meal Records für mich. Da wird dann geschaut, was so reinkommt. Aber gerade diese Trance-Schiene ist hier in der Umgebung irgendwie nicht so gefragt. Ich weiß gar nicht genau warum, vor allem weil gerade die Jüngeren diese groovy, happy Musik sehr abfeiern. Die Leute haben Bock auf Trance. Aber hier in Leipzig wird das gefühlt nicht so häufig gebucht, was sehr schade ist. Die Subkultur und Underground-Szene ist so groß, bleibt da aber irgendwie auf der Stelle stehen.

Dafür wurdest du in Australien gebucht.

Ja, das war heftig. Dahin wieder zurückzukehren und dann dort auflegen zu dürfen. Ich meine, dort auf der Reise hat es angefangen. Die Leute feiern Trance sehr, weil die Szene generell etwas mehr „Mainstream“ ist. Da kommt jeder Track mit Vocals gut an. Hat sehr viel Spaß gemacht dort aufzulegen.

Hast du denn ein Ritual vor oder nach dem Auflegen?

Ja, immer ein isotonisches Getränk. Niemals die Elektrolyte vergessen.

Ist dir schonmal was Verrücktes beim Auflegen passiert?

Einmal hat jemand einen Bierbecher geschmissen, falls du sowas meinst. Da hatte ich erstmal gut zu tun, die Mixer wieder sauber zu wischen und trocken zu machen. Ist jetzt die Frage, warum der Becher geflogen kam. Aus Freude oder Wut.

Foto: Johanna Fazekaš

Und wenn wir schonmal dabei sind, wann spielst du am liebsten?

Das ist easy. Von 2-4 Uhr. Da ist die Menge in guter Stimmung, also perfekt für happy Vibes und bouncy, groovy Trance.

Gehst du denn privat auch nur auf Trance Partys?

So viel Zeit zum privaten Feiern gehen habe ich gar nicht mehr. Aber generell liebe ich Trance dafür, dass man gute Laune bekommt und sich selbst nicht so ernst nehmen muss. Das ist mir dann um einiges lieber als die Hard-Techno-Partys, da ist alles immer sehr düster. Wobei ich mir immer noch gern Oldschool-Techno auf 130 oder 135 bpm anhöre. Da muss man nicht so sehr ausrasten, weil es keine Hits oder Peaks in dem Sinne gibt. Stattdessen wird man da reingesogen und bleibt dann drin. Genauso wie bei Melodic Techno, ich kann nur immer wiederholen, dass dieses Genre im elektronischen Musikbereich nie alt wird. Auch wenn da jetzt vielleicht ein paar die Augen verdrehen.


__Fotos

Die Fotos zu diesem Spot on sind mal wieder exklusiv für uns entstanden – ein riesiger Dank an Johanna Fazekaš.

CommentComment

  • Martin / 20. Juni 2024 / um 11:22
    Hey Jens,

    Weise Worte, sowas ähnliches gab es ja schon einmal Anfang der 90er und gibt mir extreme "Hardcorevibes". Wenn du dir mal überlegst, was es in den 80ern schon für Killer aus Belgien und UK gab, könnte er beim Produzieren noch was lernen. Ich freu mich trotzdem für Frischluft.

    Die Photoserie des Artikels transportiert ein sehr schönes Gefühl, finde ich.
  • Jens / 19. Juni 2024 / um 16:44
    Hi Martin,

    lass die Kids doch erstmal starten und dann die History entdecken. Ja, es ist sehr kurz geschaut und formuliert von Mischluft – aber es lohnt sich durchaus weiterzulesen.
  • Martin / 19. Juni 2024 / um 15:17
    Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, wirft auch Trance lange Schatten. Auf jeden Fall schön zu lesen, dass Trance seine Anfangsphase (angeblich) um 2019 hatte. War eigentlich der Meinung das es etwas ( ~30 jahre) eher war. Danach hab ich nicht weitergelesen.

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