Um Bücher ging es bei frohfroh bislang noch nie. Nicht, dass es eine dogmatische Abneigung gäbe. Es fehlte nur irgendwie der Aufhänger. Der ist seit Pfingsten nun da – und zwar mit dem Buchladen Kapitaldruck.
Am Roßplatz gab es bisher wenig Gründe innezuhalten. Höchstens die opulente Ring-Bebauung mit den großen Schaufenstern der Geschäfte, den verwinkelten Durchgängen und den Beton-Blumenbeeten davor übten eine gewisse Faszination aus. Eine Zeitlang residierte das Leipziger Label Kellermusik in genau dem Laden, in dem heute die Bücher von Kapitaldruck stehen. Ein Laden mit eingebauten Holzregalen und Schubkästen mit Glas-Front.
Das Interieur hat etwas Nostalgisches, es versprüht einen historischen Appeal, der auch so etwas wie Geborgenheit vermittelt. Wahrscheinlich wäre es in dem Moment auch egal, was hier verkauft wird. Es sind aber Bücher und Bio-Kaffee. Und es steht nicht irgendwer hinter dem aus den Fünfziger Jahren stammenden Tresen. Es ist René Pölzing.
Als Criticale kennen ihn vielleicht manche als Veranstalter einiger Fridayclub-Reihen in der Distillery und als Mitherausgeber des Faltmagazins repertoire, das von 1999 bis 2003 die Leipziger Clubkultur – „Kantige Musik in 0341“, hieß der Subtitel – journalistisch begleitete. 2004 und 2005 arbeitete er am Reader der Pop Up-Messe mit und machte einige Jahre die Pressearbeit der Distillery. Schluss war damit, als das vom ihm mit initiierte Programm-Magazin Drunk das Zeitliche segnete – spätestens hier wurde René klar, dass er sich außerhalb der Clubszene neu orientieren müsste.
Wie kommt aber ein hinter den Kulissen agierender Club-Veteran zu einem Buchladen? Weil Bücher Grundlagen ebnen – für Diskussionen, für Ideen und Impulse. Und weil ein Buchladen ein guter Treffpunkt sein kann. Als Kleinhändler in das Buchgeschäft einzusteigen, mutet beinahe naiv an. Doch René macht mit Kapitaldruck das, was auch einen Plattenladen vor der eigenen Haustür von einem Online-Shop oder dem Kaufhaus unterscheidet.
Er pickt aus einer riesigen Auswahl Empfehlenswertes heraus, wird inhaltliche Verweise zu weiteren Büchern nicht aufgrund von Kunden-die-das-kauften-kauften-auch-das-hier-Algorithmen oder den Spiegel-Bestseller-Listen anbieten, sondern aufgrund von einem eigenen Wissen und einem Gespür für das Interesse eines Kunden. Und dieser persönliche Kontakt mit guten Empfehlungen ist nicht zu unterschätzen und er wird auch nicht so einfach durch die Online- und Monopol-Welle weggespült.
Das ist beim ambitionierten Plattenkauf nicht anders als bei Büchern. Durch die Buchpreisbindung kann sogar niemand nörgeln, dass es im Internet günstiger sei. Über den Großhändler ist bei Kapitaldruck ebenso alles über Nacht lieferbar wie bei jedem anderem Buchhändler auch. Aber die Auswahl vor Ort macht den Laden wertvoll. Entwicklungen aus verschiedenen Lebensbereichen möchte René aufzeigen – daher sind die Bücher in den Regalen grob in die Rubriken „Leben gewesen“, „Leben eben“ und „Leben später“ unterteilt.
Kapitaldruck soll kein staubiger Buchladen sein, mit drögen Lesungen und Bibliothekenstille. Mit der derzeitigen Hörraum-Installation „Seven Speakers“ zeigt sich erstmals, wie so etwas aussehen kann. Kunst, Musik und Diskurs in einem angenehmen Raum. CFM wird zur Finissage am 3. August live auftreten.
Es soll auch noch mehr passieren. Kalte Speisen, Themenabende und mehr. Kapitaldruck soll formbar bleiben. Nicht nur durch Renés Hand, für ihn selbst soll der Laden ein Podium für neue Gespräche bieten. Heraus kommt hier also ein Plädoyer für die Qualitäten des lokalen Einzelhandels – und das von einem Online-Medium…