Kali Avaaz ist seit vielen Jahren eine konstante Begleiterin der Leipziger Club-Szene. Im frohfroh-Interview erzählt sie von ihren musikalischen Schlüsselmomenten, der Frauenquote und ihrer Unabhängigkeit.
Kali Avaaz steht für sich. Sie prägt ihren eigenen Rahmen, in dem House und Drum’n’Bass keine Gegensätze sein müssen. Und so spielte sie für Kann Records ein Podcast-Set ein und stand kürzlich erst bei der Ease Up-Reihe hinter den Plattenspielern. Vinyl ist ihr Format. Aber das war kein Thema für das Interview.
Kannst du bitte kurz was zu dir schreiben: wie bist du zum DJing gekommen, was waren wichtige Stationen für dich beim Ausgehen und insbesondere beim Auflegen?
„Mit Musik fühle ich mich verbunden, solang ich mich erinnern kann. Sie war schon immer das Mittel, um mich auszudrücken, Emotionen zu begleiten oder hervorzurufen.“
Woher kommst du denn?
„Ich stamme aus einer eher provinziellen Gegend in Sachsen Anhalt. Das Angebot an guter, elektronischer Musik war dort damals stark begrenzt und viele Leute hatten auch noch kein richtiges Interesse daran. Wir mussten längere Wege auf uns nehmen. In Thüringen oder Leipzig waren wir oft. Dass ich einige meiner Teenagerjahre beim Partyersatzamt verbracht habe, bedauere ich heute manchmal – aber es hat sicherlich auch Einfluss darauf gehabt, irgendwann selbst hinter den Plattentellern zu stehen.
Laurent Garniers Unreasonable Behaviour Tour war einer der schönen und wirklich positiv prägenden Momente. Und ein Auftritt von Eva Cazal in Leipzig 2001 war definitiv ein Anstoß in Richtung DJing. Das Set habe ich heute noch sehr gut in Erinnerung. Da kam soviel Kraft mit, das hat mich damals sehr beeindruckt, auch wenn es heute gern etwas stiller sein kann. Ich glaube dann habe ich angefangen Platten zu kaufen – zu dem Zeitpunkt habe ich in Halle gewohnt.“
Und was waren deine ersten Entdeckungen?
„Das waren erstmal viele Electronica-Sachen. Autechre, Funkstörung und der ganze Kram. Parallel dann auch Drum’n’Bass-, Techno- und Electro-Scheiben. Die ganze Vielfalt an elektronischer Musik. Das hat mich einfach alles interessiert. 2002 bin ich dann zum Studieren nach Leipzig gezogen und hatte hier 2007 meinen ersten Gig bei einer kleinen Ausstellung namens ‘Durch den Spiegel’.“
Neulich hattest du überraschenderweise auch einen Auftritt bei der Ease up-Reihe.
„Zu Drum’n’Bass hatte ich lange eine Neigung und gerade in Leipzig ist da früher ja auch einiges passiert. Die ganzen atmosphärischen Sachen wie Omni Trio oder Future Engineers haben mich besonders interessiert. Davon gibt es auch noch einige in meinem Plattenregal. Wie bei vielen anderen war dann aber auch für mich die Luft irgendwann raus. Die Klänge, die man beim Ausgehen zu hören bekam, waren alle sehr ähnlich und die ganze Sache schien zu stagnieren.
Mit Neurofunk und Techstep war aber schnell wieder Interesse geweckt, wenn auch mehr durch Rhythmus als durch mysteriöse Flächenklänge. Alphacut ist ein tolles Label, das einen modernen Sound transportiert und frischen Wind bringt. Die Ease Up Reihe im Conne Island zeigt ja auch, wie Drum’n’Bass im Jetzt tickt und dass es auch genügend offene Ohren dafür gibt. Dort neben Hybris zu spielen, hat mir super viel Spaß gemacht.“
Die siebte Ausgabe des Kann Records-Podcasts konntest du mit einem Mix gestalten – gibt es zu Kann eine besondere Nähe?
„Jeder der in Leipzig wohnt weiß, dass es tatsächlich ein Dorf ist. Man trifft immer wieder die gleichen Leute, Freundeskreise überschneiden sich ständig. So bin ich irgendwie immer wieder mit den Jungs vom heutigen Kann-Label in Kontakt gekommen bin. Die haben mich dann hin und wieder zu ihren Veranstaltungen eingeladen haben. Und 2009 dann sogar auf ihren Floor beim Nachtdigital. Daraufhin gab es auch die Gelegenheit in Berlin und Tschechien zu spielen.
Für den Kann-Podcast gab es keinen Anspruch auf Dancefloor-tauglichkeit. Der Mix ist sicher keine Überraschung für jemanden, der meine Sets verfolgt oder mich kennt. Ich denke, er zeigt ganz gut, wer ich bin und was ich mag. Ich habe sicher nicht immer das sonnigste Gemüt. Ich liebe den Winter, mag es wenn es lange dunkel ist, verbringe Zeit manchmal eben lieber allein mit meinen Kopfhörern und einer Menge an Süßigkeiten als einer Menge Menschen und kann heute auch gut dazu stehen.“
Der Mix hat sehr ruhige, ausgeglichene Züge – war der speziell für das Hören zuhause konzipiert oder ist die Peaktime auch nicht unbedingt deine Lieblingszeit?
„Natürlich hat die Peaktime trotzdem einen Reiz für mich. Jeder DJ kennt und mag das Gefühl, wenn die Leute auf der Tanzfläche auf das was man da macht eingehen und wenn sie den Moment und das Gefühl zur Musik teilen können.
Aber ich mag es auch am Anfang zu spielen. Schon allein der Möglichkeit wegen Stücke, die eben nicht ganz tanztauglich sind, auf einer großen Anlage hören zu können. Auch wenn ich manchmal für den Schluss gebucht werde, ist das für mich nicht ganz die Zeit, die ich mir selbst geben würde. Aber das ist ja auch alles situations- und stimmungsabhängig.“
Du bist eine der wenigen weiblichen DJs in Leipzig – inwieweit spielt das für dich eine Rolle?
„Die Frage wurde mir schon öfter in Interviews gestellt. Bis vor kurzen hat das für mich gar keine Rolle gespielt. Ich fand die Frage immer ziemlich komisch, denn eigentlich geht es ja nur um Musik. Dann wurde ich zu der Ease Up-Veranstaltung ins Conne Island eingeladen und später stellte sich heraus, dass es da einen Drang nach einer Frauenquote gab.
Das hat mir doch zu denken gegeben. Es gibt sicher deutlich weniger Frauen, die auflegen. Und im Drum’n’Bass-Bereich vielleicht noch vereinzelter. Auch wenn das Feedback nach der Veranstaltung sehr positiv ausfiel, war es schon irgendwie traurig, dass die Idee anzufragen so initiiert wurde.“
Wie könnten die Veranstalter deiner Meinung besser damit umgehen – kommt nicht automatisch ein Dilemma auf?
„Das ist tatsächlich ein Dilemma und so richtig habe ich da auch keine Antwort darauf. Das Wort Frauenquote an sich ist schon seltsam genug. Man sollte Künstler nach der Musik buchen und nicht nach Geschlecht. Und da gibt es auf beiden Seiten gute Leute.
Dass weniger Frauen auflegen verstehe ich gar nicht so recht. Es steht jeder Frau heute offen dem nachzugehen. Vielleicht ist es eher schwierig in diese ‘Crews’ oder Organisationen, die schon aus festen Bindungen bestehen und – eben weil es einfach mehr davon gibt – männerdominiert sind, reinzukommen.“
Wie hast du Projekte wie die Propellas oder Do It Herself wahrgenommen?
„Die finde ich schon gut, vielleicht gibt es ja wirklich Frauen, die Hemmungen haben einen Kurs zu besuchen und als einzige zwischen einer Menge Männern zu stehen. Ich selbst habe bisher an keinem der Projekte teilgenommen, aber das hat keinen bestimmten Grund. Bisher hatte ich auch noch nicht das Gefühl, mich irgendeiner Gruppe oder Crew anschließen zu müssen.
Booking-Agenturen machen Sinn, wenn man darauf aus ist mit dem Auflegen sein Geld zu verdienen. Ansonsten weiß ich nicht so recht warum da etwas in Klammern stehen muss, sofern man nicht selbst auf Labels Sachen veröffentlicht. Ich bin keine Feministin und halte nicht viel von DJane Nights, auch wenn ich manchmal dafür gebucht werde. Aber was will man denn mit so einer Veranstaltung sagen?
Ich möchte nicht gebucht werden, weil ich eine Frau bin, sondern für die Sets, die ich spiele. Ich finde es schade, dass man immer noch darüber reden muss. Musik sollte verbinden und kein Anlass zur Gruppenbildung sein.“