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New In-Redaktion
Die New In-Redaktion hört sich durch den Bandcamp-Dschungel und sucht die spannendsten Leipzig-Releases heraus – aktuell sind das David, Nils und Jens.

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New In – Jan 2025

21. Februar 2025 / Kommentare (0)

Wir haben uns durch die Leipzig-Releases aus dem Januar gehört – und für euch unsere Highlights zusammengestellt. Here we go.

Simon Hinter – „Confusion EP“ (Brombért)

Salut! Eine neue Frucht aus dem Obstkorb von Brombért Records darf bestaunt werden. Und ich lese mir extra mal keinen Pressetext vorab durch, sondern steige direkt mit der Musik ein. Der Titeltrack startet ein wenig düster und dann kommt dieser Drumbreak, den man anderswo möglicherweise schon mal gehört hat. Dazu schieben ein Voice-Sample und ein paar Drum & Bass geschulte Basslinien den Track nach vorne. Gute und flotte Nummer zwischen Breaks und Drum & Bass mit schicken Retro-Vibes. Auch Stück Nummer zwei spart nicht mit Bass-Music- und Breakbeat-Referenzen. Dunkle Synths, beschwörende Vocals und viele Frequenzen des unteren Spektrums sorgen für ausreichend Deepness. Bleibt bei mir spontan ein wenig mehr kleben als der Opener. „Something New“ ist definitiv was für sonnigere Stunden und brettert in guter alter und melodiöser Drum & Bass-Manier los. LTJ Bukem und Co winken rüber. Richtig schön eingängige und cheesy Nummer. „Every Day, There Is Something New“ ist eine fast schon kindlich naive Textzeile daraus, die das verspricht, was einem dieser Tage vielleicht ein wenig abhandenkommen mag: Optimismus. Und zum Schluss dann nochmal bisschen Pop-History in den Vocals und ein Lofi-Synth, der eine kindliche Melodie klimpert. Nicht unbedingt was für mich, aber kann man machen. Super abwechslungsreiche EP auf dem Label mit dem brombeerroten Logo.

Nils’ Hit: „Something New“ – Why: Wir brauchen Optimismus!


Iglo – „Tau“ (Figure)

Iglo hatten wir in der letzten New-In-Ausgabe zufällig entdeckt. Dann kam im Januar eine neue EP beim Len Fakis Label Figure heraus – und das sogar auf Vinyl. Es bleibt dabei: Iglo ist derzeit meine spannendste Neuentdeckung seit längerer Zeit. So versiert, so elegant-pumpend und mit so interessanten neuen Twists hat mich schon länger kein junger Techno-Act abgeholt. Ganz neu dabei ist er übrigens nicht: Schon seit drei Jahren bringt Iglo Musik heraus. Irgendwie versteht er es auf den jüngsten Tracks aber sehr gut, in seine klassischen, dichten und deepen Arrangements Vocals einzubetten, die für Techno eher ungewohnt sind. Einerseits mit Soul- bzw. Glam-Appeal sowie kühlen und gehauchten Spoken Words, andererseits mit sanft-schwebender Kopfstimme. Vor allem “Introspection” sticht hier extra heraus, offenbar eine Version eines bereits selbst veröffentlichten Tracks von Iglo. Aber auch unabhängig davon hat er ein unglaublich feines Gespür für ebenso packende und mitreißende Sounds wie filigran-subtile Sounds. Und das alles top produziert. Ihr merkt: Ich bin instant Fan. Nach dieser EP umso mehr.

Jens’ Hit: „Introspection“ – Why: Weil mich wie schon bei der anderen Version der elegisch-schwebende Gesang voll catcht.


The Chord Memory Club – “Piano Lessons II” (Noiseberry)

The Chord Memory Club geben (erneut) “Piano Lessons„. Die jüngste EP, erschienen auf Noiseberry, stellt zwei Tracks vor, die sich atmosphärisch stark unterscheiden.

Auf Grundlage eines klassischen four to the floor baut sich im Opener „You Don´t Know The Streets Like We Do“ Schicht um Schicht ein sehr souverän durchkomponierter Piano-(Filter-)House-Track mit klaren French-Touch-Inspirationen auf. Das Rad wird hier nicht neu erfunden, das ist alles sehr konventionell, aber um Innovation geht‘s hier auch nicht. Der Track ist eine energische Partynummer und soll vor allem Spaß machen – und das tut er auf jeden Fall. Der zweite Track „Numb Spots“ geht in eine andere Richtung, bringt etwas retro-nostalgische Melancholie auf den Release und erweitert das klangliche und emotionale Spektrum der EP dadurch erheblich. „Numb Spots“ bedient eine etwas distinguiertere klangliche Ästhetik mit leicht wavey Einschlag und ist atmosphärisch sicherlich der stärkere Track – gerade weil er uns als Hörer:innen zunächst eher beiläufig in eine gewisse hypnotische Dichte führt, um dann in einem durchaus überraschenden Höhepunkt zu münden.

Davids Hit: “Numb Spots” – Why: Einfach weil er atmosphärisch und emotional so vielfältig ist.


Sonnenstadt – „Starless Void (Unforced Music)

Juhu, ich darf einen Release auf Kassette besprechen. Und der macht optisch schon mal viel her. Der Sound auf dem Leipziger Label Unforced wird mit Downbeat, Ambient und „Electronic Oddnesses“ überschrieben. Hier fügt sich der neueste Release von Sonnenstadt – dem Downbeat-Alias des House-Producers Zacharias – perfekt ein. Lange und atmosphärische Flächen, dezente und organische Percussion und niedrige BPM-Zahlen. Hier und da blitzt mal ein 303-artiger Sound auf. Und dann im letzten Drittel des Openers noch ein schönes Voice-Sample aus der Kategorie „Weltraum“.

Kennt noch jemand die „Space Night“ aus dem TV und die dazu gehörigen Compilations? Die spontane Recherche bei Discogs ergibt durchaus eine musikalische und thematische Schnittmenge zum „Starless Void“. Und das ist absolut wohlwollend gemeint. Die Sounds und die Stimmung der Titel sind auf jeden Fall so konzipiert, dass man sofort mit dem Ohr dran hängen bleibt und sich nicht skippend durch den Release klickt. Musik, für die sich Zeit genommen werden sollte und die gehört werden will. Bei „Electron Rain“ regnet es pluckige Synth-Töne in vollem Stereo-Panorama. Und spätestens bei „Dreams in Cryogenic Sleep“ ist klar, dass dies hier ein sehr ausgefeilter und sehr gut produzierter Ambient-Sound im klassischen Sinne ist. Ein repetitives Voice-Sample auf wohliger Synthfläche. You got me! Ich verweile hier noch ein bisschen und empfehle allen: Hört diese Platte! Vom Anfang bis zum Schluss.

P.S. Im Infotext wird im Übrigen auch noch auf die verwendete Hardware bei der Produktion verwiesen. In Ambient-Kreisen irgendwie sehr verbreitet und ziemlich nerdy. Finde ich gut und dem Release angemessen.

Nils’ Hit: “Electronic Rain– Why: Ein endlos hörbarer Loop.


Lady Maru – „Abstract Lier EP“ (Sanity)

Die Sanity-Crew hat mit ihren Partys im Elipamanoke und mehreren Open-Air-Raves am Cospudener See in den letzten knapp drei Jahren einen ordentlichen Anteil beigetragen, das schnellerer und härterer Techno wieder stärker in Leipzig stattfindet. Seit Anfang 2023 gibt es auch ein Sanity-Label, das uns bisher aber noch nicht auf das Radar gerutscht ist. Im Januar erschien der letzte Release – und der ist mit Lady Maru durchaus groß besetzt. Tatsächlich kannte ich sie vorher nicht, aber eine kurze Recherche macht deutlich, dass die aus Rom stammende DJ und Producerin eine echte Nummer im Hard-Uptempo-Techno- und Gabba-Bereich ist. Ursprünglich kommt sie aus dem Noise und Post-Punk, und diese Härte und Schärfe überträgt sie nun eben seit mehreren Jahren auf Techno. Auch ihre Sanity-EP ist davon geprägt. Knarzige Synth-Sounds treffen auf Rave-Chords und düstere Industrial- und Wave-inspirierte Beats. Das ist mir alles etwas zu ruppig und teilweise zu wenig subtil. Aber es hat eine große Energie und Dynamik. Besonders „Back To My Roots“ pusht mit seinen Vocals und 90s-Rave-Fanfaren massiv nach vorn. Remixe kommen von Sanity-Resident WSX und der kolumbianischen Producerin Lourdes. Beiden nehmen den Originalen etwas die rauen Kanten. Letzterer Remix versöhnt mich dann mit ihren spooky Vocals, den Ambient-Flächen und dem extra Push im Tempo mit dieser EP.

Jens’ Hit: “Abstract Lier (Lourdes Remix)” – Why: Weil dieser stromlinienförmige Mix aus rasend-harten Bassdrums, weichen Ambient-Sounds und die Psy-Schleifen einen wahnsinnigen Sog entfalten.


Notsch “#Numbers” (Self-released)

Ein Wort, mit dem man „#Numbers“ beschreiben sollte? Neugierde. Gemeint ist hier aber nicht die Neugierde der Rezipient:innen, sondern Neugierde als ästhetischer Antrieb der fünf Tracks, die unter dem Namen „#Numbers“ vom Leipziger Artist Notsch veröffentlicht wurden. Den Release zu beschreiben ist eigentlich Unsinn, denn Konventionen oder Grenzen spielen hier überhaupt keine Rolle – dafür braucht man die EP auch nicht zu hören. Der Reiz dieses Releases liegt vor allem darin, dass hier Möglichkeitsräume elektronischer Musik erkundet werden. Nur folgerichtig, dass die fünf Tracks wie ausgefeilte Skizzen wirken, denen verschiedene Ausgangsideen zu Grunde liegen – ohne dass man den Release hier zum Zufallsprodukt degradieren sollte. Erfrischend ist dabei vor allem die Leichtigkeit der einzelnen Tracks, die alle für sich viel Raum zur Entfaltung finden, weil ihnen formal keine Grenzen gesetzt werden. Notsch geht mit diesen Freiräumen sehr souverän um und verliert niemals die Orientierung. Vielleicht liegt das auch an seiner interessanten musikalischen Vorgeschichte: Er war nämlich vorher Bassist der Punk-Band Makata-o.

Davids Hit: “197” – Why: Weil er mir wie ein natürlicher einfacher Zugang für interessierte Hörer:innen wirkt.


Elme „Bird Of The Year“ (Teleskop / All My Ghosts)

„Bird Of The Year“, der neue Release von Elme, bewegt sich stilistisch irgendwo im Grenzbereich zwischen Postrock und Ambient. Es ist auch eine schöne Kooperation zweier sehr geschätzter Leipziger Labels: Während Teleskop das Digitale übernimmt, hat All My Ghosts das Album auch auf Tape herausgebracht. Die Klangästhetik, die Elme auf „Bird Of The Year“ aufbauen, lebt vom Gespür für entspannten, electronica-getriebenem Postrock und dem fast beiläufigen Sampling von nicht mehr allzu zeitgemäßer (Unterhaltungs-)Elektronik. Diese Melange ist erstaunlich fruchtbar und hilft dabei, einen atmosphärischen Zwischenraum minutiös auszukartografieren. In der Bandcamp-Biografie von Elme liest sich dieser Raum wie folgt: „Creating organic atmospheres and moods that affect the listener where the mind has no business – in the feeling.“ Und diese Beschreibung ist akkurat. „Bird Of The Year“ versetzt die Hörer:innen in einen nachdenklichen Zustand, in dem dann doch immer genug von der Musik andockt, so dass sie eben nicht zur Hintergrundbeschallung verkommt, sondern stets Präsenz behält. Dieser Spagat ist schwer zu erreichen, aber Elme leisten ihn scheinbar mühelos und zeichnen sich so für einen sehr spannenden Release verantwortlich.

Davids Hit: „Shiba Inu“ – Why? Stell dir vor, du hast nach einem langen Tag noch eine Autofahrt in der Abenddämmerung vor dir – dann ist dieses Stück auf jeden Fall der Soundtrack, um auf der Autobahn deinen Gedanken hinterherzuhängen.


S/h/u/y/a “Reflective Message EP” (Recorded Things)

Neues von Recorded Things, dieses Mal mit einem Newcomer aus Japan, der mittlerweile aber in Berlin lebt: S/h/u/j/a. Seine Vier-Track-EP lotet ein sehr weites Panorama aus – mit rau-verrauschtem Hypno-Techno in “Arrangement”, spleenig-bohrenden und dennoch kristallinen Säge-Sounds in “Diagonally“, breakig-tribalistischen Vibes in “Raise One_s Voice“ und elegant glatt gezogenem Deep Techno in “Vase”. So unterschiedlich die Tracks sind, so gut schafft es S/h/u/j/a, die EP mit einer melancholisch eingedunkelten, ins Innere verlagerte Atmosphäre zusammenzuhalten. Gerade in ihrer Vielfalt und Klarheit sehr hörenswert.

Jens’ Hit: “Raise One_s Voice” – Why: Weil die breakig hämmernden Beats und die psychotisch schlingernden Vocal-Samples mich irgendwie packen.


Bigalke – „Kalter Schmerz“ (Don’t Be Afraid Of Yourself)

In einer der letzten New-In-Ausgabe hatten wir Bigalkes neues Label-Projekt erstmals vorgestellt. Im Januar folgte dann eine weitere 1-Track-EP: “Kalter Schmerz”. Düster treibend, mit bedrohlichen Sounds und doch einer gewissen Eingängigkeit bahnt sich dieser Track seinen Weg. Mit wenigen Elementen, aber viel rauer Energie. Gut (für mich), das Bigalke hier den Vocals weniger Raum gibt, die den Track bei “Schattenbraut” viel stärker im wortwörtlichen Sinne dominiert haben. Allerdings polarisiert der Track dadurch natürlich auch weniger. Doch in “Kalter Schmerz” steckt noch immer so viel kalter Hall und fordernder Härte, dass er sich schlüssig in Bigalkes schon sehr eigenen Sound einreiht.

Jens’ Hit: „Kalter Schmerz“ – Why: Weil es nur diesen Track gibt, haha.

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