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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Neustart: Koordinierungsstelle Nachtleben

25. März 2025 / Kommentare (5)

Anfang des Jahres wurde die kurz davor ausgelaufene Koordinierungsstelle Nachtleben Leipzig neu ausgeschrieben. Nun steht die neue Besetzung offiziell fest – und sie stößt auf durchaus geteilte Meinungen.

Anne Petzold wird ab dem 1. April 2025 die beim LiveKommbinat Leipzig e. V. angelegte Koordinierungsstelle Nachtleben übernehmen. Eine durchaus wichtige Position, erfüllt sie doch eine wichtige Schnittstellenfunktion zwischen der Clubszene sowie der Politik und Verwaltung von Leipzig. In ihrer neuen Rolle soll Anne Petzold neben der Koordinierung des NachtRat Leipzig auch Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote für die Akteur:innen der Nachtkultur etablieren, die Mitteldeutsche Nachtkulturkonferenz 2025 mitorganisieren und an der Zukunftsstrategie Nachtkultur mitarbeiten.

Gemeinsam mit dem Fachbeauftragten für Nachtkultur, Nils Fischer, und dem NachtRat bildet die Koordinierungsstelle die Botschaft der Nacht – ein personeller Zusammenschluss, der die Relevanz der Club- und Nachtkultur in alle Richtungen verdeutlichen und Lösungen für deren aktuelle Herausforderungen finden soll. Dass die Koordinierungsstelle vom LiveKommbinat Leipzig e. V. getragen wird, ist rechtlich bedingt: Der NachtRat hat als Gremium keine Rechtsform und kann daher keine Fördermittel beantragen und Mitarbeiter:innen anstellen.

Den Weg für die erst vor zwei Jahren geschaffene Stelle ebnete Kristin Marosi. Sie war maßgeblich an der ersten Entwicklung der Themen, Leitbilder und Netzwerke beteiligt, erzählte sie kürzlich in unserem Hey-Hey-Podcast. Anne Petzold knüpft hier an. Seit über 20 Jahren lebt sie in Leipzig. Sie war in dieser Zeit eng mit der Distillery sowie den damit verbundenen Projekten wie dem Think-Festival sowie der Club- und Kulturstiftung zum Ausbau des Gleisdreiecks als Club-Location verbunden und kümmerte sich dort um die Öffentlichkeitsarbeit.

Parallel war sie für den sächsischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft aktiv. Im Rahmen des Projektes Pop Impuls entwickelte sie zum einen das Musikkiosk-Format mit, das Musikschaffende abseits der sächsischen Metropolen beratend und vernetzend unterstützt. Zum anderen arbeitete sie an der Konzeption für das Pop-Impuls-Nachfolge-Projekt „Büro für Popkultur und Musik in Sachsen“ mit. Und beim LiveKommbinat initiierte sie den „Disko-Stammtisch“ für Clubcrew-Mitglieder.

Zuspruch und Kritik

Eine perfekte Kandidatin für die Koordinierungsstelle Nachtleben also – immerhin gab es ingesamt 21 Bewerber:innen? Unter dem offiziellen Announcement-Post des NachtRat und LiveKommbinat Leipzig zur Ernennung von Anne Petzold findet sich durchweg positiver Zuspruch. Doch das Stimmungsbild innerhalb der Nachtkultur ist keinesfalls so eindeutig zustimmend. Im informellen Austausch mit verschiedenen Akteur:innen der Leipziger Szene wird zwar ihre Aufgeschlossenheit und ihr Engagement hervorgehoben; es lassen sich aber auch kritische Stimmen vernehmen.

Ein häufig genannter Punkt ist, dass mit Anne Petzold eine Person gewählt wurde, die bisher eher in der institutionalisierten, wirtschaftlich orientierten Seite der regionalen Pop- und Clubkultur tätig war. Eine tiefere Connection zu alternativeren Bereichen der Clubkultur lasse sich jedoch nicht aus ihrer beruflichen Vita ableiten. Doch die überaus diverse Leipziger Nachtkultur lebe eben auch ganz entscheidend von den freien Veranstalter:innen, den Non-Profit-Nischenprogrammen, den Underground-Labels, den Off-Spaces sowie den meist ehrenamtlich organisierten Kollektiven. Sie leisten eine wichtige Basisarbeit, indem sie immer wieder neue Impulse liefern sowie Newcomer:innen und Reihen aufbauen, von denen wirtschaftlich am Ende besonders etablierte Clubs und Livemusik-Spielstätten profitieren. Eine adäquate Wertschätzung und Stärkung für diese Teile der Szene gab und gibt es jedoch bislang kaum, offenbar auch nicht bei der Botschaft der Nacht – abgesehen vom Engagement für das Leipziger Open-Air-Konzept, das lokalen Kollektiven legale Flächen für Day-Raves unter freiem Himmel ermöglicht.

Alle Akteur:innen der Clubkultur in den Blick nehmen

Klar, die Botschaft der Nacht ist ein noch junger Überbau zur Förderung der Leipziger Nachtkultur. Die drei Säulen dürften sich alle noch immer in progress befinden. Allerdings bleibt zu hoffen, dass die nun nochmals von der Stadt Leipzig weiterfinanzierte Koordinierungsstelle Nachtleben nicht nur eine rein clubfokussierte Funktion erfüllt, die Clubkultur in erster Linie als wirtschaftlichen Standortfaktor einordnet und weniger als sozio-kulturellen und kreativen Entfaltungsraum für unterschiedlichste, teils marginalisierte, Gruppen und gesellschaftliche Utopien.

„Mein Ziel ist es, die Anliegen der Akteur:innen mit Verwaltung und Politik in Einklang zu bringen, um gemeinsam tragfähige Lösungen für die Zukunft zu entwickeln“, wird Anne Petzold in der offiziellen Pressemitteilung zitiert. Inwieweit sie tatsächlich die Anliegen aller clubkulturellen Aktiven aufgreift und vertritt, wird sich in den nächsten anderthalb Jahren zeigen – solange ist die Stelle erstmal sicher finanziert. Entscheidend dafür sind sicherlich viel Empathie und ein subtiles Gespür für das besondere Spannungsverhältnis der historisch gewachsenen und äußerst vielschichtigen Strukturen sowie den immer neuen Einflüssen der Leipziger Nachtkultur.

Foto: Magdalena Ochoki

Korrekturhinweis: In einer früheren Variante stand, dass Anne Petzold seit fünf Jahren in Leipzig lebt. Dies ist jedoch nicht korrekt und basiert auf einer Fehlinterpretation. Die Stelle ist nun korrigiert.

CommentComment

  • + 1.188935 BTC.NEXT - https://graph.org/Message--0484-03-25?hs=fb27baea8577d79e5bb15848375abf07& / 17. April 2025 / um 22:17
    freixg
  • Booga / 26. März 2025 / um 17:55
    Guter Artikel. Zur Erinnerung: die Stelle hatte der Verband der Livespielstätten ausgeschrieben – und nicht die Subkultur. Aber vielleicht braucht die auch endlich mal eine Stimme. Und weil ich heute mehrfach die Frage "Aber wer oder was ist denn Subkultur?" lesen musste, Jens hat die Antwort bereits im Artikel formuliert:

    "Die überaus diverse Leipziger Nachtkultur lebe eben auch ganz entscheidend von den freien Veranstalter:innen, den Non-Profit-Nischenprogrammen, den Underground-Labels, den Off-Spaces sowie den meist ehrenamtlich organisierten Kollektiven. Sie leisten eine wichtige Basisarbeit, indem sie immer wieder neue Impulse liefern sowie Newcomer:innen und Reihen aufbauen, von denen wirtschaftlich am Ende besonders etablierte Clubs und Livemusik-Spielstätten profitieren."

    Ich wünsche mir vom Nachtrat, dass er auf diese Menschen und Kollektive zugeht, ihre Anliegen und Problemlagen aufnimmt und das Ungleichgewicht der unentgeltlichen Vorarbeit in kultureller, musikalischer und politischer Hinsicht zu deren Gunsten verschieben kann.
  • lottaze / 26. März 2025 / um 15:33
    Hat die Stelle in den letzten Jahren überhaupt irgendwas bewirkt?
    Die Zahl der der Clubschließungen und der Zustand der Szene spricht doch eher dagegen.
    Vielleicht ist die Position wichtig für das Stadtmarketing oder hilft in Zukunft der Distillery, wenn Stefen Kache eine vertraute Position Einflussreich platzieren konnte und so schneller Fördergelder ins Gleisdreick und die Messehalle fließen.
    Während viele andere große und kleine Locations in Schwierigkeiten stecken, in Duqo, Ostend oder Off-locations wäre das Geld vielleicht besser angelegt.
    Würde mich freuen mehr darüber bei euch zu lesen.
  • sbstn / 26. März 2025 / um 14:51
    Wenn Off-Locations, Kollektive und die freie Szene mehr unterstützt werden wollen, hilft es nur, sich zu organisieren, Bedarfe zu formulieren und sich Gehör zu verschaffen. Mit dem VAK ist das ja leider einst gescheitert. Der Nachrat wird seine Türen vor neuen Interessenvertretungen aber sicherlich nicht verschließen. Bisher scheint das Gremium hauptsächlich vom Livekommbinat getragen zu werden, die freuen sich sicher auch über breitere Unterstützung und Engagement von weiteren Akteur*innen der Nacht.

    Die bisher ausbleibende politische Initiative kann man aber sicherlich nicht Anne Petzold vorwerfen, schon gar nicht vor ihrem ersten Arbeitstag. Von ihrem Lebenslauf darauf zu schließen, dass sie nicht genug Engagement für den Underground aufbringt, ist auch recht absurd.
  • Phylis / 26. März 2025 / um 12:49
    Hallo liebe rohfroh-Team,
    Es ist völlig legitim, innerhalb einer so dynamischen und vielfältigen Szene wie der Leipziger Nachtkultur unterschiedliche Meinungen und auch kritische Stimmen zu äußern. Allerdings sollte man sich fragen, ob es wirklich fair ist, einer Person bereits Steine in den Weg zu legen, bevor sie überhaupt die Chance hatte, sich in ihrer neuen Position zu beweisen.
    Anne Petzold wurde gerade erst zur Koordinatorin für das Leipziger Nachtleben ernannt, und bevor man ihre Arbeit bewertet, sollten wir ihr die Möglichkeit geben, diese Aufgabe mit Leben zu füllen.
    Leider trägt der Artikel selbst zu einer Problematik bei: Indem schon zu Beginn ihrer Amtszeit Zweifel gesät werden, könnte es für Anne Petzold schwerer werden, innerhalb der Szene ernst genommen zu werden. Gerade in einer so vielschichtigen und sensiblen Struktur wie der Leipziger Clubkultur braucht es Vertrauen, Offenheit und Geduld – und zwar von beiden Seiten.
    Es wird nicht nur an ihr liegen, ob diese Koordinierungsstelle ein Erfolg wird, sondern auch an der Bereitschaft der Szene, ihr eine Chance zu geben und sich auf mögliche Veränderungen einzulassen. Wie Anne Petzold selbst sagte, geht es darum, tragfähige Lösungen gemeinsam zu entwickeln. Es hätte mich gefreut, wenn anstelle von verfrühter Kritik Anregungen in Form von „das wäre uns besonders wichtig“ formuliert werden.
  • Jonny / 26. März 2025 / um 08:21
    Danke für den Artikel und die Skepsis, die wohl berechtigt scheint, besonders wenn man sich die Reihenfolge der Interessen auf der Seite des NachtRats ansieht. Hast du denn mit ihr über die von dir ausgemachte Spannung gesprochen? Weißt du ob es vielleicht eine offizielle Vorstellung mit Fragerunde etc. in der EchtWelt geben wird? Schönen Tach noch :)

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