Die Bass-Szene von Leipzig erlebt seit einigen Jahren an verschiedenen Stellen neuen Schub. In diesem Sommer sind wir auf eine Producerin gestoßen, die uns mit ihrer Debüt-EP direkt weggeflasht hat – Zeit für ein Spot on.
Für einige Bass-Heads dürfte Old Man Crane längst kein unbekannter Name mehr sein. Als Teil der Ventral-Vibrations- und Bassmæssage-Crews war sie schon einige Male als DJ in Leipzig zu erleben. Mitte Juli erschien dann mit der „Hepp EP“ ihr erster Release – und das direkt beim renommierten Pariser Bass-Label Bait. Das wird von DJ und Radio-Host Beatrice M. betrieben. Beatrice M. war schon früh von Old Man Cranes Demo-Tracks begeistert. Völlig zurecht. Denn ihre Tracks bewegen sich super schlüssig und ausgereift zwischen Post-Dubstep, Techno und experimemtellen Dub. Dunkel und minimalistisch, mit viel subtil drückendem Sub-Bass, dezenten Vocal-Samples und sehr präzise einnehmenden Percussion-Arrangements. Das alles erzeugt eine unglaublich gelungene dunkel eingetauchte und spannend pulsierende und organisch-deepe Atmosphäre. Hier ist die „Hepp EP“:
Umso erstaunlicher, dass Marie aka Old Man Crane noch gar nicht so lange im Bass-Bereich unterwegs ist. In der sehr empfehlenswerten Radio-Blau-Sendung „Diving Into …“ war sie neulich auch zu Gast und erzählte dort, dass sie eigentlich aus dem Punk kommt und mit Clubmusik anfangs wenig anfangen konnte. Die Erweckung für die physische und klangliche Faszination von Bassmusik kam ihr bei einer Bassmæssage-Party – ein Track des Berliner Dubstep-Producers Orson knallte so rein, dass sich Marie recht schnell mit Producing auseinandersetzte. Weitere Einblicke in ihre musikalische Sozialisation sowie den Kontakt zu Beatrice M. erzählt sie in „Diving Into …“:
„Von diesem Perfektionismus-Gedanken versuche ich mich bis heute fernzuhalten“ – Interview mit Old Man Crane
Für den Deep Dive unseres New In Radios 05/2025 haben wir Marie auch ein paar Fragen geschickt, die sie uns mit Audios beantwortet hat. Daraus ist nun ein kleines Interview mit weiteren Antworten von ihr entstanden, die wir für unser Spot on aufbereitet haben:
Warum hat dich gerade Bassmusik zum Produzieren bewegt? Du warst ja vorher auch schon musikalisch sehr interessiert.
Ich habe früher eigentlich auch schon Musik gemacht, eher auf dilettantischem Niveau – mal ein bisschen Schlagzeug, mal ein bisschen auf einer Gitarre herum gejammt, aber ich habe nie eine musikalische Ausbildung genossen und hatte auch nie Ambitionen ein Instrument zu lernen und mich da ewig hinzusetzen und dann am Ende noch eine Band zusammenzustellen. Man ist ja dann irgendwie auch sehr auf andere Menschen angewiesen und für dieses sich um Gigs kümmern und auf eine Bühne stellen habe ich einfach nie diese Ambitionen gehabt. Als ich dann bei der Bassmæssage diese Tracks mal auf einem Soundsystem gehört habe, hatte ich meinen Bass-Moment. Das hatte einfach einen riesigen Impact und ab da habe ich mich überhaupt erst mit dem Gedanken beschäftigt, wie ich Musik herstellen kann. Ich hatte dann die finanziellen Mittel, mir mal einen Laptop zu holen – damit ist die Hürde halt viel geringer als beispielsweise ein Instrument zu lernen. Ich will damit nicht sagen, dass es weniger komplex ist, aber man kriegt schneller was halbwegs Kredibles hin, als wenn mir jetzt jemand ein Cello in die Hand drückt. Und ich kann eben auch komplette Tracks ganz alleine machen, ohne auf irgendwen angewiesen zu sein. Zugleich kann ich mich im Hintergrund halten, die Sachen einfach ablegen und sein lassen und später weiter bearbeiten – so ist die Hemmschwelle deutlich niedriger, sich da einfach mal auszuprobieren. Das hätte wahrscheinlich auch mit jeder anderen Musikrichtung passieren können, die elektronisch machbar ist und dann eben auch gut klingt – aber bei mir war es halt einfach die Bassmusik.
Du hast bei Anja von „Diving Into …“ erzählt, dass du ursprünglich aus dem Punk kommst: Wie viel Punk steckt aus deiner Sicht in deiner Musik?
Im Prinzip ist es so, dass ich da relativ unbedarft einfach erst mal losgelegt habe. Ich wollte es wirklich einfach erst mal machen. Und insgesamt hat sich daran auch gar nicht so viel geändert. Also alles, was ich gelernt habe, habe ich im Prozess gelernt. Ich habe mich da gar nicht so sehr vorher reingelesen oder irgendwie. Das ging relativ spontan los und hat dann so eine Eigendynamik entwickelt. Und von diesem Perfektionismus-Gedanken versuche ich mich bis heute fernzuhalten. Einfach auch, um mir meine Tracks nicht kaputt zu machen durch einen ständigen Drang nach Perfektion. Denn die Wirkung steht im Vordergrund. Und ich bin wirklich irgendwann einfach fein damit. Ich will es irgendwann mal abgeschlossen haben. Von daher ist vielleicht eben dies ein Punk-Aspekt, das einfach erst mal machen und gucken was rauskommt. Und ich habe nicht dieses Bedürfnis irgendwen zu pleasen, irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen oder sonst was. Es muss mir in erster Linie mir gefallen. Und es ist natürlich super cool, wenn andere Leute meine Musik mögen. Aber ich habe auch gar nicht den Anspruch, jetzt übelst erfolgreich zu sein oder mein ganzes Leben damit zu finanzieren. Es soll Hobby bleiben. Dementsprechend kann ich mir da eben auch so ein bisschen die Freiheit gönnen.
Ich habe auch gar nicht Bock irgendwas zu imitieren, weil mir dadurch eben auch der Spaß an der Sache flöten geht. Und deswegen kombiniere ich ganz wild meine Sounds, die ich mir da baue. Dadurch wird es dann vielleicht auch irgendwie nochmal anders in der Wirkung – ein bisschen organischer oder vielleicht auch ein bisschen fremder. Es ist mir schon wichtig, irgendwie was Eigenes zu machen. Ich habe natürlich auch schon probiert, Sachen nachzubauen oder irgendwie mit Referenztracks zu arbeiten. Aber irgendwie komme ich da nicht so gut klar. Mir geht da einfach der Spaß flöten. Und es klingt dann auch irgendwie nicht mehr nach Old Man Crane, wenn ich versuche, irgendwas zu erschaffen, was es schon gab. Nur eben dann mit anderen Sounds. Deswegen bin ich da relativ frei und unbedacht.

Was ist dein Lieblingstool bzw. deine Hauptinspiration beim Produzieren?
Meine Inspiration kommt eigentlich beim Machen. Also ich kann jetzt nicht sagen, ich muss die und die Umgebung haben oder ich muss im Zug sitzen oder was auch immer. Ich habe schon Tracks nach Nachtschichten gemacht. Ich habe Tracks im Urlaub gemacht, auf Reisen. Sobald ich Bock auf Mucke machen habe, passiert das im Prozess einfach. Meistens fange ich mit einem Percussion-Pattern an. Das macht mir einfach am meisten Spaß. Der Rest des Tracks setzt sich dann wie so ein Puzzle zusammen. Da spielen auch die Aufnahmen mit rein, die ich mit der Hardware mache. Manchmal gibt es einfach Tage, an denen ich Bock habe, mich hinzusetzen und mal so ein bisschen mit der Hardware rumzujammen. Diese Aufnahmen spielen dann natürlich eine große Rolle, weil die ein essenzieller Teil dieses Puzzles sind.
Hardware-technisch habe ich mich sehr in den Moog DFAM und den Minitaur verliebt. Die liefern mir einfach meine schönen, atmosphärisch knarzigen Bässe oder auch Percussions. Irgendwie kann man daraus sehr viele schöne organische Sounds holen. Eine andere Sache, gerade für Pads und um Atmosphäre zu schaffen, sind Jams mit der Soma Lyra 8. Damit nehme ich meistens wirklich über Tracklänge das Ganze auf. Manchmal ist es auch ein bisschen mehr, da kann man sich auch wirklich verlieren und einen ganzen Nachmittag mit zubringen. Aber meist nehme ich auf Tracklänge schon mit Modulationen usw. im Jam auf und muss das eigentlich nur noch unter den Track pfeifen und dann ergibt da was. Und wenn es um Software geht, ist mein Lieblingstool eigentlich ein guter EQ. Also in meinem Fall dann der Fab-Filter Q 4. Das ist für mich ein absolutes Must-Have. Ansonsten arbeite ich gerne auch mit LFO-Tools und mit Dingen, die meine einzelnen Elemente ein bisschen in Bewegung halten. Das schafft dann eine leichte Modulation über den Track hinweg, der bei mir meistens relativ sparse ist – und so entstehen dann interessante Sounds und Modulationen.
Dein Sound bewegt sich sehr organisch und fluid zwischen Bass, Breaks, Dub und Techno – was sind für dich die zentralen Elemente, die deinen Sound dennoch so gut zusammenhalten?
Ich glaube, dass meine Tracks von Sub-Bass und Percussion zusammengehalten werden. Das sind die tragenden Elemente, die sich immer durchziehen und durch die vielleicht dieses In-Between entsteht. Und sicher auch dadurch, dass meine Arrangements relativ simpel sind, sogar eher technoid und insgesamt recht reduziert. Also es im Vergleich zu ganz vielen anderen Tracks, die so rumgeistern, finde ich, passiert mit meinen Tracks jetzt nicht so wahnsinnig viel. Die Sounds sollen für sich wirken und nicht untergehen. Also ich mag es, wenn ich die kleinen Details am Ende auch noch wahrnehme und raushöre. Soundtechnisch bediene ich mich aller mögliche Dinge, aber es braucht auch immer diesen Sub-Bass, sonst wäre es auch keine Bass-Mucke. Wenn der jetzt fehlen würde, wäre das ja irgendwie Quatsch. Ich glaube, dass dieses wilde Kombinieren von Bass-Sounds auf der einen Seite etwas Interessantes hervorbringt. Und wenn das dann mit Sub-Bass und den Percussions ineinandergreift, ergibt das am Ende trotzdem noch was Stimmiges, was zwischen den Stilen schwebt.
Sorry, ich kann die Frage nicht lassen: Was hat es mit deinem Artist-Namen auf sich – gibt es eine Geschichte dahinter?
Ich habe mich bewusst dazu entschieden, das nicht näher zu erklären. Denn zum einen gibt es natürlich dieses Spiel mit den Geschlechtern und mit Geschlechterrollen. Das scheint immer noch sehr viele Menschen zu irritieren. Im Bezug darauf finde ich den Namen recht witzig. Und zum anderen möchte ich auch die nähere Bedeutung nicht erklären. Ich habe einfach von anderen Menschen schon so schöne Ideen und Assoziation gehört habe – das ist einfach besser als jede Realität.
Danke danke. Wenn ihr noch mehr in die Klangwelt von Old Man Crane eintauchen wollt, dann checkt auch unbedingt diesen Bait-Mix, der nur aus Tracks von ihr besteht:
Und hier noch ein Aufgehtipp: Am 23. August 2025 gibt es ein „Hepp EP Record Release Special“ der Ventral Vibrations-Reihe im Frühauf. Mit dem äußerst subbassigen Zoumo Soundsystem und natürlich Old Man Crane an den Decks. Außerdem spielen DJ Badshape, Donna G, Kali Avaaz und Solaris. Ein echtes Traum-Line-up.