Am kommenden Samstag findet die 10. Ausgabe der Audio Invasion im Gewandhaus statt. Wir haben das Booking-Trio interviewt und verlosen zwei Gästelistenplätze.
Ich muss gestehen, dass ich der Audio Invasion oft skeptisch gegenüber stand. Irgendwie hatte ich mir wohl erhofft, dass sich mit solch einer Veranstaltung die Synergie-Potentiale zwischen klassischer bzw. Neuer Musik und elektronischer Musik entfalten könnten. Stattdessen blieben beide Seite meist zeitlich und/oder räumlich weitgehend getrennt.
Blendet man diesen Gedanken jedoch aus, waren die letzten Audio Invasion-Jahre immer sehr ambitioniert und teilweise überraschend experimentell kuratiert. Mit einem breit gefächerten Elektronik-Repertoire und vor allem mit einer erfreulich starken Einbindung von Local Heroes. Dass nun tatsächlich schon zehn Jahre seit dem Debüt vergangen sein sollen, kann ich gar nicht recht glauben. Aus Zeitnot habe ich dem Booking-Trio der Audio Invasion ein paar Fragen per E-Mail geschickt. Es antworten hier also unisono Karen, Markus und Matthias.
Ach ja, vorher noch die Verlosung: Schickt bitte bis Samstag 12 Uhr eine E-Mail an dance@frohfroh.de, Betreff Audio Invasion. Zu gewinnen gibt es 2 x 1 Gästelistenplätze.
Was war euch wichtig beim Kuratieren der Jubiläumsausgabe?
Die Herangehensweise ist Jahr für Jahr gleich und orientiert sich am Startmoment, dem „Großen Concert“, wobei die dramaturgische Umsetzung von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein kann. Ziel ist es, KünstlerInnen einzuladen, die Teil einer Musikgeschichte sind und was zu erzählen haben.
Die Jubiläumsausgabe in diesem Jahr kann zum einen mit Brandt Brauer Frick oder Bonaparte – ein Mitglied des Projektes Mule&Man – als eine Art „Best-Of“ gewertet werden. Zum anderen handelt es sich bei John Talabot und den Junior Boys um Acts, die in den letzten zehn Jahren immer wieder eine große Rolle gespielt haben und fast jedes Jahr in Anfrage waren aber erst 2016 bestätigt werden konnten.
Wichtig sind aber auch persönliche Helden wie Alexis Taylor von Hot Chip, der ein sehr intimes musikalisches Porträt am Flügel im Großen Saal abliefern wird. Acts wie Danny Daze, Juicy Gay, Avalon Emerson oder lokale KünstlerInnen geben jedoch die Richtung für die nächsten Jahre vor.
Die Audio Invasion soll jüngeres Publikum für das Gewandhaus begeistern – ist das aus eurer Sicht auch über das jährliche Event hinaus gelungen?
Ob wir den Anteil an jüngerem Publikum durch zehn erfolgreiche Veranstaltungen erhöhen konnten, wagen wir zu bezweifeln bzw. wird dies auch gar nicht durch Umfragen erhoben. Da gibt es so ein Missverständnis was dieses Format in den acht Stunden, einmal im Jahr, erfüllen soll und kann. Vorrangiges Ziel, zu Beginn vor zehn Jahren, war erst einmal unabhängig von „verordneten“ Schülerkonzerten jungen Menschen den Zutritt zum Haus auch inhaltlich zu ermöglichen und Hürden abzubauen.
Grundsätzlich muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass das Gewandhaus eine Institution ist, die sich der klassischen und der „neuen“ Musik verschrieben hat. Das ist deren Auftrag und funktioniert mit Blick auf die Auslastung scheinbar sehr gut. Trotzdem, und das ist unsere ganz persönliche Meinung, geht da eindeutig mehr und einiges auch anders.
Da ist zum einen der Kulturort, der sich inhaltlich in Richtung freier Szene öffnen muss aber auch der „Dampfer“ Gewandhaus, der schwerfällig und eingefahren von Saison zu Saison schippert.
„Will man die jüngeren Generationen abseits des bisherigen Abo-Publikums für das Haus und das Programm begeistern, muss sicherlich noch eine Menge passieren.“
Erlebt man jedoch die Gäste, wie sie auf der Audio Invasion mit Standing Ovations das Gewandhaus-Orchester ehrlich und laut hofieren oder den hohen Anteil an jungen Menschen zu Konzerten im Rosental, beweist dies zumindest von Publikumsseite Neugier, Offenheit und den Willen für mehr.
Wie ist eigentlich das Feedback innerhalb des Gewandhauses? Wird das Event von den Orchestermusikern und Mitarbeitern als musikalische Ergänzung und Bereicherung wahrgenommen?
Das muss in einem so großen Apparat wie dem Gewandhaus differenziert betrachtet werden. Da gibt es diejenigen, denen das egal ist, sicherlich auch einige, die unsere Arbeit immer noch mit Skepsis betrachten. Aber es gibt eben auch viele, die sich nicht nur aus einer Notwendigkeit heraus engagieren sondern auch wildeste Ideen innerhalb des Hauses durchboxen und uns damit den Rücken stärken.
Genauso verhält es sich mit den MusikerInnen. Gerade viele junge Angehörige des Gewandhaus-Orchesters unterscheiden für sich nicht mehr zwischen U- und E-Musik. Sie sind ebenso wie das Publikum durch elektronische Musik geprägt, produzieren sogar zum Teil oder tanzen an freien Wochenenden in den Clubs der Stadt.Vor zwei Jahren haben sich Kassem Mosse und Mix Mup öffentlich über das männlich dominierte Line-up beschwert – gibt es mittlerweile eine größere Sensibilität für das Thema?
Zu dem Thema gäbe es eine Menge zu sagen, wir machen es kurz. Wir hatten damals, vier Tage vor der Veranstaltung, weder die Möglichkeit für eine Klarstellung noch stand uns die Plattform dafür zur Verfügung. Ehrlich gesagt waren wir alle ziemlich betroffen, regelrecht gelähmt da unserer Meinung die Audio Invasion für ein Problem herhalten musste, welches vorrangig in den männlich-dominierten Roster der Agenturen begründet liegt.
Gleichzeit waren die Frauen, die hinter den Kulissen arbeiten wegen der Vorwürfe extrem frustriert, zählt deren Input für die Veranstaltung weniger? Warum greift der Kreuzer das Thema auf und zeigt mit dem Finger auf uns und auf der nächsten Doppelseite findet man die Plattenrezensionen, die ebenfalls männlich dominiert sind?
Kurz ja wir sind sensibilisiert und ja wir haben FKA Twigs angefragt – leider oder besser super unbezahlbar, aber das ist nochmal ein anderes Thema.
Was waren eure persönlichen Highlights der letzten Jahre?
Es ist immer das Ereignis an sich, was uns bewegt. Es ist die Farbigkeit des Hauses in dieser Nacht, dieses Generations,- und Musikübergreifende auf der Fläche. Auf einen Künstler über die Jahre bezogen war dies sicherlich persönlich der Auftritt von Sebastien Tellier, mit dem ich mir (Markus) auch einen eigenen Wunsch erfüllt habe.
Für Karen waren es wiederum die Versatile Noise Troopers, die 2013 zum ersten Mal den großen Saal bei der Audio Invasion abseits vom klassischem Konzert bespielt haben – damit wurde das Haus erstmals konsequent geöffnet und die AI damit noch einen Tick spannender für die Gäste.