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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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„Glad to be back“ – Johannes Beck

23. Mai 2014 / Kommentare (0)

Stadt, Land, Rave – Steffen Bennemann im Gespräch mit Johannes Beck zu den Wechselwirkungen zwischen Metropole und Provinz sowie pleasure and pain.

„Beyond Pleasure And Pain“ – so heißt das neue Album von Johannes Beck, veröffentlicht vor wenigen Tagen bei Kann Records. Dass bei der Entstehung sein neuen Stücke der Umzug von Berlin nach München eine Rolle spielte, gab der Musik sofort einen höchst anziehenden Subtext, der sicherlich auch das Erschließen der Musik mitprägte.

Überhaupt Beck und die Provinz. In seine fränkische Heimat lädt er ab und an Freunde zum gemeinsamen Produzieren ein. Jeder soll ein Gerät mitbringen. Im letzten Jahr waren Sevensol und Steffen Bennemann im Steigerwald. Dokumentiert in zwei eigenwillig losgelösten Tracks.

Da auch bei dem eng mit dem Nachtdigital verbundenen Steffen Bennemann das Spannungsfeld zwischen Provinz und Stadt Spuren hinterlassen dürfte, lag die Idee nahe, beide um ein gemeinsames Gespräch zu bitten. Ein monothematisches.


Vergangenen Sommer war ich bei dir “zuhause”, also in Franken, auf dem Land sozusagen, wo du aufgewachsen bist. Dort ist recht deutlich zu spüren, dass in Sachen elektronischer Musikkultur scheinbar wirklich gar nichts geht. War das schon immer so oder kommt einem das heute nur so vor, weil man inzwischen mit dem Blick eines Stadtbewohners da drauf schaut?

Hmmm … da muss differenziert werden zwischen den Neunzigern und heute sowie dem Steigerwald, aus dem ich komme, und der Stadt Bamberg. In den Neunzigern war durch die Loveparade, Mayday und die Charterfolge von Westbam und Co. die Musik in den Großraumdiscos schon präsent. Im Steigerwald sowie in Bamberg – jedoch nur der kommerziell erfolgreiche Sound.

In Bamberg gab es wohl Anfang der Neunziger auch einen Club, der Afterhours hatte für die Leute die nach zwei bis drei Stunden Autofahrt aus dem Omen in Frankfurt kamen. Aber das kenne ich nur aus Erzählungen. Jedoch gab es Ende der Neunziger in Bamberg einen Laden, den Morph-Club, der hatte ab und zu Techno- und House-Sound.

Also alles in allem gab es damals schon eine kleine Szene. Heute, so ist meine Wahrnehmung, ist das alles weg – weil die Chartmusik weitergezogen ist. Der nächste Anlaufpunkt wäre heute dann also Nürnberg.

Also war es schon so, dass dein erster Kontakt mit der Musik, die du heute auch selbst machst, bereits auf dem Land stattfand – während deiner Jugend?

Genau. Ich hörte damals Punk, Metal und Grunge. Und eines Tage kam mein bester Freund vorbei und hatte ein Tape der Mayday dabei. Ich war sofort Feuer und Flamme und wusste: Da muss es mehr geben. Also haben wir die Großraumdiscos und Clubs in Bamberg und Erlangen abgegrast. Fündig wurden wir dann z.B. im E-Werk in Erlangen wo wir dann öfter zum Feiern und Tanzen hin sind.

Und dann bist du sofort nach dem Schulabschluss in die große Stadt geflüchtet, nach Berlin. War das dann so schock-mäßig: “Oh Gott, krass, was geht denn hier?” So next level / andere Welt mäßig?

Nee. Also ich bin dann zum Zivildienst nach Oldenburg und war am Wochenende fast immer in Bremen und Hamburg unterwegs. Da habe ich dann das erste Mal DJs mit Vinyl gesehen und das hat mich so geflasht, dass ich wusste: Das will ich machen. Ich war aber damals noch viel auf Goa- und Trance-Parties und war ständig auf der Suche nach einem anderen Sound.

Dann habe ich gehört, dass in Berlin sehr trockener und minimaler Sound läuft. Da habe ich entschieden: Ab nach Berlin. Tja und Ende der Neunziger in Berlin war ich dann wirklich wie in einer anderen Welt – total krass! Ich habe den Sound der Stadt sofort geliebt, mit den ganzen Clubs und Bars mit elektronischer Musik, Freunden, die DJs waren, der Fuckparade und den ganzen Plattenläden.

Das war das Paradies für viele Jahre, da ich endlich das Gefühl hatte , “den Sound” gefunden zu haben. Und dann die ersten Fusion-Festivals und die U-site Parties. Und die Piratensender in Mitte – das war einfach eine feine Sache damals.

Nun hast du Alex (Sevensol) und mich vergangenen Sommer in das Dorf deiner Eltern eingeladen, damit wir dort gemeinsam ein bisschen Musik machen können. Du hättest uns ja ebenso nach München (deinem damaligen Wohnort) einladen können, wo du auch dein richtiges Studio hattest. Warum der Weg zurück in die Abgeschiedenheit?

Tja, da geht es einerseits vermutlich um die Wurzeln mit der Familie, die man liebt und die man mit Freunden teilen möchte und zum anderen darum, dass ich während meines Lebens in Berlin die Natur und Lebenseinstellung der Franken sehr zu schätzen gelernt habe. Ich habe die Sehnsucht danach diese Dinge in meiner Musik widerzuspiegeln – zumindest für so ein Projekt wie Studio Bruno.Ich hatte in dieser Woche bei deiner Familie schon sehr das Gefühl, dass ich verstehen kann warum diese ganzen alten Krautrocker inzwischen ein Gehöft oder Haus auf dem Land haben und dort vor sich hin werkeln. Das war schon sehr gemütlich und trotzdem auch produktiv.

Genau – man ist unglaublich entspannt und zugleich sehr produktiv. Ist vermutlich überall auf dem Land so – keine Ahnung – aber in Franken auf jeden Fall. Und wenn man nicht weiter weiß – kurz in eine kleine Brauerei und was Gutes essen und trinken und weiter geht’s. Man wird da ja dann auch nicht durch andere “elektronische Lebensaspekte” so abgelenkt wie in Berlin.

Wie bewegt sich denn dein Album im Spannungsfeld Stadt – Provinz, Berlin – Steigerwald, Jugend – Erwachsensein?

Also das Album steht für mich im Spannungsfeld zwischen Berlin und München und auch zwischen Stadt und Land – zum Steigerwald hat es keinen direkten Bezug. Für mich war München eine neue Wahrnehmung im Vergleich zu Berlin in dem Sinne, dass ich auf superschönen Clubnächten war und trotzdem am nächsten Tag in der Natur war.

In München zu leben hat für mich bedeutet, genau zwischen Natur und Großstadt zu stehen – einfach weil die Berge so nah sind und du in der Isar schwimmen und surfen kannst. Das war für mich nach so vielen Jahren in Berlin, wo ich das Gefühl hatte mich umgibt nur Stadt und elektronische Musik, ein super Ausgleich und eine neue Inspirationsquelle. Gleichzeitig habe ich auch wieder diese Leere gespürt wenn man neu und fremd in einer Stadt ist und auch die “Leere” der Natur habe ich wieder verspürt.

Könnte man also sagen das Album dokumentiert für dich ein Kapitel in deinem Leben, nämlich das Kapitel München?

Ja. Zeitdokument und Kapitel aus meinem Leben auf jeden Fall. Zum Verhältnis würde ich sagen: ein halbes Kapitel ist München und die andere Hälfte ist Berlin, aber aus meiner Münchner Sicht auf mein Leben in Berlin. Damit meine ich, dass die andere Hälfte mit Skizzen begann, die ich bereits aus Berlin mitgebracht habe und die ich dann in München mit meinen Erinnerungen an Berlin abgeschlossen habe.

Wobei sich die Berliner Skizzen in München durch den Einfluss dieser Stadt vermutlich noch einmal etwas verändert haben oder bleiben Skizzen bei dir eigentlich unverändert und bekommen nur noch den Feinschliff?

Na ja, in der Ausarbeitung der Details und der Struktur haben sich die Stücke schon noch sehr stark verändert. Aber die Grund-Atmosphäre ist schon die gleiche geblieben.

Jetzt bist du nach dieser München-Episode wieder in Berlin gelandet. Wie ist das denn, jetzt wieder zurück zu kommen? Du bist ja auch weg, weil du ein bisschen Abstand von Berlin wolltest, nicht?

Berlin: Meine Liebe! Was soll ich sagen – ich war müde von der Stadt und wollte Veränderung. Als ich dann weg war, habe ich gemerkt dass ich Berlin und seine Menschen liebe. Glad to be back!

Leipzig ist in unserem Gespräch bisher noch gar nicht aufgetaucht. Nun kommt dein Album aber ausgerechnet weder bei einem Berliner, noch einem Münchner, noch deinem eigenen Label Mutual Musik raus. Kannst du vielleicht kurz umreißen warum?

Leipzig: My second love! Ok, das klingt jetzt verrückt, denn ich kenne eigentlich nur den Hauptbahnhof und Connewitz. Und den Stadtteil, wo das Westwerk steht und den Cospudener See. Aber ich kann wirklich sagen dass ich oft in Leipzig war und immer eine super Zeit hatte – Menschen, Party, Sound usw. Egal ob einfach so oder als Musiker. Na ja und ich liebe die Kann Records-Jungs sowieso. Also das mit dem Release auf einem Leipziger Label passt perfekt.

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