Dieser Sommer war irgendwie anders für frohfroh. Eine große Offline-Sehnsucht machte sich breit. Dadurch ist einiges an neuer Musik aus Leipzig vorbei gerauscht. Hier ein Rückblick.
Juli und August sind die Festival- und Chillmonate, die Clubs machen dicht und auch die Labels fahren ihr Pensum ein wenig herunter. Ganz herunter aber nicht. Einige EPs kamen in den vergangenen Wochen heraus, die hier nicht untergehen sollen.
Daniel Stefanik „Signs“ (Cocoon Recordings)
Allen voran Daniel Stefanik, der nach seinem letztem Album „Confidence“ erstmals wieder auf Cocoon Recordings zu hören ist. „Signs“ heißt die neue EP. Und die beiden Tracks schlagen eine eindeutige Richtung zum großen Main Floor ein.
Schwer schiebend und weit ausladend. Zwar in der Stefanik-eigenen Musikalität geerdet, aber doch hörbar auf Rave getrimmt. Besonders “Illuminations“ ist wirklich nah an einer verwirrenden Trance-Epik. Da gab es andere Höhepunkte in Daniel Stefaniks Diskografie.
Panthera Krause „Laika“ (Riotvan)
Anders bei Panthera Krause, dem Solo-Projekt des Marbert Rocel-Mitglieds. Er ist mit seiner zweiten EP – wieder auf Riotvan – noch am Ausloten des eigenen Sounds. Beim Debüt lagen die Referenzpunkte bei Disco und Deep House. Auf „Laika“ kommt erneut sein musikalisch organischer Background zum Vorschein, stilistisch erweitert sich Panthera Krause aber um einige Ecken.
„If“ beispielsweise sehr verspielt mit trockenem und stolperndem Beat, „Isla“ dagegen super stromlinienförmig und konzentrierter. Auch hier ein epischer Einschlag, aber weniger offensiv als bei Daniel Stefaniks „Illuminations“. Die Dub Version raut alles noch etwas mehr an.
Und noch etwas ist neu mit „Laika“: „Through My Mind“ liiert sich schon fast unverschämt deutlich mit der poppigen Deepness von John Talabot. Es soll bald die nächste Panthera Krause-EP folgen. Dieses Mal nicht auf Riotvan.
Sven Tasnadi „Apollo 13 EP“ (Moon Harbour Recordings)
Neues während des Sommers auch von Sven Tasnadi. Eine neue Moon Harbour-EP. Und sie beginnt mit einem großen Gähnen. „On Your Mind“ ist solch ein Tech-House-Tool, das in seiner legeren Freiluft-Leichtigkeit eine Menge Langeweile mitschwingen lässt.
Erstaunlicherweise holt Marco Faraone mit seiner Dub Version einen komplett anderen Vibe aus dem Stück. Mit unglaublich drückender Bassdrum und einer verhuschten Düsternis. Und einer permanent lodernden Spannung. Der Hit dieser EP.
Obwohl Sven Tasnadi mit „Feed Good“ und „Miss Understood“ selbst noch weitaus einnehmender Tracks nachlegt. Wohl, weil sich die Sounds hier direkter und mit mehr klassischem House-Charakter entfalten können.
Sené Ceanes „Unchained Interviews“ (Esoulate Music)
Esoulate Music ist ja bekanntlich vom Net- zum Digital-Label geswitcht. Bisher gab es jedoch nur Re-Releases. Sené Ceanes läutet die neue Ära mit bislang unveröffentlichten Tracks ein.
Seine „Unchained Interviews“-EP widmet sich ganz der europäischen Deep House-Ästhetik der späten Neunziger. Mit einem cleanen, rhodes-betonten und fülligem Sound und einer gewissen Soul-Pop-Nähe. Irgendwo zwischen Realness-Ernsthaftigkeit und einer humorvollen Verspieltheit mit eingebauten Interview-Samples.
Bei Sené Ceanes ist die Erfahrung und Versiertheit immer unmissverständlich herauszuhören. Nur fehlen mir bei seinen Stücken meist die charakteristischen Elemente.
„Just Dance“ und „Crush An Airplane“ bilden mit dem Detroit-Sidekick und der fanfarenhaften Klarheit eine Ausnahme. Simon Sunset holt den Deepness-Ansatz mit seinem „My Journey“-Remix mehr in die Gegenwart.
Various Artists „All Directions Of Love“ (A Friend In Need)
Digital veröffentlicht aktuell auch noch A Friend In Need, das vor wenigen Monaten von Lootbeg gegründete Label. Nach der Compilation zum Start folgt eine weitere Werkschau, die zeigt, wie gut vernetzt Lootbeg international zu sein scheint.
78 Edits aus Edinburgh und Buzz Compass aus Russland steuern je einen Track bei, La Tuerie und Lootbeg selbst sind erneut zu hören und auch der Leipziger iami, der bislang öfter im Tetmusik-Umfeld auftauchte.
Er durchbricht die eingeschlagene Deep House- und Disco-Range dieser zweiten Compilation mit einer introvertierten, bassschnarrenden House-Miniatur. Ein Edit offensichtlich.
Auf jeden Fall einer schöner Nebenschauplatz neben sich den versiert in der House- und Disco-Klassik austobenden vier anderen Stücken. Künftig sollen sich die Release-Intervalle auf A Friend In Need verkürzen.
Various Artists „Bandwith Spektrum Work EP (Pragmat)
Einen Ausflug ist die Techno-Dunkelheit gibt es mit Pragmat. Die mittlerweile siebte Veröffentlichung erschien Mitte Juli auf Vinyl. Label-Betreiber Markus Masuhr teilt sich die beiden Seiten mit Georg Bigalke. Einzeln und gemeinsam. Bigalke bringt eine spürbar rauere Note auf diese Pragmat-EP. Breakiger in den Beats, darker und offener in den Arrangements.
Das gemeinsame Stück „Minsk“ geht denn auch schon mehr in Richtung Electronica als Techno. Kantig und neurotisch und eindringlich. Auch Georg Bigalkes Solo-Stück „Whispering Slaves“ verbietet sich die klar berechenbare Abfahrts-Eingängigkeit.
Wobei: auch Markus Masuhr bietet da einen gelungenen Gegenpol mit seinem “Questionable One Another Implemantation“. Ebenso düster, aber weitaus straighter und geradliniger. Eine der bislang besten Pragmat-Veröffentlichtungen. Wieder streng limitiert und Sticker und Poster zu einem Gesamtkunstwerk aufgewertet.
Free Download und Jubiläum
Ansonsten noch zwei einzelne Stücke. Pwndtiac haute, ergänzend zu seiner aktuellen EP, kürzlich noch „Nightvision“ als Free Download heraus. Ein schwelgerisch und schwerelos schwebendes Disco-House-Stück, das mit dem Franzosen Douze zusammen entstand.
Außerdem ist Juno6 auf der Compilation zum 16. Jubiläum der Jenaer Label-Institution Freude am Tanzen zu hören. „Seq2“ überrascht mit ebenso runtergedimmten wie direkt schiebendem Soul-House, wie er bei Sonar Kollektiv zu deren besten Zeiten zu hören war. Sonnenuntergang, Sonnenaufgang und all das klingt hier mit durch. Was für ein Song, oder Track.
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