Elotrance – ein Name, der in der Leipziger Musikszene und darüber hinaus für Originalität, familiäre Atmosphäre und Vielfältigkeit steht. Doch was steckt hinter dem Kollektiv? In diesem Interview erfahrt ihr es.
Das Interview mit Elotrance zu führen, war eine kleine Herausforderung: Von den fünf Mitgliedern konnten sich nur Alex, Felix und Carl Zeit nehmen, da das Kollektiv über mehrere Städte verteilt lebt und jedes Mitglied auch privat viel um die Ohren hat. Viktor und Eddie fehlten leider, doch ihre Perspektiven und Beiträge zum Kollektiv wurden von den Anwesenden gewürdigt und einbezogen.
Im Gespräch erzählen die drei Mitglieder, wie alles begann, wie sie die heutige Rave-Kultur wahrnehmen – und was ihre Visionen für die Zukunft sind. Dabei wird schnell klar: Elotrance ist weit mehr als ein Kollektiv – es ist eine Freundschaft, die auf einer tiefen Leidenschaft für Musik und Gemeinschaft basiert.
Wer ist Elotrance und wie hat alles angefangen?
Wir sind fünf Freunde: Carl (24), Alex (24), Viktor (22), Eddie (25) und Felix (22). Vier von uns kommen aus der gleichen Heimatstadt, Eddie haben wir später in Leipzig kennengelernt. Die Rave-Szene hat uns noch enger zusammengebracht. 2020, zu Alex’ Geburtstag in Berlin, haben wir gemerkt, dass wir gut zusammen harmonieren und wollten das ausbauen. Im September 2021 organisierten
wir unseren ersten Rave in Leipzig – damals noch ohne den Hintergrund eines Kollektivs. Ein Jahr später, bei unserem ersten Outdoor-Rave, gründeten wir Elotrance und unsere Podcast-Reihe dann offiziell.
Wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Der Name kam Viktor auf der Rückfahrt von einem Rave in Berlin. Wir hatten damals oft Elotrans benutzt, um nach langen Partys wieder fit zu werden. Nach einem weiteren Rave hat sich die Idee ziemlich gut festgesetzt. Heute hat unser Elotranskonsum zwar abgenommen, wir finden den Namen aber nach wie vor kurz und prägnant.
Was sind eure individuellen Hintergründe, bevor ihr als Kollektiv zusammen aufgelegt habt?
Felix hat uns alle musikalisch zusammengebracht. Er hatte mit 14 DJ-Unterricht für 1,5 Jahre. Alex und Felix haben sich dann in einem kleinen Club in der Heimat getroffen und Alex war sehr interessiert am Auflegen. Das führte dazu, dass sich die beiden vermehrt getroffen haben, wodurch dann auch ihre Freundschaft entstand. Ende 2020 sind sie zusammen nach Leipzig gezogen. Auch Viktor hat das Auflegen von Felix gelernt, als sie noch in ihrer Heimatstadt Coburg gewohnt haben. Carl hat parallel selbst angefangen. Er hat sich 2018 sein erstes Mischpult geholt. Zu der Zeit kannte er Felix nur aus dem Chor in der Schule, fand ihn aber sehr inspirierend, weil er zu der Zeit schon in einem kleinen Club auflegte. Die beiden haben durch das gleiche Interesse zum Auflegen Kontakt aufgebaut und sich dann einmal im halben Jahr in einem Musikladen in der Heimatstadt von ihrem ganzen Taschengeld Equipment gekauft.
Habt ihr verrückte Talente?
Wir machen alle gerne Urlaub. Felix tobt sich gerne als Hobby-Barista an seiner Siebträger aus und Carl kann sich sehr gut mit fremden Menschen anfreunden. Alex hingegen bäckt leidenschaftlich gerne Brot.
Was ist Techno für euch?
Alex: Ich hatte früher keinen Bezug zu elektronischer Musik, ich habe es sogar lange verteufelt und weiß auch nicht ganz warum. Jetzt ist diese Musik für mich sehr mit Feiern und guten Gefühlen verbunden. In meiner Freizeit höre ich sie meistens, wenn ich Energie brauche.
Felix: Für mich ist elektronische Musik die Musik, die ich hauptsächlich in meiner Freizeit höre. Ich mag Melancholie als Stimmung sehr gerne, deswegen sagt mir privat auch eher langsamer Techno zu. Da ich diese Musik jetzt schon sehr lange höre, ist es für mich irgendwie normal geworden. Es kommen einfach sehr viele Stimmungen zusammen.
Carl: Ich finde an Techno-Veranstaltungen gut, dass die Musik immer im Vordergrund steht. Viele Menschen kommen nur wegen der Musik und trotzdem ist es ein anderer Vibe als ein Konzert. Außerdem finde ich es gut, dass sich viele Veranstaltungen in der Szene Mühe geben, einen Safe Space zu kreieren.

Wie würdet ihr eure Musik beschreiben und was möchtet ihr damit vermitteln?
Unsere Musik ist schnell, groovy und vor allem happy und sehr treibend – perfekt, um sich darin zu verlieren. Was wir damit vermitteln, kommt auch immer etwas darauf an, wo wir spielen. In Leipzig können wir einen familiäreren Vibe erzeugen als zum Beispiel in Berlin. Dabei muss man sagen, dass jede Stadt ihren eigenen Reiz hat und unterschiedliche Erfahrungen bietet. Mit unserer Musik versuchen wir durch Einpflegen von Breakbeats, UK-Garage oder auch Psytrance eine gewisse Schnittstelle zwischen den Genres zu schaffen. So sprechen wir eine Bandbreite an Menschen an. Von Old-School-Trance-Fans bis hin zu, durch die Pop-Edit-Szene, neu hinzugekommenen.
Produziert ihr auch eigene Tracks?
Carl: Ja, ich nutze jede freie Minute zum Produzieren und habe noch einige unveröffentlichte Tracks.
Felix: Ich arbeite schon lange mit Ableton, habe aber erst einen Track veröffentlicht. Ich möchte auf jeden Fall mehr machen.
Alex: Ich habe einen Track produziert, aber das hat viel Zeit und Nerven gekostet. Da ich seit klein auf Gitarre spiele, habe ich einen gewissen musikalischen Anspruch an mich selbst. Diesen Perfektionismus umzusetzen, ist gar nicht so einfach. Ausgeschlossen ist es allerdings nicht, dass ich mich noch einmal an Ableton setze.
Wie steht ihr zur aktuellen Rave-Szene?
Alex: Ich finde es toll, dass die Szene inklusiver wird. Aber es braucht Respekt – gegenüber den Veranstaltenden, den Awareness-Teams und der Privatsphäre, Stichwort: Handys im Club.
Carl: Jede:r darf kommen wie er/sie will, das ist mir wirklich total egal. Man sollte sich nur nicht verstellen, das ist ganz wichtig.
Felix: Ich verstehe die Kritik an der neuen “After-Corona/TikTok-Generation”, aber letztendlich sollte jede:r willkommen sein. Auch wir waren mal neu in der Szene.
Wenn ihr in der Zeit reisen könntet: Wo würdet ihr gerne hinreisen und auflegen oder tanzen?
Zum Tanzen wäre es sehr spannend, einmal die Rave-Szene in Leipzig oder Berlin von vor zehn Jahren oder rund um den Mauerfall zu erleben (z. B. Kraftwerk). Aber es wäre auch toll in die anfängliche Szene in den Niederlanden einzutauchen. Was das Auflegen angeht, sind wir aber hier sehr zufrieden.
Wie organisiert ihr euch als Kollektiv?
Als Elotrance funktionieren wir sehr organisch und verteilen die Aufgaben nach Stärken und lokaler Präsenz. In Leipzig sind Alex und Felix die treibenden Kräfte – Alex koordiniert hauptsächlich die Events, während Felix zusätzlich unser Finanzwesen im Blick behält. Das Booking managen Carl und Alex gemeinsam, wobei wir hier als gesamtes Kollektiv die finalen Entscheidungen treffen. Bei unserem Merchandise bringt Viktor seine kreativen Designideen ein, und Alex kümmert sich um die praktische Umsetzung. Ein wichtiges Prinzip bei uns ist, dass die Kollektivmitglieder in ihrer jeweiligen Stadt mehr Verantwortung übernehmen – das macht unsere Arbeit effizient und lokal verankert.
Produziert ihr noch Merch?
Unsere einmalig produzierten Shirts kamen gut an und sind mittlerweile ausverkauft. Ob und wann wir nochmal etwas in die Richtung machen, wird die Zukunft zeigen. Von den Caps gab es mittlerweile schon drei Batches, weil diese wirklich beliebt sind. Auch Elotrance-Feuerzeuge haben wir schon an die ersten Gäste auf Veranstaltungen ausgegeben. Bei unseren Produktionen achten wir natürlich auch darauf, dass sie eine gewisse Qualität haben, so nachhaltig wie möglich sind und trotzdem zu einem studentischen Preis angeboten werden können. Zum Beispiel wird alles lokal bestickt. Insgesamt lässt sich sagen: Wir haben viele tolle (und auch verrückte) Ideen, am Ende muss das alles aber auch aus privater Hand organisiert werden. Das ist manchmal gar nicht so einfach.
Habt ihr Rituale vor und nach dem Auflegen?
Alex: Vorher laufe ich nochmal überall durch und checke, dass alles läuft. Nach dem Set muss ich erstmal an die frische Luft und danach eine halbe Stunde im Backstage quatschen und runterkommen.
Felix: Ich drehe mir vorher ein paar Kippen und gehe nach dem Set an die frische Luft, um ein bisschen zu chillen.
Carl: Ein guter Backstage-Bereich ist mir wichtig. Ich schlafe teilweise bis spät und gehe erst kurz vor meinem Set zur Party.

Was war eure einprägsamste Beobachtung während eines Sets?
Alex: Es ist immer toll zu sehen, wie die Musik die Energie im Raum entfacht und einem selbst ein dickes Grinsen auf den Mund zaubert.
Felix: Bei einem Open Air in der Nähe von Würzburg habe ich ein Closing gespielt. Am Ende durfte ich noch eine Zugabe spielen. Als ich dann “Rigid” von Kobosil angespielt habe, hat jemand in der ersten Reihe einen Ausfallschritt gemacht, dann ein rumstehendes Bier in einer Sekunde weg gezündet und laut geschrien. Viktor und ich haben uns nur ungläubig angesehen, weil wir nicht realisieren konnten, was da gerade passiert war.
Carl: Wenn ich meine eigenen Tracks spiele und die Leute die Vocals mitsingen – das ist ein sehr wilder Vibe und macht mich happy.
Welche Festivals besucht ihr gerne? Wo würdet ihr gerne auflegen?
Wir besuchen gerne die Fusion, das Mahagoni und das Tarmac Festival. Ansonsten würden wir gerne einmal selbst auf der Fusion spielen, aber auch gerne auf kleineren Festivals.
Wie ist das bei Clubs, in welchen spielt ihr besonders gerne und wo möchtet ihr noch spielen?
Wir legen alle gerne in der Neuen Welle auf und Carl ist zurzeit häufig im Lokschuppen in Berlin. Wir sind aber auch auf die neue Location der Distillery gespannt. Ein großes Highlight für uns war die Veranstaltung im IfZ. In diesem Mittelpunkt der Leipziger Szene noch einmal unsere Musik darbieten zu dürfen, bevor der Club schließt, das war definitiv nicht selbstverständlich. Der Name des Clubs ist jedoch am Ende gar nicht so wichtig, sondern eher, dass die Party gut ist.
Wie definiert ihr Erfolg als Kollektiv?
Erfolg bedeutet für uns Qualität statt Quantität. Es geht nicht darum, viele Partys zu organisieren, sondern großartige Erlebnisse zu schaffen, auch wenn das weniger Veranstaltungen bedeutet. Natürlich sind wir offen für eine Expansion in andere Städte, allerdings wollen wir unseren hohen qualitativen Ansprüchen treu bleiben – jede Party, egal an welchem Ort, sollte dem Standard entsprechen, den wir in Leipzig etabliert haben.
Was sind eure Ziele für die Zukunft?
Unser Fokus liegt darauf, die Qualität unserer Veranstaltungen stetig zu verbessern, ohne die Wurzeln und Werte zu verlieren, mit denen alles begonnen hat. Besonders wichtig ist uns, weiterhin ein starkes Awareness-Team zu haben, da dies in der Anfangszeit eine Herausforderung für uns war. Wir haben viel dazugelernt und möchten diesen Aspekt künftig noch stärker in den Vordergrund rücken. Wir wollen außerdem unsere digitale Präsenz mit Podcasts und Releases ausbauen, um verschiedenen Künstler:innen eine Plattform zu bieten. Auch unser Label möchten wir weiterentwickeln, obwohl es nicht immer einfach ist, bei eingereichten Demos die Balance zwischen Qualität und Spaß zu finden, dabei aber ausgewogen und divers zu bleiben. Langfristig denken wir über weitere Konzepte nach, wie beispielsweise Vinyl-Veranstaltungen oder ein eigenes kleines Festival. Natürlich wäre das eine größere Herausforderung, aber die Leute wollen am Ende meist eh nicht gehen. Was im Jahr 2025 ansteht, wird unser aktuell größtes Projekt sein. Ende Mai veranstalten wir Elotrance Unbound in den Pittlerwerken: 18 Stunden, indoor und outdoor. Für alles Weitere, und auch für diverse VVK-Tickets sollte man am besten auf den gängigen Social-Media-Kanälen Ausschau halten.
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Fotos: Julian A.