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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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New In – Jun 22

30. Juni 2022 / Kommentare (0)

Am letzten Juni-Tag schauen wir zurück auf die Releases des Monats – insgesamt acht Tipps gibt es. Here we go!

Moritz Fasbender „Rabbits ((XXIM:EXPO #4))“ (XXIM Records)

Anfang des Jahres hatten wir davon berichtet, dass Friederike Bernhardt ein neues Solo-Projekt hat – Moritz Fasbender. Im Juli steht das erste Album auf einem Sony-Sublabel an. Vorab erschien vor wenigen Tagen eine EP mit vier Tracks. Und die bieten einen angenehmen Gegenentwurf zu dem gefälligen Piano-Neo-Classical-Hype der letzten Jahre. Moritz Fasbender spielt mit ähnlichen Piano-Bildern, sie seziert sie aber immer wieder, oder bricht sie durch ein experimentelles Anspielen der Tasten. Dazu schieben sich dezente elektronische Layer dazwischen. Es bleibt trotzdem kontemplativ und hörbar. Keine aufgesetzte Avantgarde, sondern ein guter Spagat zwischen den Welten.

„Gravity Gain“ entstand zusammen mit Brandt Brauer Frick und fällt noch einmal etwas aus dem Rahmen mit seinem Club-Fokus. „Rabbits ((XXIM:EXPO #4)) macht sehr neugierig auf das Album. Die EP gibt es auf allen möglichen Streaming-Plattformen, nur nicht bei Bandcamp. Also wählt hier euren Anbieter und schaut das offizielle Video zu „Last Airport“.

Mein Hit: „Swifts“. Why: Weil hier die schwebenden Harmonien immer wieder so herrlich wegflimmern.


New Hook „Manipulation“ (Riotvan)

Deutlich extrovertierter und pathetischer geht es bei New Hooks erster richtiger Vinyl-EP zu. Nach mehreren Compilationbeiträgen bringt Riotvan nun einen Song heraus, der 2018 entstand und Anfang 2022 auf der Compilation eines US-Labels landete. Doch New Hook hatten mit „Manipulation“ noch mehr vor, also gibt es nun ein deutlich rougheres Wave-Disco-Rework, in dem die provokativ-unterkühlten Vocals noch tiefer und dystopischer wirken. Als ob das Stück direkt aus dem subkulturellen West-Berlin der frühen 1980er kommt. Der Dark-Disco-Held Curses steuert noch einen Remix bei, der „Manipulation“ etwas stärker für den Dancefloor manipuliert. Passt.

Mein Hit: „Manipulation (Rework)“. Why: Weil die Rework-Wandlung des softeren Originals für deutlich mehr Aufhorchen sorgt.


HomeSick „Bolt EP“ (Defrostatica)

Anfang Juni kam auch eine neue Defrostatica heraus – und ein Wiederhören mit dem kanadischen Producer HomeSick. 2019 hatte er bereits in Leipzig eine EP herausgebracht. Danach experimentierte er auch mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenz. Ob diese Forschungen auch bei der neuen EP eine Rolle spielten? Wie auch immer: Die drei Bass- und Breaks-Tracks pressen sich voller komprimierter Power in eher langsamem Tempo nach vorn. Verspult und glitchy, hektisch und schwerfällig zugleich. Die verdrehte Schraube auf dem Cover passt einfach so gut zum Sound. So klingt also die Symbiose aus HipHop und Drum & Bass. Einfach HomeSick.

Mein Hit: „Fake“. Why: Weil sich der Track so crazy um seine eigene Achse dreht und dabei immer wieder neue Elemente aufsaugt.


Lunar3 „Against The Agony“ (self-released)

Thanks Thanks an Booga. Er hat die neue Lunar3-Platte gehört und meint dazu: Das Leipziger Live-Quartett um Andreas Wendland hat vier Songs aufgenommen und auf Schallplatte veröffentlicht. Im Liquid-Drum & Bass-Titelstück gibt es ein Feature von Conkahgood und MC Amon, die sich zwischen Strophe und dem eingängigen Refrain abwechseln. „Let Loose“ spielt mit Dub-Elementen im halben Tempo, hier ist Hanonik am Vocoder-Mikrofon und die Posaunen funktionieren als Chor. In „Overcome This“ schlagen sich Live-Drums mit verschiedenen Rave-Basslines herum, unterbrochen von düster-pathetischen Harmonien und einem Pistolen-Nachladegeräusch. Die Sängerin Nora Lyn ist im Power-Ambient Stück „Different Resonance“ zu hören. Die von Neustart Kultur geförderte Veröffentlichung trägt im Kern viel Melodie – Ecken und Kanten gibt es dann vielleicht live auf der Bühne. Zum Beispiel am 16.7.22 auf der Peißnitzinsel Halle.

Mein Hit: „Against The Agony“. Why: Weil MC Amon dem Stück im Refrain spielend ein neues Level an Weite und Klarheit verschafft.


Baby Of The Bunch „Make Out (Tank Boy Remix“ (Revolver Distribution Services)

Und nun ein special Remix einer Leipziger Drum & Bass-Legende, die sich aber unter dem Alias Tank Boy versteckt. Aber wer sind Baby Of The Bunch? Eine Post-Riot-Punk-Band aus Leipzig, Dresden und Berlin, die im April 2022 ihr zweites Album „Pretty But It Has No Use“ veröffentlichte – ein erstaunlich reifes und mitreißendes Werk, auch wenn es überhaupt nicht hier zu frohfroh passt. Zu einem der Songs, „Make Out“, gibt es nun einen Remix. Sehr classic Drum & Bass, treibend und bassgeladen nimmt die Neufassung die Original-Vocals mit auf, was dem Riot-Elan der Band noch einmal richtig viel Schub gibt. Yes, hier wird eine Hymne draus.


Stromtod „s/t“ (Submit Records)

Nach dem empowernden Remix eben geht es bei Submit Records viel düsterer zu. Stromtod (what a name!) aus Wien steuerte Anfang Juni eine EP bei, die vier Tracks und sechs Remixe umfasst. Und die bewegen sich zwischen rasendem Industrial-Techno und bedrohlichem Dark Ambient – immer mit weiten dunklen Hallräumen und dystopischen Sounds. Teilweise mischen sich auch ein paar finstere Vocals rein. Aber prinzipiell passt diese EP bestens in den Hard Techno-Schub der letzten Jahre – nur dass alles eine Spur martialischer aufgezogen ist, besonders bei einigen Remixen schlägt die Noise-Keule zu.

Mein Hit: „Zeit (Rmx 16Pad Noise Terrorist“. Why: Weil hier ein Moment des Durchatmens gegeben wird, ohne die Düsterheit aufzugeben.


Wouter van Veldhoven „Some things should be infinite or, on letting the damage be“ (Visible Dinner For Invisible People)

Zum Schluss noch zwei neue Tape-Releases von Visible Dinner For Invisible People. Neulich hatten wir das Label näher vorgestellt. Mit Wouter van Veldhoven kommt nun ein neuer Act aus Utrecht in den Artist-Roster. Er spielt mit Tape-Recordern, Pitchern, kaputen Bandmaschinen sowie anderen alten Soundgeräten. Heraus kommt dabei ein wehmütig-kantiger Electronica-Sound mit mäandernden Melodien und dissonanten Tönen. Alles umrahmt von einem nostalgisch-analogen Soundbett.

„These recordings are the result of having an idea, building it, listening to it, finding out it behaves completely different than expected, then adjusting yourself to the results you got instead of trying to force the machinery you built in directions it doesn’t want to go naturally“, beschreibt Wouter van Veldhoven den Prozess hinter seinem neuen Tape. Auf zwei Seiten verteilt, entfalten sich darauf 21 Minuten Sound-Forschungen, die aber immer wieder auch zugängliche Momente zulassen. Spannendes Listening-Album.

Mein Hit: „Or, On Letting The Damage Be“. Why: Weil es wie eine Session klingt, bei der alles möglich schien.


Rudolph Gottstein „Elektronische Tage“ (Visible Dinner For Invisible People)

Und Ende Juni tauchte Visible Dinner For Invisible People gleich nochmal noch einmal im frohfroh-Release-Radar auf. Wieder mit einem neuen Namen: Rudolph Gottstein. Dahinter steckt ein Berliner Duo, bestehend aus dem Trompeter Lars Rudolph Elias Gottstein an der Elektronik. Die beiden haben ihre Soundwelten in zwölf Stücken auf ein Album gebracht. Sehr reduziert und filigran, mit experimentellem Appeal. Manchmal verschimmen beide Instrumentarien nahtlos, da ist nicht klar, ob die Trompete quietscht oder ein Synth. Es ist wie bei Wouter van Veldhoven ein forschendes Werk, ohne direkt erfassbare Muster. Mehr eine Session, die mal anstrengender, mal zugänglicher ist. Aber nice, dass Visible Dinner For Invisible People genau diesen Experimenten eine Plattform gibt. Wieder auf Tape, wieder mit wunderbarem Artwork.

Mein Hit: „Tag_6“. Why: Weil hier die beiden Welten Trompete und Electronik für mich am schlüssigsten matchen

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