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David
Lebt das Leben asynchron, denn liebt Musik, kann sich aber nur in Wort und Schrift ausdrücken. Hat ein Herz für alles was Nebendran so passiert und stellt sich Sysiphos als glücklichen Menschen vor.

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Memory Pearl „Cosmic Astral“ (Altin Village & Mine)

12. Mai 2025 / Kommentare (0)

Mit „Cosmic Astral“ lieferte der kanadische Produzent Moshe Fisher-Rozenberg alias Memory Pearl Ende Januar ein faszinierendes zweites Album auf dem Leipziger Label Altin Village & Mine. So faszinierend, dass wir es nochmals extra vorstellen.

„Cosmic Astral“ hebt sich in seiner Tiefe und Konzeption deutlich von gängigen Ambient-Produktionen ab. Wie schon bei seinem Debüt („Music for 7 Paintings“, 2020) bleibt die Musik von Memory Pearl eine experimentelle, atmosphärische Klangreise. Und nachdem das erste Album seine Inspiration aus sieben Gemälden der jüngeren Kunstgeschichte gezogen hatte, findet „Cosmic Astral“ seinen Referenzrahmen in der Psychotherapie- und LSD-Forschung von vor fünfzig Jahren.

Das Album versteht sich als moderne, zarte Neuinterpretation eines einst real existierenden Musikprogramms, das in psychedelisch unterstützten Psychotherapien der 1970er Jahre verwendet wurde. Das ursprüngliche Programm setzte auf klassische Werke von Strauss, Scriabin oder Holst, wurde jedoch später aufgrund seiner konfrontativen Intensität verworfen. Die ursprüngliche Idee, den Raum der psychoaktiv beeinflussten Wahrnehmung mit Musik zu bespielen, wird nun aber von Fisher-Rozenberg übernommen und ausgearbeitet. Das Ergebnis ist famos: ein Album von großem psychologischen Tiefgang, gleichzeitig lebensbejahend, bisweilen fast hedonistisch, niemals kitschig. Dass es so zusammenkommt, hängt vor allem damit zusammen, dass Fisher-Rozenberg ein phänomenaler Komponist und Arrangeur ist.

Das lässt sich sehr gut an folgender Beobachtung erläutern: Trotz der Tatsache, dass „Cosmic Astral“ mit einem gewaltigen Anhang von Referenzen und enormer psycho-sozial-historischer Tiefe daherkommt, entsteht musikalisch keine sperrige Avantgarde. Vielmehr eröffnet sich eine vielfarbige, detailverliebte und bisweilen spielerische Klangwelt, die durch ihre synthetischen Texturen und fein gearbeitete Tiefe besticht.

Die Musik ist leichtfüßig, die Arrangements wirken mühelos und die Stücke entfalten ihren Zauber sehr unmittelbar. So ist Struktur hier beispielsweise kein Thema, weil sie ganz selbstverständlich präsent ist – genau so, wie sie gebraucht wird. Die Kompositionen funktionieren ohne konventionelle Spannungsbögen, halten dennoch durchweg die Aufmerksamkeit, und gerade diese unaufdringliche Selbstverständlichkeit ließe sich als Ausdruck hoher kompositorischer Reife deuten. So entfaltet sich eine offene, lebendige Klangreise, die passend zum angedachten Resonanzraum in der psychoaktiven Imagination als eine Form von vertonter Lebensfreude und Hedonie zur Erfüllung gelangt.

„Cosmic Astral“ ist ein wunderschönes Album für den Frühling, passt ganz fabelhaft ins Klischee des neuen Starts – ohne, dass man sich für Kitsch schämen muss. Erwähnen muss man an der Stelle auch das Leipziger Label Altin Village & Mine, das mit Memory Pearl erneut belegt hat, dass es ein Auge für extrem spannende Releases hat. Und weiterhin nicht unerwähnt bleiben sollte, dass unter den Gästen mit Moritz Fasbender aka Friederike Bernhardt (die nebenbei im Winter auch einen tollen Release hatte, zu dem ich noch keine gebührenden Worte gefunden habe) auch eine Ikone Leipziger Experimentalmusik zu finden ist.

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