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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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„Rave On“ – Ein Film über eine Clubnacht

30. Juli 2025 / Kommentare (0)

Ein Spielfilm über Techno und über Rausch? Immer ein großes Wagnis. Denn das richtige Maß an Authentizität und Ästhetik ist scheinbar nicht so leicht zu finden. „Rave On“ gelingt es aber erstaunlich gut.

„Rave On“ bringt ab 31. Juli 2025 etwas auf die Leinwand, das so konsequent nur selten im Kino zu sehen ist: das Innenleben einer Clubnacht. Keine Doku, keine Szenegrößen-Monologe. Stattdessen ein atmosphärischer Sog, der direkt reinzieht. Und zwar genau dorthin, wo es dunkel, schwitzig, euphorisch, flackernd und manchmal auch ziemlich verloren ist – in einen klassischen, undergroundigen Techno-Club.

Foto: Telos Pictures

Der Film spielt irgendwo in Berlin, zumindest inhaltlich. Aber die Szenerie mit einer alten Industriehalle, den labyrinth-haften Gängen könnte genauso gut in Leipzig oder Hamburg spielen. Einen kleinen, aber durchaus wichtigen Leipzig-Bezug gibt es bei „Rave On“ übrigens doch: Der Leipziger Filmverleih Weltkino bringt den Film bundesweit in die Kinos.

Im Zentrum steht Kosmo – ein leidenschaftlicher und leicht manischer Producer und DJ, der vor Jahren sein Momentum hatte, dann aber im entscheidenden Moment den Sprung zu einem höheren Level verpasst. Es ist seine Nacht, in der etwas gut machen möchte. Und seine Nacht ist unsere Nacht: eine Reise durch einen dieser typischen Labyrinth-Clubs. Die Kamera klebt an ihm dran, treibt durch Gänge, Treppenhäuser, Darkrooms, den Dancefloor. Alles ist abgedunkelt, unscharf, verschwommen, trippig – als wäre der ganze Film selbst auf einer Pille.

Der Plot ist nicht sonderlich komplex – aber das macht nichts. Denn es geht nicht um Storytelling-Finesse, sondern um das Gefühl. Um Atmosphäre. Um das Einfangen einer Nacht, die viel mehr ist als Feierei: eine Nacht, in der sich etwas entscheidet. Für Kosmo. Und vielleicht auch für die Szene.
Was den Film stark macht, ist seine Nähe und Authentizität. Die Protagonist:innen wirken nicht wie Schauspieler:innen, sondern wie Menschen, die wir wirklich nachts oder spät tagsüber im Raucherbereich oder an der Bar treffen könnten. Die Gespräche, die Musik, das Tempo – alles fühlt sich echt an. Dazu kommt der Soundtrack, kuratiert und produziert von Techno-Held Ed Davenport: ein zurückhaltend-treibender, organischer Techno, der die Energie einer Clubnacht sehr gut wiedergibt. Und selbst die Star-DJs im Film sind auch in Wirklichkeit wichtige Musiker:innen und DJs – Hieroglyphic Being etwa spielt Kosmos’ Hero Troy Porter und Lucia Lu verkörpert die neue Techno-Generation. Diese unmittelbare Echtheit ist genau richtig für den Film und für diesen Trip.

Foto: Telos Pictures

Auch thematisch ist „Rave On“ nah dran an einigen aktuellen Themen und Begebenheiten: am Generationenwechsel in der Szene etwa. Alte Held:innen verlieren den Anschluss, der Sound verändert sich, neue Leute kommen – und nicht alle kommen klar damit, vor allem die (meist männlichen) Techno-Real-Keeper verfangen sich schnell im Complaining-Modus und beschleunigen den Disconnect zum Neuen noch mehr. Und auch die vielen Ambivalenzen der Clubkultur werden gut angedeutet: Kommerz versus Underground, Social-Media-Überpräsenz versus Kamera-abkleben. Und natürlich der offen zelebrierte Drogenkonsum und Rausch zwischen euphorischem Eskapismus und innerer Leere, verlorene Seelen neben Profi-Raver:innen, die ihren Weg gefunden haben.

Doch in dieser Nacht mit Höhen und Tiefen, epischen Highs und Abstürzen gibt es auch immer wieder fürsorgliche und kollektive Momente, von Gäst:innen und im Awareness-Bereich. All diese krassen Gegensätze der Techno-Kultur fängt „Rave On“ tatsächlich gut ein. Und als Kosmos im Vollrausch mit seinem Idol Troy Porter connected, predigt er genau das, was viele Raver:innen fühlen: Techno steht für Auflösung in einem kollektiven Moment. Jeder Track gehört allen, weil er diese besondere Verbundenheit schafft. Am Ende ist es egal, wer ihn produziert hat.

„Rave On“ ist aber längst kein perfekter Film. Einige Dialoge und Figuren wirken etwas plastisch und überzeichnet. Der spätere Turning-Point kommt nicht ohne Kitsch und Pathos aus. Aber dieser Film trifft einen Ton. Und das ist mehr, als viele andere schaffen. Ein Film, der nicht über Techno redet, sondern ihn spüren lässt. Vielleicht nicht für alle. Aber für die, die wissen, wie sich so eine Nacht anfühlt, ist er genau richtig.


„Rave On“ in Leipzig

Zum Kinostart am 31. Juli 2025 ist „Rave On“ in den Passage Kinos und dem Cineplex Grünau zu sehen.

Hardfacts:
Regie: Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski
Mit: Aaron Altaras, Clemens Schick, Ruby Commey, Hieroglyphic Being, Lucia Lu, June Ellys Mach uvw.
Produktion: Deutschland 2025
Lauflänge: 80 Minuten   
FSK: ab 16 Jahren

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