Der zweite ist der erste Verlierer – doch manchmal erregt die Nummer zwei mehr Aufsehen als der Gewinner. Im Fall von Subkutan geschah genau dies. Grund genug, ihn mit einem Interview näher vorzustellen.
Von wegen Techno ist tot. Neu aufgerappelt hat sich das Genre. Und salonfähiger ist es geworden. Man erinnere sich nur an die heroischen Retrospektiven zum 20-jährigen Jubiläum. Der Gasmasken-Karneval ist weitgehend verschwunden, okay. Subkutan (eigentlich geschrieben mit einem verdrehten „k“) ist ebenso geflasht von dieser im Tempo zurück genommen Rohheit und der zugleich tief sitzenden Melancholie. Obwohl er musikalisch aus einer ganz anderen Ecke kommt.
Mit seinen Sets hat der Wahl-Leipziger eine Menge Leute auf den Tanzflächen beglücken können – und dass brachte ihn im Kickstart auf Platz 2 des Leserpolls 2011. In der Attitüde ist er jedoch ganz Oldschool – keine direkten Fotos, kein Name. Also genauso, wie Techno anfangs dem Pop-Gestus entgegenwirken wollte. Wir sind ganz Ohr!
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Platz 2 beim Leserpoll 2011 – völlig überrascht oder hast du insgeheim doch ein wenig damit gerechnet, da in den Top 5 aufzutauchen?
„Ich wohne ja erst seit einem knappen Jahr in Leipzig und hatte den Leserpoll zunächst gar nicht so auf dem Schirm. Dann haben mich Leute darauf angesprochen und durch das positive Feedback habe ich schon mit dem Gedanken gespielt, da vielleicht irgendwo aufzutauchen. Mit einem zweiten Platz hätte ich jedoch nicht gerechnet. Das hat mich schon total überrascht und sehr gefreut.“
Bitte erzähle mal ein wenig zu deinem Background – wo kommst du her, wo bist du musikalisch verwurzelt, mit wem fühlst du dich kulturell verbunden?
„Also die letzten Jahre habe ich in Erfurt verbracht und war dort im besetzten Haus auf dem ehemaligen Topf & Söhne-Gelände aktiv. Dort gab es auch irgendwann Partys mit elektronischer Musik, aber eigentlich liegen meine musikalischen Wurzeln im Punk und im Industrial. Zu Techno hatte ich anfänglich noch keine positiven Bezugspunkte. Zu meiner Schulzeit in der ostdeutschen Provinz dominierten oft Nazis die Technopartys, weshalb diese Veranstaltungen für Kids mit bunten Haaren oder anderweitig nicht ins Raster passende Leute tabu waren.“
Wie fand Techno dann trotzdem zu dir?
„Erst in so einem subkulturellen und ganz klar nazifreien Rahmen wie dem besetzten Haus wurde das auf einmal möglich. Und es hat einen Riesenspaß gemacht. 2009 wurde das Projekt mit einem Großeinsatz von der Polizei aber geräumt – die klaffende kulturelle Lücke konnte danach nicht mehr geschlossen werden. Also wurde es Zeit wegzugehen.“
In Erfurt hat sich in der Zwischenzeit aber auch einiges getan, was House und Techno angeht. Trotzdem war die Luft nach der Räumung des besetzten Hauses raus?
„Klar. Es gibt ja auch eine – wenn auch übersichtliche – Anzahl an Clubs in Erfurt. Und es gibt Produzenten, Labels und sogar noch zwei Plattenläden. Allerdings fehlt seit der Räumung ein Ort für unkommerzielle Kultur. Ein Ort, wo auch Musik gespielt wird, die jenseits des Mainstreams liegt. Das war für mich ja letztlich das interessante daran. Es gab auch Versuche die Lücke zu schließen. Doch vor zwei Jahren bekam man in Erfurt von den Verantwortlichen nur Steine in den Weg gelegt. Kaum eine unangemeldete Party, die nicht von der Polizei vorzeitig aufgelöst wurde.“
Subkutan, beschreibt das Gewebe unter der Haut – hat der Name für dich mehr Bedeutung als nur ein DJ-Pseudonym?
„Eine Bedeutung ist, dass mich selbst nur Musik bewegt, die mich wirklich anrührt – die unter die Haut geht. Und das möchte ich natürlich auch bei Leuten erreichen, für die ich auflege. Nichts freut mich mehr als die sogenannte ‘Gänsehaut’. Allerdings mag ich es nicht, wenn die Musik Gefühl vorschreibt, wenn man mir auf der Tanzfläche quasi verordnet, wann ich die Arme in die Luft reißen soll. Deshalb mag ich melancholische oder auch düstere Musik. Ich kann dabei die ganze Welt hassen, genauso gut kann ich aber auch glücklich dabei sein.“
Mit deinem Sound bist du in der House-Hochburg Leipzig ungewohnt straight. Wie geht es dir damit hier?
„Stimmt – auch von außen hatte ich Leipzig als House-Hochburg wahrgenommen und war sehr gespannt, wie sich hier alles entwickeln würde. Weil es eigentlich überall, wo ein Stil eine Dominanz entfaltet, auch Leute gibt, die sich über andere Akzente freuen. Dabei versuche ich aber nicht in Kategorien wie ‘straight’ zu denken. Und es gab ja hier auch zahlreiche Anknüpfungspunkte für mich – auch vom Sound her. Institut für Zukunft oder die ehemalige Homoelektrik-Crew, um nur zwei zu nennen.“
Du bist auch Resident der Vertigo-Reihe – ist das ein Techno-Refugium für Leipzig?
„Vertigo soll eine Party sein, auf der auch Abseitiges seinen Platz hat. In diesem Sinne ist es natürlich ein Refugium, es geht um dystopischen Techno, aber nicht nur das. Auf unseren beiden Veranstaltungen im letzten Jahr gab es auch immer einen Experimental-Floor mit Dupstep, Noise oder Circuit-Bending. Es ging und geht auch um den Versuch, mit Geschlechter-Identitäten zu spielen und natürlich auch um Provokation: Die Fetisch-Performances haben viel Zustimmung erfahren – manche aber auch geschockt. Das ist gut, das bleibt hängen und stößt vielleicht eine Auseinandersetzung an. Momentan suchen wir gerade wieder nach einem geeigneten Veranstaltungsort. Es ist nicht einfach, eine geeignete Location mit zwei Floors zu finden.“
Auch wenn es vielleicht etwas kurz greift – aber ich verbinde diesen düster-trockenen Sound deiner Sets stark mit Berlin, mit Marcel Dettmann, Shed, Mike Dehnert, Sandwell District, den neueren Hotflush-Sachen. Welche Rolle spielt der Techno aus Berlin für dich persönlich?
„Ich würde nicht sagen, dass es ein typischer Sound aus Berlin ist. Überall auf der Welt wird solche Musik produziert. Aber natürlich ist das Berghain ein ungemein wichtiger Referenzpunkt geworden. Auch für mich. Ich glaube manchmal, erst durch das Berghain habe ich diese Musik richtig verstanden. Und es waren nun mal vor allem die Berghain-Residents, die als erste die Geschwindigkeit zurückgenommen haben.
Der Sound ist nach wie vor hart, aber er hat die Hektik von einst verloren – das hat mich angesprochen. Insofern spielt das für mich schon eine Rolle. Ich möchte meinen Blick aber auch nicht so einschränken – es gibt noch so viele andere Stellen, an denen man sich Inspiration holen kann. Im Ambient zum Beispiel.“
Produzierst du eigene Tracks?
„Ich habe angefangen zu produzieren. Doch solange ich damit noch nicht rundum zufrieden bin ist es erstmal nur für meine eigenen Ohren bestimmt.“
Mit Aequalis hast du mit anderen DJs euer Booking selbst übernommen – wollt ihr unabhängig bleiben?
„Aequalis haben Club Malte und n.akin aus der Traufe gehoben, aber wir machen das alles schon gemeinsam. In erster Linie geht es darum, n.akin, club malte, perm (aka bartvogel), mir und in Zukunft vielleicht noch weiteren Artists Bookings zu organisieren bzw. das Ganze ein bisschen zu strukturieren. Es geht gar nicht in erster Linie um die Unabhängigkeit sondern um den Vorteil den es hat, wenn man sich gemeinsam um Bookings kümmert und sich gegenseitig unterstützt.“