Anfang des Jahres wurde die kurz davor ausgelaufene Koordinierungsstelle Nachtleben Leipzig neu ausgeschrieben. Nun steht die neue Besetzung offiziell fest – und sie stößt auf durchaus geteilte Meinungen.
Anne Petzold wird ab dem 1. April 2025 die beim LiveKommbinat Leipzig e. V. angelegte Koordinierungsstelle Nachtleben übernehmen. Eine durchaus wichtige Position, erfüllt sie doch eine wichtige Schnittstellenfunktion zwischen der Clubszene sowie der Politik und Verwaltung von Leipzig. In ihrer neuen Rolle soll Anne Petzold neben der Koordinierung des NachtRat Leipzig auch Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote für die Akteur:innen der Nachtkultur etablieren, die Mitteldeutsche Nachtkulturkonferenz 2025 mitorganisieren und an der Zukunftsstrategie Nachtkultur mitarbeiten.
Gemeinsam mit dem Fachbeauftragten für Nachtkultur, Nils Fischer, und dem NachtRat bildet die Koordinierungsstelle die Botschaft der Nacht – ein personeller Zusammenschluss, der die Relevanz der Club- und Nachtkultur in alle Richtungen verdeutlichen und Lösungen für deren aktuelle Herausforderungen finden soll. Dass die Koordinierungsstelle vom LiveKommbinat Leipzig e. V. getragen wird, ist rechtlich bedingt: Der NachtRat hat als Gremium keine Rechtsform und kann daher keine Fördermittel beantragen und Mitarbeiter:innen anstellen.
Den Weg für die erst vor zwei Jahren geschaffene Stelle ebnete Kristin Marosi. Sie war maßgeblich an der ersten Entwicklung der Themen, Leitbilder und Netzwerke beteiligt, erzählte sie kürzlich in unserem Hey-Hey-Podcast. Anne Petzold knüpft hier an. Seit über 20 Jahren lebt sie in Leipzig. Sie war in dieser Zeit eng mit der Distillery sowie den damit verbundenen Projekten wie dem Think-Festival sowie der Club- und Kulturstiftung zum Ausbau des Gleisdreiecks als Club-Location verbunden und kümmerte sich dort um die Öffentlichkeitsarbeit.
Parallel war sie für den sächsischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft aktiv. Im Rahmen des Projektes Pop Impuls entwickelte sie zum einen das Musikkiosk-Format mit, das Musikschaffende abseits der sächsischen Metropolen beratend und vernetzend unterstützt. Zum anderen arbeitete sie an der Konzeption für das Pop-Impuls-Nachfolge-Projekt „Büro für Popkultur und Musik in Sachsen“ mit. Und beim LiveKommbinat initiierte sie den „Disko-Stammtisch“ für Clubcrew-Mitglieder.
Zuspruch und Kritik
Eine perfekte Kandidatin für die Koordinierungsstelle Nachtleben also – immerhin gab es ingesamt 21 Bewerber:innen? Unter dem offiziellen Announcement-Post des NachtRat und LiveKommbinat Leipzig zur Ernennung von Anne Petzold findet sich durchweg positiver Zuspruch. Doch das Stimmungsbild innerhalb der Nachtkultur ist keinesfalls so eindeutig zustimmend. Im informellen Austausch mit verschiedenen Akteur:innen der Leipziger Szene wird zwar ihre Aufgeschlossenheit und ihr Engagement hervorgehoben; es lassen sich aber auch kritische Stimmen vernehmen.
Ein häufig genannter Punkt ist, dass mit Anne Petzold eine Person gewählt wurde, die bisher eher in der institutionalisierten, wirtschaftlich orientierten Seite der regionalen Pop- und Clubkultur tätig war. Eine tiefere Connection zu alternativeren Bereichen der Clubkultur lasse sich jedoch nicht aus ihrer beruflichen Vita ableiten. Doch die überaus diverse Leipziger Nachtkultur lebe eben auch ganz entscheidend von den freien Veranstalter:innen, den Non-Profit-Nischenprogrammen, den Underground-Labels, den Off-Spaces sowie den meist ehrenamtlich organisierten Kollektiven. Sie leisten eine wichtige Basisarbeit, indem sie immer wieder neue Impulse liefern sowie Newcomer:innen und Reihen aufbauen, von denen wirtschaftlich am Ende besonders etablierte Clubs und Livemusik-Spielstätten profitieren. Eine adäquate Wertschätzung und Stärkung für diese Teile der Szene gab und gibt es jedoch bislang kaum, offenbar auch nicht bei der Botschaft der Nacht – abgesehen vom Engagement für das Leipziger Open-Air-Konzept, das lokalen Kollektiven legale Flächen für Day-Raves unter freiem Himmel ermöglicht.
Alle Akteur:innen der Clubkultur in den Blick nehmen
Klar, die Botschaft der Nacht ist ein noch junger Überbau zur Förderung der Leipziger Nachtkultur. Die drei Säulen dürften sich alle noch immer in progress befinden. Allerdings bleibt zu hoffen, dass die nun nochmals von der Stadt Leipzig weiterfinanzierte Koordinierungsstelle Nachtleben nicht nur eine rein clubfokussierte Funktion erfüllt, die Clubkultur in erster Linie als wirtschaftlichen Standortfaktor einordnet und weniger als sozio-kulturellen und kreativen Entfaltungsraum für unterschiedlichste, teils marginalisierte, Gruppen und gesellschaftliche Utopien.
„Mein Ziel ist es, die Anliegen der Akteur:innen mit Verwaltung und Politik in Einklang zu bringen, um gemeinsam tragfähige Lösungen für die Zukunft zu entwickeln“, wird Anne Petzold in der offiziellen Pressemitteilung zitiert. Inwieweit sie tatsächlich die Anliegen aller clubkulturellen Aktiven aufgreift und vertritt, wird sich in den nächsten anderthalb Jahren zeigen – solange ist die Stelle erstmal sicher finanziert. Entscheidend dafür sind sicherlich viel Empathie und ein subtiles Gespür für das besondere Spannungsverhältnis der historisch gewachsenen und äußerst vielschichtigen Strukturen sowie den immer neuen Einflüssen der Leipziger Nachtkultur.
Foto: Magdalena Ochoki
Korrekturhinweis: In einer früheren Variante stand, dass Anne Petzold seit fünf Jahren in Leipzig lebt. Dies ist jedoch nicht korrekt und basiert auf einer Fehlinterpretation. Die Stelle ist nun korrigiert.