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New In-Redaktion
Die New In-Redaktion hört sich durch den Bandcamp-Dschungel und sucht die spannendsten Leipzig-Releases heraus – aktuell sind das David, Nils und Jens.

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New In – Summer Edition 2024

13. Oktober 2024 / Kommentare (0)

Und hier nun auch der zweite Teil unseres New-In-Rückblicks auf einige spannende Leipzig-Releases. Dieses Mal Musik aus den Sommermonaten.

Mario Wiedemann – “It Just happened” (O*RS)

Los geht es mit Mario Wiedemann. Er nimmt uns auf seiner am 12. Juli 2024 auf O*RS erschienenen EP “It Just happened„ auf einen nostalgischen kleinen Spaziergang durch die jüngere Geschichte des Filter House mit. Die EP startet mit einer wunderschönen Bassline, um die herum mit “Joice Voice„ ein ganz klassischer House-Track entsteht. Drums, Synthies, dann wird irgendwann das Sample reingefiltert – alles tausendfach gehört und doch immer wieder wunderschön. Der Track entwickelt sich Spur um Spur zu einer glamourösen French-Touch-Nostalgia-Hymne, die im vollen Imago einen angenehm sorgenbefreiten Spirit beschwört. Der kaputte Charme des Nachtlebens geht dem Track zwar ab, aber das stört nicht. Vielmehr feiert er den Augenschlag eines goldenen Moments, schickt uns auf eine Zeitreise durch die großen Ed-Banger-Jahre mit ihrer musikalischen wie visuellen Farbenpracht und einem Hedonismusversprechen ans dionysische Kollektiv. Moment mal, Hier und Jetzt und Zeitreise – Widerspruch!? Nein nein, denn der Moment der gefeiert wird, ist lange vergangen. Aber Wiedemann holt ihn zurück.

Der zweite Track “Jack in a Box„ schlägt eine etwas andere Richtung ein. Start mit Drumpattern, dann kommen Snares und Kicks, relativ ansatzlos ein stark gefiltertes Sample, irgendwann werden noch mehr Drums dazugelegt – und alles gewinnt an Patina. Irgendwann dann Telefonsound, danach Drums raus und Voice Sample rein, das irgendwie nach TripHop klingt. Kein Minimal, aber der musikalische Ausdruck begrenzt sich auf eine begrenzte Anzahl einzelner Spuren, die für sich genommen stark genug sind, um im Kollektiv einen atmosphärischen Track zu tragen. Im Gegensatz zu “Joice Voice” geht´s hier nicht um hedonistische Opulenz, sondern eher um ein entspannt heruntergekühltes Selbstbewusstsein. For the sake of the Argument: Wenn “Joice Voice” eine glitzernde Hommage an French Touch sein soll, dann wäre “Jack in a Box” ein souveränes Kopfnicken in Richtung Kölner Nullerjahre, so wie sie uns in den Kompilationen des legendären Kölner Labels Kompakt um die Großmeister Jürgen Paape und Wolfgang Voigt erhalten und überliefert sind.

Davids‘ Hit: Beim ersten Hören „Joice Voice„, spätestens ab dem fünften Mal aber “Jack in a Box”. Why: Weil die Grower immer die besten Tracks sind.


Perm & HAL – “Lookout Mountain Studios” (Kann Records)

Kann haute Ende August eine Bandcamp-only-VÖ raus. Beim ersten Reinhören verstehe ich, dass das Label “nicht mehr warten” konnte das Ding in die digitale Welt zu blasen.

“Untitled (Cheese Reaction Mix)” ist ein super atmosphärischer und dubbiger Track, der nach einem Percussion-Intro zu einem Synth-Biest mutiert – mit einer Kick irgendwo im Subbass-Bereich. Hier ist viel Platz, alles darf sich entfalten. “Tenure Track III” ist dann wirklich ein reiner elektronischer Dub-Traum. Basic Channel winken rüber. Den Abschluss macht “Tenure Track II” mit dem besten aus beiden Welten. Super nicer und frischer Sound auf Kann.

Nils‘ Hit: „Tenure Track II“. Why: Lässt sich sicher gut mixen mit bisschen flotterem Techno.


Llewellyn “Instant Crush” (Riotvan)

Ich sage es gleich vorweg: Ich bin ein Fan aller Projekte von Martin Enke. Und das seit der Veröffentlichung der “Point EP” von Lake People, dem anderen großen Projekt des Produzenten neben Llewellyn. Diese EP war maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich vor ein paar Jahren wieder Lust auf elektronische Musik im 4-to-the-floor-Sektor bekommen habe. In der Musik steckte so viel Liebe und Gefühl – das kam für mich damals irgendwie unerwartet.

Seitdem verpasse ich keine Veröffentlichung von Martin Enke. Auch wenn jedes Projekt für sich und einen anderen Sound steht, kann ich meist andocken, weil sie einen ähnlichen Spirit haben wie oben erwähnte EP. Immer ein wenig melancholisch und flächige Synths all over, die mir sehr viel sagen. Egal ob Breakbeat-Inferno (Amrint Keen), Tech House (Lake People) oder der leicht discoide Sound von Llewellyn mit 80s-Touch. Da kamen super viele Lieblingstracks zusammen in den letzten Jahren.

Die neue (lange) EP von Llewellyn auf Riotvan umfasst sechs Tracks und zelebriert den Sound, der auch schon auf den letzten drei EPs auf dem Label Gesetz war. Tanzbare 80s-Vibes auf 4/4-Beat oder gebrochener Grundlage, Basslines à la Giorgio Moroder, die Synths super geschmackvoll. Es schiebt sich immer ein Element rein, welches mich abholt und so cachty ist, dass es im Gehörgang hängen bleibt. Kein Track nur Füllmaterial und das Artwork mal wieder super schön. Ich bleibe Fan, das steht fest.

Nils‘ Hit: “Fractured Memories” Why: Der Flächeneinsatz nach ca. 20 Sekunden ist pure Liebe.


Janein “Virtual Universe” (Seelen.)

Anfang August konnte Seelen., eines der derzeit bekanntesten Leipziger Techno-Labels ein neues Highlight feiern: das Debüt-Album von Label-Mitgründer Janein. “Virtual Universe” lotet mit sehr feinem Gespür verschiedene Nuancen von klassischem und kontemporärem Techno.

Hypnotisch über lange Zeiträume entfaltend, mal deep-dubbig, mal hektisch-dystopisch. Dazwischen gibt es auch breakige Tracks wie “Kaleid” zum Durchatmen. Besonders stechen bei Janein immer wieder die schwer-bassgeladenen Stücke wie “Exploring Scan” oder “Virtual Universe” heraus, die einen komplett vereinnahmen. Kurzum: ein sehr gutes Techno-Artist-Album – und das alles Vinyl only. Online gibt es nur diese Snippets zu hören.

Jens’ Hit: “Ground Control” Why: Weil einfach geile Dramatik.


Hearts “s/t” (All My Ghosts)

Im Sommer brachte auch frohfroh-Autor Nils auf seinem wunderbaren Label All My Ghosts zwei neue Releases heraus. Die EP von Hearts vertont süße Melancholie mit flirrend-breakigen Beats und dreamy Chords. Irgendwo zwischen Deep House, Electronica und poppig eingefärbten Field Recordings hat Hearts die perfekte Mitte zwischen Listening und Dancing gefunden. Da flackern schon einige Bicep-Erinnerungen mit auf, aber mit deutlich mehr Understatement und weniger Big-Room-Ambitionen. Diese EP hilft definitiv beim Überleben des kommenden Winters.

Jens’ Hit: “Elotranc (Rebirth) Why: Weil sich in den zackigen Beats und den sanften Piano-Chords so eine beruhigende Kraft entfaltet.


Gregor Dys “Riss Remixed” (All My Ghosts)

Die zweite All-My-Ghosts-EP dieses Sommers liefert noch einmal neue Perspektiven auf das sehr gute, experimentelle, kristallin klingende Album “Riss” des Berliner Musikers Gregor Dys. Und zwar in Form von sieben Remixen. Und es ist sehr spannend zu sehen, wie der experimentelle Charakter respektiert wird und dennoch durch das neue Verschieben und Hinzufügen von geraden oder breakigen Beats um viele Facetten erweitert wird. Auf jeden Fall ist “Riss Remixed” keine plumpe Dancefloor-Transformation der Originale, sondern eine subtile Auseinandersetzung mit dem Werk von Gregor Dys.

Jens’ Hit: “hdcNO1408 (Katalog Version) Why: Weil die scheppernden, unberechenbaren Beats und die dubbigen Hallräume sehr gut harmonieren.

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