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Christoph
Christoph mag es, wenn es breakig und verspielt klingt. Nicht zu gerade. Als Kid Kozmoe legt er auch auf. Und heimlich produziert er eigene Tracks. Aber pssst.

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Neu entdeckt – 3CUE

17. Juli 2017 / Kommentare (1)

Vor einigen Tagen erschien die Debüt-EP „Continuum“ des zweiköpfigen Live-Projekts 3CUE aus Leipzig. Wir haben reingehört – und ein paar Fragen dazu gestellt.

Elektronische Musik von Bands live umgesetzt – das ist inzwischen längst keine Seltenheit mehr. Und doch ist es immer wieder spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sein können und wie stark sich die Energie solcher Acts von einem DJ-Set unterscheiden kann. Das ist auch bei den mir bis dato unbekannten 3CUE der Fall. Vor ein paar Wochen trudelte eine Promo-Mail bei der frohfroh-Redaktion zu deren Debüt-EP „Continuum“ ein.

Ja, der erste Eindruck ließ beim ersten Durchzappen schnell das gängige Vorurteilregister herunterspulen: Eine durchaus starke Rave-Attitüde fällt zuerst auf, viele digitale Sounds passen in den EDM-Rave-Zirkus – nein, besonders subtil ist das nicht. Aber bei 3CUE passiert beim genaueren Hinhören mehr. Eben jene Rave-Elemente sind hier clever verpackt, indem ihnen leichtfüßige Synthesizer-Melodien und ideenreiche Track-Strukturen entgegengesetzt werden. Das liegt wahrscheinlich an dem Musiker-Background von Felix und Aron, die in Bands ganz unterschiedlicher musikalischer Ausrichtung unterwegs sind.

Der erste Track „Moondance“ veranschaulicht das ganz gut. Nach einem Reggae-Intro biegt das Stück in Richtung Techno-Stomper ab, der zusätzlich mit darüber gelegten, improvisiert klingenden Synthesizer-Melodien aufwartet. „Bloodclat“ schaukelt sich da schon sehr viel direkter auf und ist vielleicht das am meisten fordernde Stück der EP. Nicht umsonst gibt es dazu auch ein Video, das das handwerkliche Talent der beiden Musiker visuell gekonnt aufbereitet.

Eine eigenständige Interpretation von Dub zeigt uns das Duo mit „Lips Of Wisdom“. „Time Lapse“ klingt nach aufgefrischten Soundtracks alter Sciene-Fiction-Serien. Das Saxophon in „Sunwalk“ droht kurz mit Schunkeligkeit, wird aber schnell wieder weggebratzt.

Bombastisch wird es zum Ende hin bei „Bass Blower“. Eine sich überschlagende Synthesizer-Melodie wechselt sich mit orchestralen Parts ab. Nicht nur dieser Moment erinnert mich stark an die letzten Solo-Alben von Squarepusher, auf denen er ebenfalls Versatzstücke der EDM-Exzesse aufgreift und eine alternative Erzählweise zu deren Formelhaftigkeit anbietet. Oder einfach Bock hat, die Sau rauszulassen.

„Bass Blower“ bildet für mich dann auch den Abschluss der EP, denn leider passen die Raps im Bonus-Stück „Kartoffelsalat“ nicht so richtig zum Instrumental von 3CUE. Das schmälert auch ein bisschen den Gesamteindruck.

Gerade in Live-Situationen macht diese Kombination aus druckvollen Sounds und unerwarteten Einfällen bestimmt sehr viel Spaß. Mit ihrem Ansatz stehen 3CUE irgendwo zwischen Meier & Erdmann und Neonlight, um mal regionale Acts als Vergleich heranzuziehen.

Doch wie genau sieht das Projekt ihren Ansatz selbst? Dazu haben wir Felix einige Fragen gestellt.

Elektronische Musik als Live-Band umzusetzen ist ja häufig ein spezielles Thema. Welche Vorzüge hat dieser Ansatz für euch? Welche Schwierigkeiten treten auf?

Das ist definitiv ein heikles Thema. Sobald man sich in einem Universum der gerasterten Computermusik wiederfindet, ist jede menschliche Komponente grundsätzlich eine Anomalie. Für uns war es in erster Linie wichtig, elektronische Kompostionen im Live-Kontext erlebbar zu machen. Nicht nur für das Publikum, sondern auch aus rein egozentrischen Gründen.

„Musik aufzuflegen bietet uns nicht die nötige Vielseitigkeit und Eingriffsmöglichkeit, die unser Anspruch als Musiker verlangt.“

Vorteil des Duos ist definitiv die Flexibilität, Interaktion mit dem Publikum, der Umgebung und natürlich auch zwischen Aron und mir. Egal wie oft wir einen Song spielen, es kommen immer wieder neue Ideen auf, die uns überraschen. Dadurch bekommt man bei den Proben und Gigs jedes Mal einen ganz individuellen Bezug zu den Songs.

Die Adaption als Live-Act birgt natürlich gewisse Schwierigkeiten. Die liegen vorrangig in Sachen Sound, Spielbarkeit und Performance von stereotypen Wendungen elektronischer Musik sowie der Erwartungshaltung des Publikums. Wir bewegen uns letztendlich zwischen zwei völlig konträren Welten: Die einer Band und die eines DJs. Aber genau dieser Fakt war der Anreiz, es zu probieren. Es ist interessant zu sehen, dass das Publikum manchmal nicht genau weiß, ob es tanzen oder zuhören soll.

Eure Tracks haben oft unerwartete Wendungen. Ist es schwierig, eine Balance zwischen Komplexität und Einfachheit zu finden? Wie geht ihr beim Produzieren vor?

Eigentlich ist unsere Musik für die Bühne gedacht. Auf der können wir uns und unseren Songs die nötige Zeit geben, um durch den Effekt des Loops Improvisation und, daraus resultierend, Veränderungen zu erzeugen. Die überraschenden Wendungen sind dann insofern legitim, dass sie eine Berechtigung zum Hören der Tracks auch außerhalb unserer Konzerte schaffen.

Musik verkommt mehr und mehr zum Beiwerk, das während einer anderen Tätigkeit stattfindet. Was manchmal auch vorteilhaft ist: Zum Beispiel den Abwasch machen, während man Techno hört. Das passt super und steigert die Effizienz. Allerdings gibt es noch eine weitere Ebene, die für uns wesentlich wichtiger ist: Musik soll überraschen.

Auch bei mehrmaligem Hören sollen immer wieder neue Details auffallen, sodass man sich möglicherweise auch mal komplett darauf fixieren kann. Das heißt nicht, dass das der einzige oder richtige Weg ist, unsere Musik zu konsumieren. Aber im Endeffekt ist die Monotonie und festgefahrene Form genau das, was mich an elektronischer Musik oftmals stört.

Ich (meint ist hier Felix) produziere am Anfang allein. Dabei entsteht ein Song, der eingespielte Synthesizer, Vocal-Samples, akustische Instrumente und eine Schlagzeugspur mit Pilotfunktion beinhaltet. Die Live-Version entsteht dann im Proberaum. Es müssen Parts adaptiert werden, es entstehen neue Teile, andere Spielweisen, neue Grooves kommen durch Aron hinzu und vieles mehr.

Natürlich ist das Ganze eine Wechselwirkung, denn ich lerne 3CUE als Formation während des Jammens und Probens besser kennen. Immer häufiger sammle ich Ideen, Sounds, Beats und inkludiere diese in neue Kompositionen. Wenn die Songstruktur komplett steht, beginnen wir mit dem Recording des akustischen Drumsets. Aron entwickelt einen Schlagzeugbeat, der sich sowohl an der Vorproduktion orientert, aber auch innovative Elemente enthält und unterstützt somit die Spannungskurve der Tracks.

Es hat uns einige Zeit gekostet, einen sinnvollen Umgang mit dem Sounddesign eines akustischen Schlagzeugs in diesem Kontext zu finden. Prämisse war, dass der Beat nicht an Druck verliert, zu sehr nach analogem Schlagzeug klingt und trotzdem eine abrundende Wirkung hat. Am Ende waren wir dann aber sehr zufrieden mit dem Sound von „Continuum“!

Habt ihr bereits viele Konzerte spielen können? Wie sind die Reaktionen bisher?

Als Formation im jetzigen Zustand haben wir bereits eine Handvoll Konzerte gespielt, unter anderem im Sektor Evolution in Dresden, im – leider nicht mehr existenten – Sweat-Club, im Leipziger Westwerk sowie auf kleineren Festivals. Allerdings ist die EP unsere erste offizielle Veröffentlichung, deshalb war es bislang schwierig, dem jeweiligen Booker eine konkrete Vorstellung von unserer Performance zu vermitteln.

Inzwischen gibt es aber u.a. auch ein Live-Session-Video zum Track „Bloodclat“, gedreht in den Leipziger Off The Road-Studios, wo man mal sieht, was wir da eigentlich so machen. Wir planen nun Auftritte für das nächste Jahr, unter anderem eine Releaseparty in Leipzig.Die Reaktionen waren bislang sehr gut. Vor allem von Liebhabern der tieffrequenten Musik und alternativeren Partys haben wir viel positives Feedback bekommen. Aber es kommen ja auch selten Leute zu dir und sagen, dass es ihnen gar nicht gefällt. Obwohl das natürlich auch passiert, gerade bei polarisierender Musik wie beispielsweise Dubstep.

Ich kann mir vorstellen, dass der Rahmen sehr wichtig ist: Wir hatten mal einen Auftritt im Programm einer Modenschau, bei der das Klientel vielleicht besser ins Leipziger Nachtcafé gepasst hätte. Da hatten beide Seiten nur bedingt ihren Spaß. Grundsätzlich dürstet es die Leute nach facettenreicher, harter Clubmusik. Uns kann man halt schwer in Schubladen stecken, da wir uns in vielen Stilen wohlfühlen. Es ist auf jeden Fall für jeden etwas dabei, auch wenn unsere Genreausflüge nicht immer sofort auf Zustimmung treffen.

Ihr habt laut den Promo-Infos einen Musiker-Background. Woher kommt ihr musikalisch? In welchen Projekten wart und seid ihr aktiv?

Aron und ich kennen uns schon seit Langem, wir hatten bereits zu Schulzeiten unsere erste eigene Rockband. Später legten wir auf, großteils selbstproduzierte elektronische Musik, damals noch unter dem Pseudonym Sick Flix & Grenzfrequenz.

Seit einigen Jahren ist Aron in diversen Projekten eine feste Komponente am Schlagzeug. Neben der elektronischen Musik hat er mit Zen Zebra eine Postcore-Band am Start, mit LOT etablierte er sich im deutschen Popmusik-Dschungel und bei GrünFeuer wagt er einen Blick in Richtung Funk und Reggae. Zudem wird er oft als Musiker für spontane Projekte angeheuert.

Ich (Felix) komme ursprünglich aus dem Irish Folk-Bereich und bin regelmäßig mit der Formation Fiddle Folk Family in ganz Deutschland unterwegs. Derzeit spiele ich vermehrt Groove-/Jazz- und HipHop-Musik und mugge als Jazz-Geiger oder Keyboarder bei allen möglichen Gelegenheiten. Unter anderem tobe ich mich bei Projekt Hankelmusik, Tsomban!s und FX Kling aus. Neben dem Interesse für die populäre Musik beschäftige ich mich auch mit klassischen Besetzungen und beende dieses Jahr mein Studium in Komposition für Jazz/Rock/Pop in Dresden.

Im Grunde treibt uns Musik, die nach vorne geht und was zu bieten hat aber immer zusammen, weswegen wir die Arbeit bei 3CUE sehr genießen und gespannt sind, was noch kommt.

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  • frohfroh review – 3cue – Dubstep and more / 31. Juli 2017 / um 00:27
    […] FROHFROH […]

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