Pünktlich zum internationalen Frauentag aka Frauenkampftag erscheint die fünfte Ausgabe der FACTS-Studie des female:pressure-Netzwerkes. Sie zeigt einmal mehr auf, wie wenig divers die Line-ups bei Festivals mit elektronischer Musik sind. Die Ergebnisse sind ambivalent.
Seit 2012 scannt das female:pressure-Netzwerk die internationale Club-Szene hinsichtlich ihrer vielfältigen Gender-Gaps. Mit der neuen Ausgabe der FACTS-Studie kann also nun auf fast ein Jahrzehnt zurückgeschaut werden. Und auf den ersten Blick ist die Tendenz positiv: Spielten 2012 nur 9,2 Prozent weibliche DJs bei den ausgewählten Festivals, waren es 2021 28 Prozent. Neun weitere Prozent der Acts waren 2021 gender-mixed, 1,6 Prozent non-binär. Die Zahl an männlichen DJs sank zwischen 2012 und 2022 von 81,5 auf 57,9 Prozent.
Interessant ist auch der Blick in die Regionen. An der Spitze der Gender-Equality standen 2021 südamerikanische Festivals mit rund 42 Prozent weiblichen DJs, gefolgt von Veranstaltungen in Europa (30,6 Prozent). Wobei hier anzumerken ist, dass deutlich weniger Festivals aus Südamerika untersucht wurden. In Deutschland hatten 2020 und 2021 übrigens knapp 32 Prozent der betrachteten Festivals weibliche DJs gebucht. Vor zwei Jahren gab es übrigens bei Feat. Fem und uns eine ähnliche Line-up-Auswertung von drei Leipziger Clubs.
Und noch zwei spannende Fakten aus der FACTS-Studie: Je größer ein Festival, desto größer ist das Gender-Ungleichgewicht. Und je stärker öffentlich gefördert es ist, desto mehr weibliche DJs sind im Line-up. Das heißt: Sich allein auf den „freien Markt“ zu verlassen, ist wenig aussichtsreich, um mehr Gleichheit zu erreichen. Alle Daten im Detail findet ihr hier in der Online-Version der FACTS-Studie. Dort gibt es auch ein Add-on zu anderen Diversity-Aspekten wie der mangelnden Präsenz von People Of Color, älteren Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen innerhalb der Clubkultur.
Was die Zahlen deutlich machen
Die Awareness für Gender-Equality scheint bei den Booker:innen von Festivals allmählich zuzunehmen. Offensichtlich lohnt sich der Einsatz von Initiativen wie der FACTS-Studie. Regelmäßige Publicity für das Thema, diversitätsfördernde Booking-Policys, neue weibliche und non-binäre Role Models für künftige DJ-Generationen, FLINTA*-DJ-Workshops – all das trägt zu einem grundlegenden Umdenken bei.
Ein Grund zum Ausruhen sind die Ergebnisse aber nicht. Nach wie vor gibt es große Ungleichgewichte in den Line-ups vieler Festivals und Clubs. Dazu kommen oftmals noch größere Gaps in den Back-Office- und Technik-Strukturen der Clubszenen sowie in der Höhe der Gagen. Es muss auch von Männern mehr Platz in deren oftmals dominierten Domänen eingeräumt werden, auch männliche Kumpel-Netzwerke sollten sich öffnen und Angebote schaffen, um Diversität zu einer gelebten Selbstverständlichkeit werden zu lassen.
Es bleibt also auf vielen Ebenen weiter eine Aufgabe, der sich aktiv und kontinuierlich gewidmet werden muss. Als praktische Denkanstöße gibt die FACTS-Studie daher für verschiedene Akteur:innen der Clubszene „Call to Actions“, also Empfehlungen, wie die sich oft als progressiv inszenierende Clubkultur dauerhaft zu mehr Gleichheit gelangt. Angesprochen werden Festival-Organisator:innen und Artists ebenso wie Journalist:innen, Politiker:innen und Festivalbesucher:innen. In der Online-Ausgabe sind sie hier zu finden.
Inpirationen für mehr Diversität nötig?
Und nun Guys, damit es keine Ausreden mehr gibt, wo denn all die weiblichen, non-binären und nicht-weißen DJs sind. Es gibt allein in Leipzig mehrere inspirerende Podcast-/Radio-Reihen, die zeigen, wie vielfältig die Clubszene ist – lokal und deutschlandweit. Wer noch weitere kennt, schreibt sie gern in die Kommentare.