Anfang Februar erschien eine erste Studie, die die Wertschöpfung und die Herausforderungen der Leipziger Club- und Livemusik-Szene mit validen Zahlen darstellt. Wir haben uns das spannende Dokument einmal genauer angeschaut – hier sind unsere zentralen Erkenntnisse.
Leipzig hat sich mit seiner lebendigen Clubkultur einen festen Platz in der elektronischen Musikszene erarbeitet. Doch ob das so bleibt, ist ungewiss. Die zahlreichen Schließungen von Clubs und Kulturorten in den vergangenen Jahren zeigen deutlich: Die Clubkultur steht unter Druck. Dies verdeutlicht auch die aktuelle Studie zur Lage der Clubs und Livemusikspielstätten (CLIV) in Leipzig, welche von der Stadt Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Nachtrat, dem LiveKommbinat durchgeführt wurde. Dieser Artikel gibt Einblicke in die umfassenden Ergebnisse der CLIV-Studie und nimmt dabei in den Fokus, wo Leipzigs Clubszene derzeit steht und welche Zukunftsperspektiven sich abzeichnen. Eines macht die Studie dabei unmissverständlich klar: Wir haben viel zu verlieren, wenn nicht gemeinsam gehandelt wird.
Clubs- und Livespielstätten: Wo sie heute stehen und warum wir und die Stadt sie brauchen
Die CLIV-Studie, deren Ergebnisse im Februar 2025 veröffentlicht wurden und die im Jahr 2024 durchgeführt wurde, beleuchtet die Vielfalt der Leipziger Nachtkultur. Die 129 befragten Spielstätten repräsentieren ein breites Spektrum an Musikkultur: Neben den 21 Clubs zählen dazu 47 Musikbars, 18 Musikspielstätten, 23 Offspaces und 20 soziokulturelle Zentren. Diese Orte sind weit mehr als nur Veranstaltungsräume – sie sind soziale und kulturelle Knotenpunkte, die Leipzigs Identität prägen. Sie fördern Nachwuchskünstler:innen, bieten Raum für subkulturelle Szenen und tragen maßgeblich zur Attraktivität der Stadt bei, auch für den Tourismus. Doch die CLIV-Studie nimmt nicht nur die kulturelle, sondern auch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Spielstätten in den Blick: Jährlich generieren sie einen Umsatz von 47 Millionen Euro, von dem 80 Prozent in der Stadt verbleiben. Insgesamt 2,2 Millionen Menschen besuchen jährlich Konzerte, Partys und andere Veranstaltungen. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen bleibt die Zukunft vieler Locations ungewiss. In den letzten Jahren mussten bereits die das Mjut, das IfZ und bald auch das DUQO schließen – und die Distillery braucht deutlich länger, um an anderer Location neu zu starten. Doch warum geraten immer mehr Leipziger Clubs und Musikspielstätten in Existenznot?
Von steigenden Mieten bis hin zu verändertem Feierverhalten
Dass die Gentrifizierung in Leipzig längst angekommen ist, ist kein Geheimnis – ihre Auswirkungen sind vielerorts spürbar. Die CLIV-Studie verdeutlicht aus Sicht der Betreiber:innen, dass steigende Mietpreise für Räumlichkeiten eine zunehmende Belastung darstellen. Doch die Lösung kann nicht darin bestehen, dass Clubs und Kulturorte immer weiter an den Stadtrand gedrängt werden, denn das erschwert den Zugang für Besucher:innen und gefährdet die kulturelle Vielfalt. Zudem zeigt die Studie, dass es entweder an passenden Förderprogrammen fehlt oder dass bürokratische Hürden so hoch sind und/oder der Wettbewerb, um die begrenzten Fördermittel zu groß ist.
Ein weiteres Hindernis sind behördliche Auflagen, etwa zu Lärmschutz, Brandschutz und Barrierefreiheit. Für viele Clubs bedeuten diese Vorschriften hohe Investitionen, die sie finanziell überfordern. Auch die Anforderungen an Sicherheitskonzepte und Awareness-Maßnahmen sind gestiegen, was zusätzlichen Druck erzeugt. Ein entscheidender Pfeiler der die Leipziger Clubszene trägt ist dabei nicht zu vernachlässigen: Das enorme Engagement ehrenamtlicher Helfer:innen. Ganze 66 Prozent der Arbeitsstunden in den Clubs- und Livespielstätten werden ehrenamtlich geleistet und nur 16 Prozent der Tätigkeiten werden in Vollzeit ausgeführt. Ohne diese ehrenamtliche Arbeit könnte die Szene kaum bestehen.
Gleichzeitig verstärkt diese Abhängigkeit die Unsicherheit vieler Clubs. Doch nicht nur die Stadt Leipzig und wirtschaftliche Faktoren drehen an den Stellschrauben der Veränderung – auch ihr Publikum selbst. Die CLIV-Studie hat hierzu über 3.000 Besucher:innen befragt und zeigt: Menschen gehen seltener feiern als vor der Corona-Pandemie. Besonders das jüngere Publikum unter 30 bleibt weniger lange im Club. Statt ausgedehnter Nächte stehen gezieltere Besuche im Vordergrund – viele kommen, um einen bestimmten Headliner zu sehen. Interessanterweise, wird generell als Grund für einen „Nicht-Besuch“ einer Spielstätte nur in 9 Prozent der Fälle zu hohe Kosten angegeben.
Wenn Nachtruhe auf Bass trifft – weitere Herausforderungen
Verschiedene Interessen kollidieren – zwischen Anwohner:innen, Stadtplanung und den Clubs selbst. Ein großer Faktor ist schlichtweg die Lautstärke. Die Studie zeigt, dass Anwohner:innen zunehmend über Lärm und nächtliche Menschenmengen beschweren, während Clubbetreibende um ihre Existenz kämpfen. Gleichzeitig ist die Szene auch aus stadtplanerischer Perspektive unter Druck, indem Flächen für Clubs Wohn- oder Gewerbeprojekten weichen müssen. Auch innerhalb der Szene gibt es Spannungen: Zum einen, weil es nicht immer einfach ist, politische und soziale Verantwortung in einem kollektiv organisierten Betrieb zu integrieren.
Zum anderen unterscheiden sich ideelle und wirtschaftliche Herangehensweisen. Während einige Clubs auf Kommerzialisierung setzen, um finanziell zu überleben, kämpfen andere für den Erhalt der DIY-Kultur. Diese Konflikte machen deutlich: Ohne klare politische Weichenstellungen droht eine weitere Verdrängung der Subkultur, was Leipzigs Status als Musikstadt massiv gefährden würde.
Die Stadt muss handeln
Die CLIV-Studie hat einige Ideen, um die Kultur in Leipzig nachhaltiger zu stabilisieren und zu fördern. Eine dieser Ideen, ist beispielsweise eine sogenannte Kulturschutzzone: Damit Spielstätten nicht dem nächsten schicken Loft-Wohnungsprojekt von Berliner Investoren weichen müssen, ist der Vorschlag räumliche Zonen zu für Kulturprojekte zu etablieren. Weitere Maßnahmen wären langfristige Mietverträge und Förderungen die z. B. guten Schallschutz ermöglichen, um die bereits beschrieben Konflikte zu vermeiden. Ein weiterer Punkt, den die CLIV-Studie hervorhebt, ist die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit mit der Stadt, einer stärkeren politischen Unterstützung und einer besseren Vernetzung der Projekte untereinander.
Zudem müssen Kulturräume in der Stadtplanung mitgedacht werden, anstatt sie lediglich als Störfaktoren zu betrachten. Andernfalls droht Leipzig ein herber Verlust an kulturellen Quellen und wichtigen Begegnungsorten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ergebnisse einen Anstoß für politisches Handeln geben und die Stadt Leipzig sich das Bewahren und nachhaltige fördern der Nachtkultur zu Herzen nimmt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ergebnisse politische Impulse setzen und die Stadt Leipzig die Nachtkultur langfristig erhält und gezielt fördert.
